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Mitten in Ferienzeit: Klimaaktivisten blockieren Flughäfen

Bolzenschneider raus, Zaun durchbrechen, rauf aufs Rollfeld und sich ankleben: auf diese Weise haben Aktivisten der Letzten Generation den Flugbetrieb lahm gelegt. Was sind die Folgen?

Flughafen Hamburg
Eine Gruppe von Klimaaktivisten ist bei einer Aktion auf das Rollfeld des Hamburger Flughafens gelangt und hat sich an zwei Orten festgeklebt. Foto: Bodo Marks/DPA
Eine Gruppe von Klimaaktivisten ist bei einer Aktion auf das Rollfeld des Hamburger Flughafens gelangt und hat sich an zwei Orten festgeklebt.
Foto: Bodo Marks/DPA

Mitten in der Ferienzeit haben Klimaaktivisten der Gruppe Letzte Generation die Flughäfen in Hamburg und Düsseldorf über mehrere Stunden lahmgelegt. Das löste eine hitzige Debatte aus.

Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) sagte: »Die Aktivisten, die jetzt lauter Menschen die Reise in den Urlaub verbauen, schaden dem Anliegen Klimaschutz massiv.« Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte neue Sicherheitsstandards an.

Störung vor dem Urlaub

Ende November hatten Aktivisten der Letzten Generation den Hauptstadtflughafen BER für einige Stunden lahmgelegt. Am Donnerstagmorgen dann die Nachricht: Mitglieder der Gruppe gelangten auf die Rollfelder des Hamburger und des Düsseldorfer Flughafens. Die Folge: Am Hamburger Airport wurde der Flugverkehr am ersten Ferientag für einige Stunden komplett eingestellt. Am Düsseldorfer Flughafen wurden mehrere Flüge umgeleitet oder verspäteten sich.

In Hamburg schnitten Aktivisten nach Angaben der Bundespolizei den Außenzaun zum Flughafengelände durch und fuhren mit Rädern auf das Rollfeld. Dort klebten sie sich an vier Punkten auf Zuwegen in unmittelbarer Nähe zu den Start- und Landebahnen fest.

Aktivisten der Letzten Generation hatten zuletzt immer wieder Straßen blockiert und sich dabei teilweise festgeklebt. Sie fordern ein deutlich entschiedeneres Vorgehen der Politik für Klimaschutz. Eine zentrale Forderung an die Bundesregierung ist die Einberufung eines zufällig gelosten Gesellschaftsrats. Das Gremium soll nach dem Willen der Gruppe Maßnahmen erarbeiten, wie Deutschland bis 2030 die klimaschädliche Nutzung von Öl, Gas und Kohle beenden kann.

Rufe nach Konsequenzen

Zum einen setzte eine Debatte ein, wie Flughäfen besser geschützt werden können. Faeser sagte, es werde demnächst tatsächliche Standards für die Betreiber kritischer Infrastruktur geben. »Dazu gehören auch die Flughäfen, und das wird auch zu einer besonderen Sicherheit der Flughäfen weiterhin führen.« Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte dem TV-Sender »Welt«, wenn es zu solchen Vorfällen komme, müsse man Sicherheitskonzepte immer noch mal neu denken und überprüfen.

Der Bundesvorsitzende der Deutsche Polizeigewerkschaft, Heiko Teggatz, sagte der »Rheinischen Post«: »Es ist katastrophal für die Luftsicherheit, dass es den Klimaklebern gelungen ist, auf die Startbahn des Düsseldorfer Flughafens zu gelangen.« In Zeiten wie diesen reiche es nicht aus, Flughäfen mit Zäunen und Stacheldraht zu sichern, auf die man einfach eine Matte legen und dann drüber klettern könne.

Der Flughafenverband ADV teilte mit, viele Flughäfen hätten in den letzten Jahren »entsprechend der sich stetig verändernden Risiko-Lage« ihre Zaunanlagen ertüchtigt. Große Flughäfen aber hätten einen Zaun von bis zu 30 Kilometern Länge, teilweise abgelegen im Wald und auf Feldern. Ein 100-prozentiger Schutz gegen das Durchdringen sei damit unmöglich.

Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher forderte eine konsequente Bestrafung der Flughafen-Blockierer. »Es handelt sich um Straftaten, die von der Justiz konsequent sanktioniert werden müssen«, sagte der SPD-Politiker. »Diese Klima-Chaoten sind keine Aktivisten, sondern Kriminelle«, schimpfte der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU).

Bundesjustizminister Marco Buschmann schrieb auf Twitter, die Blockierer müssten mit strafrechtlichen Folgen sowie gegebenenfalls auch »mit millionenschweren Schadenersatzforderungen« rechnen. Der »Bild« sagte der FDP-Politiker: »Die Klimakleber bringen nicht nur die Menschen gegen sich auf, weil sie ihnen den wohlverdienten Urlaub ruinieren. Je nach Einzelfall machen sie sich auch strafbar. Im schlimmsten Fall verwirklicht ein Hindernis auf der Rollbahn einen gefährlichen Eingriff in den Luftverkehr. Darauf stehen bis zu 10 Jahre Freiheitsstrafe.«

Habeck sagte in Dresden, diese Aktionen schadeten dem Klimaschutz. Sie seien genau die falschen Protestformen, wenn man Mehrheiten für den Klimaschutz schaffen wolle. Er sprach von einem lupenreinen Eigentor.

Die Flughafenblockaden könnten die Stimmung gegen die Letzte Generation weiter aufheizen - am Freitag könnte es bundesweit weitere Aktionen geben. Für Wirbel hatte am Mittwoch ein Vorfall in Stralsund in Mecklenburg-Vorpommern gesorgt, bei dem ein Aktivist von einem Lastwagen angefahren wurde.

Bärendienst für den Klimaschutz?

Die Letzte Generation erreiche mit ihren Aktionen das Gegenteil von dem, was sie bezwecke, meinte ein jüngeres Paar aus Kiel, das eigentlich morgens von Hamburg aus über München und dann weiter nach Malta fliegen wollte - damit stehen sie nicht alleine.

Buschmann schrieb: »Viele Menschen freuen sich auf ihren verdienten Urlaub.« Wenn die Letzte Generation ihnen diese Freude nehme, untergrabe sie die Akzeptanz für mehr Klimaschutz. Die SPD-Energiepolitikerin Nina Scheer sagte: »Die Einschränkung von Infrastruktur lenkt von den eigentlichen Zielen des Protestes ab.« Habeck sagte, diese Form des Protests sei nicht richtig. »Wer sich wirklich für Klimaschutz einsetzen will, der muss die gesellschaftliche Akzeptanz mit im Blick haben.«

Akzeptanz für mehr Klimaschutz - für die Koalition ist das ein zentrales Ziel. Denn der Klimaschutz wird nun konkreter: Es geht um die Verkehrs- und Wärmewende. Vor allem das umstrittene Heizungsgesetz mit einem langen Gezerre in der Koalition sorgte bei vielen Menschen für große Verunsicherung.

Die Letzte Generation schrieb auf Twitter, weltweit werde ein Hitzerekord nach dem anderen gebrochen. Die Regierung aber subventioniere den Flugverkehr, einen »bedeutenden Brandbeschleuniger der Katastrophe«, jährlich mit Milliarden. Das dürfe nicht länger akzeptiert werden. Das Umweltbundesamt nennt Fliegen die klimaschädlichste Art sich fortzubewegen.

© dpa-infocom, dpa:230713-99-385792/11