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»Mit Merz zurück in die 50er« - Streit in Migrationsdebatte

Die Ampel-Koalition setzt Schritt für Schritt ihren geplanten »Neuanfang in der Migrations- und Integrationspolitik« um. Im Bundestag zeigen sich die Gräben bei dem Thema zwischen Ampel und Union.

Dirk Wiese
»Wir haben eine CDU/CSU-Fraktion, die mit Friedrich Merz zurück in die 50er Jahre will«: Dirk Wiese (SPD). Foto: Carsten Koall
»Wir haben eine CDU/CSU-Fraktion, die mit Friedrich Merz zurück in die 50er Jahre will«: Dirk Wiese (SPD).
Foto: Carsten Koall

In der Migrationspolitik sind im Bundestag erneut die Meinungen von Ampel-Koalition und Opposition aufeinandergeprallt. Vertreter von SPD, Grünen und FDP verteidigten ihre Pläne zur Erleichterung der Einbürgerung und zur Migrationspolitik der Koalition insgesamt und verwiesen unter anderem auf den Fachkräftemangel im Land, der Zuwanderung von Arbeitskräften nötig mache. CDU- und CSU-Politiker warnten in einer Aktuellen Stunde im Parlament vor Integrationsproblemen und davor, die Menschen und das Land zu überfordern.

Die Union hatte die Debatte zum Thema Einbürgerung beantragt. Politiker der Koalition wiesen dabei deren Kritik und Warnungen zurück. Die Ampel wolle Fortschritt in der Einwanderungspolitik. »Und wir haben eine CDU/CSU-Fraktion, die mit Friedrich Merz zurück in die 50er Jahre will«, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese.

Die Ampel hat inzwischen mehrere Gesetzesvorhaben im Bereich Migration auf den Weg gebracht. Ein Überblick:

Staatsbürgerschaftsrecht/Einbürgerung

Die Ampel-Parteien wollen laut ihrem Koalitionsvertrag ein »modernes Staatsangehörigkeitsrecht« schaffen mit der Möglichkeit zur Einbürgerung »in der Regel nach fünf Jahren« - heute sind es acht. »Bei besonderen Integrationsleistungen« zum Beispiel herausragenden Leistungen in Schule und Beruf oder besonders guten Sprachkenntnissen könnten es künftig auch drei Jahre sein. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte ihre Pläne dafür kürzlich vorgelegt. Vorgesehen ist auch, dass in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern automatisch Deutsche werden, wenn ein Elternteil bereits seit fünf Jahren »seinen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt« in Deutschland hat. Bislang war das erst nach acht Jahren der Fall. Und wer Deutscher oder Deutsche werden will, soll die alte Staatsbürgerschaft dafür nicht mehr aufgeben müssen.

Aus der Union kam wiederholt der Vorwurf, der deutsche Pass werde »verramscht«. Eine Wortwahl, die von den Ampel-Parteien scharf kritisiert wird.

Fachkräfteeinwanderung

Dafür hat das Bundeskabinett am Mittwoch Eckpunkte auf den Weg gebracht. Nicht-EU-Ausländer sollen die Möglichkeit bekommen, über ein Punktesystem zur Arbeitsplatzsuche nach Deutschland zu kommen. Punkte könnte es etwa für Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung oder »Deutschlandbezug« geben - etwa vorherige Aufenthalte oder Arbeit bei einem deutschen Arbeitgeber im Ausland. Anerkannte ausländische Fachkräfte sollen künftig auch in Berufen arbeiten können, die mit ihrer Ausbildung nichts oder wenig zu tun haben. Ein Mechaniker könnte etwa als Lagerist oder eine Polizistin als Kellnerin angeworben werden.

Die Wirtschaft begrüßt die Pläne und auch die Union ist grundsätzlich der Auffassung, dass es Einwanderung braucht, weil die Fachkräftelücke sonst immer größer wird.

»Chancen-Aufenthaltsrecht«

Das Gesetz dazu will die Ampel-Koalition an diesem Freitag im Bundestag beschließen. Menschen, die schon mehrere Jahre ohne gesicherten Status in Deutschland sind und nur geduldet werden, sollen die Chance bekommen, längerfristig zu bleiben. Wer zum Stichtag 31. Oktober 2022 fünf Jahre im Land lebt und nicht straffällig geworden ist, soll 18 Monate Zeit bekommen, um die Voraussetzungen für einen langfristigen Aufenthalt zu erfüllen - dazu gehören etwa Deutschkenntnisse und die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts.

Von der Union wird der Plan abgelehnt. CDU-Generalsekretär Mario Czaja sagte am Donnerstag bei »Welt«, das Chancen-Aufenthaltsrecht sei ein »Amnestiegesetz für Menschen, die sich nicht rechtskräftig hier im Land aufhalten und die eigentlich abschiebepflichtig sind«.

»Rückführungsoffensive«

Auf diesen Punkt pocht die Union, und auch der Ampel-Koalitionspartner FDP. »Nicht jeder Mensch, der zu uns kommt, kann bleiben. Wir starten eine Rückführungsoffensive, um Ausreisen konsequenter umzusetzen, insbesondere die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern«, steht im gemeinsamen Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP. Die Regierung habe eine Rückführungsoffensive versprochen. Die gebe es bisher nicht, sagte CDU-Chef Friedrich Merz der »Rheinischen Post«. Er spricht von aktuell rund 300 000 Menschen, die zur Ausreise verpflichtet seien. Auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hatte beklagt, es gebe bisher keinerlei Fortschritte bei der Rückführung und Bekämpfung der illegalen Migration.

Grünen-Chef Omid Nouripour sagte am Donnerstag im Sender ntv: »Wir werden über die Frage der Rückführungen selbstverständlich auch miteinander sprechen, weil wir einen Koalitionsvertrag haben, den wir komplett umsetzen wollen - und der macht nur als Paket Sinn.«

Beschleunigung von Asyl-Verfahren

Auch dieses Vorhaben soll am Freitag im Bundestag beschlossen werden. Der Gesetzentwurf zur Beschleunigung von Asylverfahren sieht vor, dass die sogenannte Regelüberprüfung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) abgeschafft wird. Bei dieser Prüfung wird bisher nach einer bestimmten Frist automatisch geschaut, ob es Gründe für einen Widerruf oder die Rücknahme der Anerkennung der Asylberechtigung und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gibt. Die Überprüfung soll künftig - auch um das Bamf zu entlasten - nur noch »anlassbezogen« erfolgen. Zudem sollen Asylklageverfahren beschleunigt werden und Asylbewerber sollen eine behördenunabhängige Beratung für ihr Asylverfahren in Anspruch nehmen können. Damit sollen zivilgesellschaftliche Akteure betraut werden.

© dpa-infocom, dpa:221201-99-731305/7