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Moskau weist deutsche Diplomaten aus - Kritik an Berlin

Schon jetzt sind die deutsch-russischen Beziehungen im Zuge des Krieges in der Ukraine schwer angeschlagen. Nun wirft Moskau der Bundesregierung Lügen und eine Zerstörung des Verhältnisses vor.

Kreml
Menschen gehen vor dem Erlöserturm im Kreml (M) über den Roten Platz. Foto: Alexander Zemlianichenko
Menschen gehen vor dem Erlöserturm im Kreml (M) über den Roten Platz.
Foto: Alexander Zemlianichenko

Moskau weist 20 deutsche Diplomaten aus und begründet das mit einer erzwungenen Ausreise russischer Diplomaten aus Berlin. Es handele sich um eine Reaktion auf »feindliche Handlungen« Berlins, teilte das russische Außenministerium in Moskau mit. Die Rede war von einer »massenhaften« Ausweisung russischer Diplomaten.

Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa kündigte zunächst eine »spiegelgerechte« Reaktion an. Im Staatsfernsehen verkündete sie dann, mehr als 20 Deutsche müssten ihre Koffer packen. Wie viele Russen genau betroffen waren, blieb offen.

Das Auswärtige Amt in Berlin reagierte am Sonntag auf nochmalige Nachfrage zu den Ausweisungen wortkarg und verwies auf eine Stellungnahme vom Vortag. Die Behörde bestätigte zunächst nur, dass die Bundesregierung in den vergangenen Wochen Gespräche mit Russland zur Präsenz an den jeweiligen Auslandsvertretungen geführt habe, »mit dem Ziel einer Reduzierung der russischen nachrichtendienstlichen Präsenz in Deutschland«. Weiter hieß es am Samstag: »Die heutige Ausreise von russischen Botschaftsangehörigen steht damit in Zusammenhang.«

Auch auf Nachfrage machte das Außenamt keine Angaben, ob es sich um eine Ausweisung handelte. Deutsche Stellen hatten Russland immer wieder vorgeworfen, Diplomaten für geheimdienstliche Tätigkeiten einzuspannen. Russland weist dies zurück.

Russische Maschine mit Sondergenehmigung

Vermutlich um die Diplomaten abzuholen, landete eine russische Regierungsmaschine am Samstag mit einer Sondergenehmigung in Berlin und kehrte dann wieder nach Russland zurück. Das Flugzeug vom Typ Iljuschin Il 96-300 kam am Nachmittag wieder in der russischen Hauptstadt auf dem Flughafen Wnukowo an. Eine Bestätigung dafür, dass die russischen Diplomaten an Bord dieser Maschine waren, gab es indes zunächst weder aus Moskau noch aus Berlin.

In Moskau warf Sacharowa der deutschen Seite Lügen vor. Schon vor Wochen seien die Pläne für die Ausweisung an Medien durchgestochen worden. Im Auswärtigen Amt gab es Ende März keine Bestätigung dafür. »Eine solche Maßnahme ist derzeit nicht vorgesehen. Sollte es entsprechende Entscheidungen geben, würde die Öffentlichkeit zu gegebenem Zeitpunkt informiert«, hieß es vor einem Monat aus dem Auswärtigen Amt. Der »Focus« hatte damals berichtet, dass Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mehr als 30 Diplomaten ausweisen wolle.

Über eine Entscheidung wurde die Öffentlichkeit bis heute nicht informiert, weshalb Sacharowa von deutschen Lügen sprach. Erst habe Deutschland dementiert und nun die Ausweisung durchgezogen, kritisierte sie. »Wir verurteilen dieses Vorgehen Berlins aufs Schärfste, das weiter demonstrativ die gesamte Bandbreite der russisch-deutschen Beziehungen zerstört, einschließlich ihrer diplomatischen Dimension«, hieß es in der Mitteilung des Außenministeriums.

Auswärtiges Amt wortkarg

Es werde eine »bedeutende Begrenzung der maximal zulässigen Zahl an Mitarbeitern der deutschen diplomatischen Vertretungen« in Russland geben, sagte Sacharowa. Der deutsche Botschafter Géza Andreas von Geyr in Moskau sei darüber bereits Anfang dieses Monats in Kenntnis gesetzt worden. Es dürften nach den bisherigen Ausweisungen zwischen 80 und 90 deutsche Diplomaten übrig bleiben.

»Wir weisen die Darstellung der Sprecherin des russischen Außenministeriums zurück«, hieß es am Samstag aus dem Auswärtigen Amt in Berlin - welche Darstellung genau zurückgewiesen wurde, blieb auch auf Nachfrage unklar. Die Aussage fiel im Zusammenhang mit dem Verweis auf die genannten Gespräche zur Reduzierung russischer Nachrichtendienstler in Deutschland.

Deutschland und Russland hatten im Zuge ihrer schweren Spannungen in der Vergangenheit immer wieder gegenseitig Diplomaten ausgewiesen. Schon jetzt sind die Vertretungen stark ausgedünnt, die Dienstleistungen für deutsche Staatsbürger sind deutlich reduziert oder mit längeren Wartezeiten etwa bei der Ausstellung von Dokumenten verbunden. Die Lage hat sich mit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine deutlich verschärft.

Reaktion folgt auf Reaktion

Russland hatte im April vorigen Jahres 40 deutsche Diplomaten zu »unerwünschten Personen« erklärt und damit deren Ausweisung verfügt. Insgesamt waren damals mehr als 100 Deutsche betroffen, weil auch Familienangehörige mit ausreisen mussten. Allein diese Zahl vor einem Jahr entsprach etwa einem Drittel des deutschen diplomatischen Corps in Russland. Dies wiederum war eine Reaktion auf die Ausweisung von 40 russischen Diplomaten Anfang April 2022, die nach Angaben Berlins in Deutschland als mutmaßliche Spione tätig gewesen sein sollen. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges haben die EU und Russland jeweils Hunderte Diplomaten ausgewiesen.

Die Bundesregierung hatte auch schon vor dem Krieg mehrfach russische Diplomaten als Sanktion ausgewiesen. Im Dezember 2021 etwa erklärte sie als Konsequenz aus einem Berliner Mordurteil gegen einen Russen zwei Mitarbeiter der russischen Botschaft zu »unerwünschten Personen« und zwang sie damit zur Ausreise. Russland reagiert auf solche Ausweisungen, wie es in Moskau heißt, immer wieder »spiegelgerecht«.

Der Flug der russischen Regierungsmaschine weckte am Samstag Interesse und wurde in sozialen Medien diskutiert. Das Flugzeug habe eine sogenannte Diplomatic Clearance gehabt, sagte ein Sprecher der Luftwaffe am Samstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Zur Fracht oder zu Passagieren machte er keine Angaben. Nachdem die EU im Februar 2022 die Flughäfen und den Luftraum der EU für alle russischen Luftfahrtunternehmen gesperrt hat, sind russische Maschinen selten. Auch Russland hat seinen Luftraum gesperrt für Flüge aus der EU. Ausnahmen sind aber mit Sondergenehmigungen möglich.

© dpa-infocom, dpa:230423-99-418941/2