Bei der geplanten Pflegereform der Ampel-Koalition zeichnen sich noch Nachbesserungen ab. Kommen soll nun doch auch ein flexibel nutzbares Budget mit Entlastungs-Leistungen für pflegende Angehörige, wie es aus den Regierungsfraktionen hieß. Zunächst berichtete das Redaktionsnetzwerk Deutschland darüber.
Dafür hatte sich auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) stark gemacht. Im Gegenzug soll voraussichtlich eine geplante spätere Anhebung von Pflegeleistungen etwas geringer ausfallen. Von Patientenschützern, Kassen und aus der Opposition kam Kritik.
Die SPD-Gesundheitsexpertin Heike Baehrens sagte der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage: »Um die häusliche Versorgung zu stärken und pflegenden Angehörigen mehr Flexibilität zu ermöglichen, werden die Leistungen der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege ab 2025 in einem Jahresbudget gebündelt.« Zur Finanzierung solle die für 2025 geplante Dynamisierung aller Pflegeleistungen von 5 auf 4,5 Prozent abgesenkt werden. Damit werde der finanzielle Schwerpunkt auf die dringend nötige niedrigschwellige Entlastung pflegender Angehöriger gelegt.
Grünen-Fraktionsvize Maria Klein-Schmeink sagte der dpa, mit dem nun geplanten »Entlastungsbudget« ab dem 1. Juli 2025 könnten pflegende Angehörige Leistungen von 3539 Euro unbürokratisch nutzen - um eine Auszeit nehmen zu können und währenddessen die Pflege sichergestellt sei. Für Eltern pflegebedürftiger Kinder mit Pflegegrad 4 oder 5 solle dieses Budget bereits ab 1. Januar 2024 mit 3386 Euro zur
Verfügung stehen und bis Juli 2025 ebenfalls auf 3539 Euro anwachsen.
FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann sagte der dpa: »Wir haben einen guten Kompromiss gefunden. Der finanzielle Spielraum wurde maximal ausgereizt, um die Pflege so weit wie möglich zu verbessern.« Jetzt müsse an einem Konzept gearbeitet werden, das die Pflege für die kommenden Jahrzehnte finanziell stabil und sozial aufstelle.
Kritik an der geplanten Pflegereform
Die Union warf der Koalition untaugliche Reparaturversuche am eigenen Entwurf und »Taschenspielertricks« vor. »Das zusätzliche Geld für das Entlastungsbudget wird den Pflegebedürftigen bei den Pflegeleistungen wieder entzogen«, sagte Gesundheitsexperte Tino Sorge (CDU). Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnte: »Nach sechs Jahren Stillstand liegt die häusliche Pflege der vier Millionen betroffenen Menschen am Boden.« Doch das Entlastungsbudget komme erst im Juli 2025, kritisierte Vorstand Eugen Brysch.
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV), der auch die Pflegekassen vertritt, begrüßte das Entlastungsbudget. »Gleichzeitig jedoch die Anhebung der Leistungsbeträge in der ambulanten Pflege zu kürzen, ist nicht nachvollziehbar«, sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Gernot Kiefer. »Hier fehlt jeglicher Bezug zur Realität, und das offenbart erneut, wie sehr die Finanzen der Pflege auf Kante genäht sind.«
SPD und Grüne hatten noch auf weitere Verbesserungen vor allem für die Pflege daheim gedrängt, die über den Entwurf des Kabinetts hinausgehen. Das Gesetz soll voraussichtlich an diesem Freitag im Bundestag beschlossen werden.
Geplant ist, den Pflegebeitrag zum 1. Juli um 0,35 Prozentpunkte anzuheben - für Menschen ohne Kinder etwas stärker. Das soll auch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts umsetzen. Aktuell liegt er bei 3,05 Prozent des Bruttolohns, für Kinderlose bei 3,4 Prozent. Das zuletzt 2017 erhöhte Pflegegeld für Pflegebedürftige daheim soll Anfang 2024 um 5 Prozent steigen. Zuschläge für Pflegebedürftige im Heim sollen 2024 erhöht werden.
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