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Mit Russland gut stellen? Meinungen gehen auseinander

Sollte sich die Bundesregierung, aus welchem Grund auch immer, mit Russland gut stellen? Jeder zweite Deutsche sagt dazu Nein. Eine deutliche Mehrheit sieht in Russland heute eine Bedrohung.

Kreml
Menschen vor dem geschlossenen Roten Platz mit der Kremlmauer und dem Spasskaja-Turm im Hintergrund. Foto: Alexander Zemlianichenko/DPA
Menschen vor dem geschlossenen Roten Platz mit der Kremlmauer und dem Spasskaja-Turm im Hintergrund.
Foto: Alexander Zemlianichenko/DPA

Wenn es um den richtigen Umgang mit Russland geht, gehen die Meinungen der Deutschen in Ost und West auseinander. Das gilt auch für den Blick zurück auf die DDR.

Bei einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur stimmten 37 Prozent der Befragten der Aussage zu, »Russland ist ein Land, mit dem sich die Bundesregierung besser gut stellen sollte«. Jeder zweite Teilnehmer der Umfrage äußerte sich dazu ablehnend. Die Zustimmung lag allerdings bei den Menschen in den östlichen Bundesländern wesentlich höher als bei den Wahlberechtigten auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik.

Dass im Osten mehr Menschen für eine vorsichtige Art des Umgangs mit Russland plädieren, ist allerdings nicht unbedingt als Zustimmung zum Kurs des russischen Präsidenten Wladimir Putin zu verstehen, der im Februar 2022 einen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen hatte. Ein Blick auf die Ergebnisse der Umfrage zeigt, dass hier wohl auch Sorgen eine Rolle spielen. Denn auch auf dem Gebiet der früheren DDR gibt es laut Umfrage mehr Menschen, die Russland als Bedrohung für Deutschland empfinden, als Menschen, die das nicht so sehen.

Unter den Wählern der AfD ist laut YouGov der Anteil derjenigen, die meinen, die Bundesregierung solle sich mit Russland gut stellen, am größten. Danach folgen - allerdings mit großem Abstand - Wähler, die bei der zurückliegenden Bundestagswahl ihr Kreuz bei der Linken oder der FDP gemacht hatten. Bei den Wählern der anderen im Bundestag vertretenen Parteien ist der Anteil noch niedriger.

Überwiegend als Bedrohung gesehen

Bundesweit sind es demnach 63 Prozent der Wahlberechtigten, die Russland als Bedrohung für Deutschland sehen. 30 Prozent der Deutschen stimmen dieser Aussage eher oder überhaupt nicht zu. Lediglich acht Prozent äußerten sich hierzu unschlüssig oder machten keine Angaben.

Dass Russland für Deutschland ein »potenzieller Partner« ist, sehen bundesweit nur 28 Prozent der Bundesbürger so. 62 Prozent der Deutschen lehnen diese Einschätzung ab. Zehn Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der YouGov-Umfrage machten dazu keine Angaben oder trauten sich hier keine Einschätzung zu. Wobei die Zustimmung zu dieser Aussage im Osten deutlich höher ist als im Westen.

Die Sowjetunion, deren Machtzentrum Russland war, spielte eine prägende Rolle in der DDR. Die DDR war als Teil des Ostblocks über Jahrzehnte wirtschaftlich, politisch und kulturell von ihrem »großen Bruder« abhängig.

Laut Umfrage ist im Osten fast jeder Zweite heute der Meinung, dass das politische System der DDR für das berufliche Leben ihrer Bürgerinnen und Bürger im Vergleich zur heutigen Bundesrepublik mehr Vorteile hatte. Der Anteil derjenigen, aus deren Sicht im beruflichen Kontext die Nachteile überwogen, liegt deutlich niedriger. Allerdings sind die Ergebnisse der Umfrage nur bezogen auf die erwachsenen Deutschen insgesamt repräsentativ, für die Menschen im Osten und Westen geben sie jeweils nur eine Tendenz wieder.

Unterschiedliche Blickwinkel

Im Westen, wo viele die Lebenswirklichkeit der DDR lediglich aus Berichten und gelegentlichen Verwandtenbesuchen kannten, ist nur knapp jeder Dritte der Auffassung, das DDR-System habe für die Bürgerinnen und Bürger des sozialistischen »Arbeiter- und Bauernstaats« beruflich mehr Vorteile als Nachteile gehabt.

Auch was das private Leben angeht, das unter anderem geprägt war von der fehlenden Reisefreiheit, ist die Sicht auf die DDR im Osten heute etwas positiver als im Westen. Allerdings sehen im Rückblick auf das DDR-Regime, das 1989 von der Friedlichen Revolution hinweggefegt wurde, sowohl im Westen als auch im Osten mehr Menschen Nachteile für das private Leben als Vorteile. Sowohl im Privaten wie auch im Beruflichen fallen die Nachteile des untergegangenen Staates aus Sicht der Wähler von AfD und Linkspartei etwas weniger stark ins Gewicht als aus Sicht der Wähler anderer Parteien.

Alt-Bundespräsident Joachim Gauck hatte vergangene Woche in der ZDF-Sendung »Markus Lanz« gesagt, im Westen habe die Demokratie den Menschen erlaubt, ein Individuum in freier Selbstbestimmung zu sein und vor allen Dingen Eigenverantwortung zu trainieren - von der Schule an. Gauck, der aus Rostock stammt, fügte hinzu: »Genau das Gegenteil wird in der Diktatur gefordert. Gehorsam und Anpassung wie zu Zeiten der Fürsten bringt dich nach oben.«

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