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Netanjahu kämpft um Likud-Parteivorsitz

Seit Jahrzehnten dominiert Benjamin Netanjahu Israels Regierungspartei Likud. Lange galt er als unangefochtene Nummer eins, doch nun schwächen ihn eine Korruptionsanklage und politische Dauerkrise. Sein Rivale Gideon Saar wittert seine Chance.

Benjamin Netanjahu
Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident von Israel, sitzt in seinem Büro bei der wöchentlichen Kabinettssitzung. Foto: Oded Balilty/AP/dpa
Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident von Israel, sitzt in seinem Büro bei der wöchentlichen Kabinettssitzung. Foto: Oded Balilty/AP/dpa

Jerusalem (dpa) - Israels rechtskonservativer Regierungschef Benjamin Netanjahu (70) kämpft um sein politisches Überleben - auch in der eigenen Partei.

Bei einer internen Wahl waren rund 116.000 Likud-Parteimitglieder aufgerufen, ihren Parteivorsitzenden und zugleich Spitzenkandidaten für die Parlamentswahl am 2. März zu bestimmen. Dabei trat gegen Netanjahu der erste ernsthafte Rivale seit Jahren an: Der 53 Jahre alte Gideon Saar, früher Innenminister und Erziehungsminister. Wegen ungewöhnlich stürmischer Wetterbedingungen wurde das Zeitfenster der Wahl verlängert. Nach Schließung der landesweit mehr als 100 Wahllokale um 22.00 Uhr (MEZ) wurde mit dem Ergebnis am Freitagmorgen gerechnet.

Es galt als wahrscheinlich, dass der seit 2009 durchgängig als Regierungschef amtierende Netanjahu wieder das Rennen macht. Die Likud-Parteimitglieder gelten als extrem loyal und haben noch nie einen amtierenden Parteivorsitzenden abgewählt.

Saar wurde jedoch ein Achtungserfolg zugetraut. Damit könnte sich der 53-Jährige zumindest für eine Ära nach Netanjahu positionieren. Dieser ist wegen einer Korruptionsanklage und seinem zweifachen Scheitern bei der Regierungsbildung angeschlagen.

Jonathan Rynhold, Politikprofessor an der Bar-Ilan-Universität nahe Tel Aviv, sah zwar gegenwärtig wenig Chancen für Saar: »Er wird wahrscheinlich verlieren, fast sicher.« Doch auch wenn Saar nur etwa 25 bis 30 Prozent der Stimmen erhielte, wäre dies »ein Signal, dass es eine künftige Alternative zu Netanjahu gibt«, meint Rynhold.

Israel befindet sich wegen einer fortwährenden Pattsituation zwischen dem rechts-religiösen und dem Mitte-Links-Lager in einer bislang beispiellosen Politkrise. Weil weder Netanjahu noch seinem Herausforderer Benny Gantz vom Mitte-Bündnis eine Regierungsbildung gelungen ist, wird im März schon zum dritten Mal binnen eines Jahres ein neues Parlament gewählt.

Netanjahu dominiert die Likud-Partei seit Jahrzehnten. Er war von 1993 bis 1999 Parteivorsitzender, die letzten drei Jahre davon auch Regierungschef. Nach seiner Wahlniederlage 1999 trat Netanjahu als Parteivorsitzender zurück, sein Nachfolger wurde damals Ariel Scharon. 2005 schied Scharon dann aus dem Likud aus, um die Kadima-Partei zu gründen. Seitdem ist Netanjahu durchgängig Likud-Parteivorsitzender.

Der in Tel Aviv geborene Saar ist ein Rechtsanwalt. Er bemüht sich um ein staatsmännisches Auftreten und präsentiert sich als integrer Politiker. An seiner Seite hat er die in Israel bekannte TV-Moderatorin Geula Even-Saar, mit der er in zweiter Ehe verheiratet ist. Saar positionierte sich vor der parteiinternen Wahl politisch noch weiter rechts als Netanjahu. Er betonte seine Ablehnung eines unabhängigen Palästinenserstaates, und er forderte von Netanjahu härtere Schritte, etwa die Räumung des Beduinendorfes Chan Al-Ahmar im Westjordanland. Saar spricht sich auch für einen weiteren Siedlungsausbau und die Annektierung des Jordantals aus.

Vor der Likud-Wahl bekräftigte Netanjahu Pläne zur Annektierung von Teilen des Westjordanlands. »Ich will eine US-Anerkennung unserer Souveränität im Jordantal und allen Siedlungen in Judäa und Samaria (Westjordanland) erreichen - nicht nur in den Siedlungsblöcken«, sagte er dem Armeesender in einem seltenen Interview.

Der smart und zurückhaltend auftretende Saar präsentiert sich als »Retter der Rechten«. Er warnte vor der Likud-Wahl, ohne einen Wechsel an der Parteispitze würde bei der Parlamentswahl im März das Mitte-Links-Lager an die Macht kommen. Bisher ist es Saar jedoch kaum gelungen, bei den Likud-Anhängern ähnlich starke Emotionen und Verehrung zu wecken wie der charismatische Netanjahu. Viele Likud-Mitglieder schenken Netanjahus Darstellung Glauben, er sei Opfer einer Hexenjagd und seine Gegner versuchten, ihn über den Gerichtsweg vom Thron zu stoßen. Auch Saar wurde von Netanjahu-Anhängern heftig als »Verräter« angefeindet.

Saar hatte seine politische Laufbahn vor 20 Jahren als Netanjahus Kabinettssekretär begonnen. 2009 bis 2013 war er Erziehungsminister in Netanjahus Regierung, danach für mehr als ein Jahr Innenminister. In der Funktion verfolgte Saar auch eine harte Linie gegen Migranten aus Afrika.

Nach Meinungsumfragen würde der Likud unter Netanjahu bei einer Parlamentswahl 31 von 120 Sitzen gewinnen und damit zweitstärkste Partei nach dem Mitte-Bündnis Blau-Weiß werden, das auf 35 Mandate käme. Unter Saars Führung könnte der Likud nur mit 27 Sitzen rechnen, in dem Fall wäre jedoch das rechts-religiöse Lager insgesamt stärker als unter Netanjahu. Mit Saar an der Spitze könnte der Likud auch eine große Koalition mit Gantz' Blau-Weiß bilden. Gantz ist zwar für ein Bündnis mit dem Likud, jedoch nicht in Rotation mit einem Regierungschef, der wegen Korruption angeklagt wird.