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Nato-Ostflanke: US-Militärführung für dauerhafte Stützpunkte

Als Reaktion auf Russlands Krieg gegen die Ukraine rüstet die Nato im Osten massiv auf. Der Generalstabschef des US-Militärs befürwortet eine dauerhafte Präsenz von US-Soldaten in Osteuropa.

Mark Milley und Lloyd Austin
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin (vorne r) und Generalstabschef Mark Milley (vorne l). Foto: Evan Vucci
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin (vorne r) und Generalstabschef Mark Milley (vorne l).
Foto: Evan Vucci

Infolge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine hat sich die Führung des US-Militärs für die Einrichtung permanenter US-Stützpunkte in den osteuropäischen Nato-Staaten ausgesprochen.

Er würde dazu raten, dauerhafte Stützpunkte einzurichten, die dann von zeitweise entsandten US-Soldaten genutzt werden könnten, sagte Generalstabschef Mark Milley im US-Kongress. Damit habe man die Vorteile einer permanenten Militärpräsenz ohne gewisse Nachteile wie zum Beispiel die Notwendigkeit des Nachzugs von Familien, deren Unterbringung und den Bedarf für Schulen zu haben.

Permanente Präsenz soll abschreckend wirken

Die osteuropäischen Partner, darunter die Staaten im Baltikum, Polen oder Rumänien, seien »sehr, sehr gewillt«, die Stützpunkte für die US-Truppen zu bauen und zu zahlen, sagte Milley in einer Anhörung zum Verteidigungsbudget für das kommende Haushaltsjahr. Damit könne man die abschreckende »Wirkung« einer permanenten Präsenz erreichen, die Soldaten selbst müssten aber nicht für »zwei oder drei Jahre« entsandt werden, sondern könnten jeweils nach kürzeren Einsätzen abgelöst werden, sagte Milley den Abgeordneten.

Verteidigungsminister Lloyd Austin fügte vor dem Streitkräfteausschuss des Repräsentantenhauses hinzu, die Nato sei im Prozess zu prüfen, wie die »Sicherheitsarchitektur in der Region sich auf absehbare Zeit verändern wird«. Falls die Nato zu dem Schluss käme, ihre Präsenz in Osteuropa zu verändern, dann wäre das US-Militär »sicherlich ein Teil davon«, sagte er. Es sei davon auszugehen, dass dies ein Thema beim Nato-Gipfel im Juni sein werde. Das Ziel der US-Regierung sei es, den Bedenken der östlichen Partner Rechnung zu tragen, insbesondere jenen im Baltikum, sagte Austin.

Neue Truppen an der Ostflanke

Zuvor hatte die Nato die Einsatzbereitschaft von neuen Truppen an der Ostflanke bestätigt. Wie eine Sprecherin des Militärbündnisses der Deutschen Presse-Agentur sagte, haben die vier neuen multinationalen Gefechtsverbände in Ungarn, Rumänien, Bulgarien und der Slowakei die erste Stufe der Einsatzbereitschaft erreicht. Ihr Aufbau wurde erst vor einigen Wochen angekündigt.

Zu Details äußerte sich die Nato zunächst nicht. Nach Angaben des Hauptquartiers Alliierter Streitkräfte in Europa (Shape) besteht allerdings allein der Gefechtsverband in der Slowakei aus 2100 Soldaten, die von Tschechien, Deutschland, den Niederlanden, Polen, Slowenien und den USA gestellt werden. In Ungarn sind es demnach 800 Soldaten aus Kroatien, den USA sowie dem Gastgeberland und in Bulgarien 900 Soldaten aus den USA und dem Gastgeberland. In Rumänien wird der Gefechtsverband derzeit von Soldaten aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden gebildet.

Zur Größe machten die Nato-Militärs keine Angaben. In einer Nato-Grafik vom 21. März war zuletzt die Zahl von 3300 in Rumänien stationierten Soldaten genannt worden. Bei ihr sind aber auch Truppen mitgezählt, die nicht Teil des Nato-Gefechtsverbands sind.

Battlegroups deutlich verstärkt

Die neuen Gefechtsverbände sollen angesichts des russischen Kriegs gegen die Ukraine die Abschreckung und die Verteidigungsfähigkeiten weiter erhöhen. Bislang hatte die Nato nur in den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie in Polen dauerhaft multinationale Verbände stationiert. Normalerweise sind diese Battlegroups etwa 1000 bis 1200 Soldaten stark, sie wurden allerdings zuletzt wegen des Ukraine-Kriegs deutlich verstärkt.

»Wir haben jetzt im östlichen Teil der Allianz 40.000 Soldaten unter direktem Nato-Kommando«, sagte Stoltenberg am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Brüssel. Hinzu kämen Hundertausende Truppen in erhöhter Alarmbereitschaft und Hunderte Schiffe und Flugzeuge.

Beteiligt an der Abschreckung gegen Russland sind auch zahlreiche deutsche Soldatinnen und Soldaten. So führt Deutschland derzeit Gefechtsverband in Litauen. In die Slowakei wurden im März zudem Soldatinnen und Soldaten der Luftwaffe mit dem Flugabwehrraketensystem Patriot verlegt, die jetzt teil der Battlegroup sind.

Brigaden im östlichen Bündnisgebiet?

Nach Angaben des Hauptquartiers Alliierter Streitkräfte sollen alle Gefechtsverbände noch im Verlauf dieses Jahres nach der sogenannten Anfangsbefähigung (Initial Operational Capability) auch die sogenannte Vollbefähigung (Full Operational Capability) erreichen und damit alle gestellten Anforderungen erfüllen können. In Ungarn wird es den Plänen zufolge bereits Ende dieses Monats der Fall sein.

Noch offen ist allerdings, wie die langfristige Nato-Präsenz an der Ostflanke aussehen soll. Als Option gilt, erstmals Brigaden im östlichen Bündnisgebiet zu stationieren. Sie könnten jeweils rund 5000 Soldaten stark sein und zum Beispiel durch Elemente der Luft- und Seestreitkräfte oder Spezialkräfte ergänzt werden.

Russland lehnt eine permanente Stationierung von Nato-Kampftruppen in den osteuropäischen Staaten unter Berufung auf ein Abkommen aus den 1990er Jahren strikt ab. Seit Anfang dieses Jahres haben US-Streitkräfte ihre Militärpräsenz in den östlichen Nato-Staaten wegen des Ukraine-Konflikts allerdings bereits deutlich ausgebaut - pro forma handelt es sich dabei aber vor allem um zeitlich begrenzte Einsätze, keine permanente Stationierung.

© dpa-infocom, dpa:220406-99-811905/3