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Netanjahu: »Hamas verurteilen, nicht Israel«

Frankreichs Präsident Macron fordert eine Waffenruhe im Gazastreifen. Israels Regierungschef hält dagegen und sieht die Hamas in der Verantwortung. Der Überblick.

Nahostkonflikt - Pressekonferenz in Tel Aviv
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sieht die Verantwortung für das Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen allein bei der dort herrschenden Hamas. Foto: Abir Sultan/DPA
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sieht die Verantwortung für das Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen allein bei der dort herrschenden Hamas.
Foto: Abir Sultan/DPA

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron widersprochen und sieht die Verantwortung für das Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen allein bei der dort herrschenden Hamas. »Während Israel alles in seiner Macht Stehende tut, um Zivilisten zu verschonen, und sie dazu aufruft, die Kampfgebiete zu verlassen, missbraucht die Hamas sie als menschliche Schutzschilde und tut alles dafür, um zu verhindern, dass sie in sicherere Gegenden gehen«, schrieb Netanjahu am Samstag auf der Nachrichtenplattform X. Nach dem Massaker der islamistischen Hamas Anfang Oktober, bei dem nach neuen Angaben von israelischer Seite rund 1200 Menschen in Israel getötet wurden, gehen die Streitkräfte des Landes gegen Terrorgruppen im Gazastreifen vor.

Zuvor hatte Macron eine Waffenruhe gefordert. »Es werden Zivilisten, Babys, Frauen und alte Menschen bombardiert und getötet. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, Zivilisten anzugreifen. Wir fordern Israel dazu auf, damit aufzuhören«, sagte Macron in einem Interview des britischen Fernsehsenders BBC. »Ich möchte alle an das Völkerrecht erinnern, ich fordere eine Waffenruhe.«

Seit Kriegsbeginn wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums im Gazastreifen mehr als 11 000 Menschen getötet - die allermeisten davon seien palästinensische Zivilisten. Die Zahl der Verletzten wurde mit rund 27 500 angegeben, etwa 2700 Menschen gelten demnach als vermisst. Der Chef der Weltgesundhitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, sagte vor dem UN-Sicherheitsrat, im Durchschnitt werde im Gazastreifen alle zehn Minuten ein Kind getötet.

Borrell kritisiert Israels Vorgehen: »Nicht akzeptabel«

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell kritisierte das Vorgehen Israels im Gazastreifen derweil erneut scharf. Es sei »nicht akzeptabel«, die gesamte belagerte Zivilbevölkerung von der Versorgung mit Wasser, Lebensmitteln, Strom und Treibstoff abzuschneiden, sagte Borrell in einer Videobotschaft, die auf dem Kongress der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) im südspanischen Málaga gezeigt wurde. An dem Treffen der SPE nahm auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) teil.

Es sei klar, »dass wir Israel angesichts der terroristischen Angriffe, die es erlitten hat, unterstützen müssen«. Aber Israel müsse »das humanitäre Völkerrecht respektieren und versuchen, die Zahl der zivilen Opfer zu minimieren«, forderte Borrell. Auch im Eigeninteresse, denn »eine Strategie, die die menschlichen Verluste ignoriert, wird am Ende nicht funktionieren. Und Frieden ist die beste und vielleicht die einzige Sicherheitsgarantie für Israel.«

In Gaza gebe es bereits »mehr als 10.000 (Todes-)Opfer, von denen die Hälfte Kinder sind«. Es müsse daher möglich sein, die Rechte der Palästinenser auf Freiheit, Sicherheit und Würde mit dem gleichen Nachdruck zu verteidigen wie die Rechte der Israelis. Und es müsse möglich sein, »die israelische Regierung zu kritisieren, ohne des Antisemitismus bezichtigt zu werden«, sagte der Spanier.

Netanjahu: Israels Militär soll nach Kriegsende Gaza kontrollieren

Laut Netanjahu sollen die israelischen Streitkräfte nach dem Krieg die Kontrolle über den Gazastreifen haben. Das Militär werde »die Kontrolle über den Streifen behalten, wir werden sie nicht internationalen Kräften überlassen«, sagte der Regierungschef Medienberichten zufolge bei einem Treffen mit Vertretern israelischer Grenzstädte. Zuvor hatte Netanjahu gesagt, Israel wolle nicht versuchen, den Gazastreifen zu erobern, zu regieren oder zu besetzen. Das dicht besiedelte Küstengebiet müsse aber entmilitarisiert, de-radikalisiert und wiederaufgebaut werden.

Baerbock appelliert an Golf-Staaten: Gemeinsam für Frieden arbeiten

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock appellierte an die arabischen Golfstaaten, gemeinsam mit dem Westen an einer Friedenslösung für Israel und die Palästinensergebiete zu arbeiten. »Alle Menschen haben ein Interesse an Frieden und daran, in Würde zu leben«, sagte die Grünen-Politikerin in Abu Dhabi. Der Hamas-Terror habe das Sicherheitsgefühl einer ganzen Region erschüttert. »Unsere gemeinsame Botschaft aller Moderaten an die extremistischen Akteure in der Region ist ganz klar: Gießt kein weiteres Öl ins Feuer.«

Erdogan: Israel stellt mit seinem Vorgehen eigene Legitimität infrage

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan warf Israel angesichts des Gaza-Kriegs Expansionismus vor. Israel versuche, »einen Staat aufzubauen, dessen Geschichte nur 75 Jahre zurückreicht und dessen Legitimität durch den eigenen Faschismus infrage gestellt wird«, sagte er in Ankara. Israel habe sich bei der Staatsgründung 1948 »mit Gewalt das Land angeeignet, in dem das palästinensische Volk seit Tausenden von Jahren lebte«, sagte Erdogan weiter. Der islamisch-konservative Politiker hat in der Vergangenheit immer wieder Partei für die Palästinenser ergriffen und Israel die Hauptschuld am seit Jahrzehnten währenden Nahost-Konflikt zugewiesen.

WHO: 20 von 36 Krankenhäusern im Gazastreifen außer Betrieb

Wegen der schweren Bombardierungen, Zerstörungen und dem Mangel an medizinischem Material sind laut der Weltgesundheitsorganisation 20 der 36 Krankenhäuser im Gazastreifen außer Betrieb. Auch die noch funktionierenden Kliniken liefen aufgrund von Material- und Strommangel nur im Notbetrieb. Sie hätten teils doppelt so viele Patienten wie Betten.

Israel beziffert Zahl der Terroropfer nun auf etwa 1200

Bei dem Angriff der Hamas auf Israel wurden nach Angaben des israelischen Außenministeriums am 7. Oktober nach neuen Erkenntnissen schätzungsweise 1200 Menschen ermordet. Bisher war die Zahl der Toten mit rund 1400 angegeben worden. Die Zahl könnte sich noch ändern, sagte ein Ministeriumssprecher - etwa wenn alle Leichen identifiziert worden seien.

© dpa-infocom, dpa:231111-99-905131/3