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Missbrauchsbeauftragte will Kirchen »in die Karten schauen«

»Aufarbeitung kennt keinen Schlussstrich«, sagt Kerstin Claus. Eine staatliche Wahrheitskommission zur Aufarbeitung des katholischen Missbrauchsskandals hält sie deshalb nicht für sinnvoll.

Kerstin Claus
Missbrauchsbeauftragte Kerstin Claus: »Ich verwahre mich gegen die Vorstellung, dass die Kirche definieren kann, was genau sie vom Staat braucht und wie dieser wann zu reagieren habe.« Foto: Wolfgang Kumm
Missbrauchsbeauftragte Kerstin Claus: »Ich verwahre mich gegen die Vorstellung, dass die Kirche definieren kann, was genau sie vom Staat braucht und wie dieser wann zu reagieren habe.«
Foto: Wolfgang Kumm

Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, ist gegen die Einrichtung einer staatlichen Wahrheitskommission zur Aufarbeitung des katholischen Missbrauchsskandals. »Ich sehe die Gefahr, dass solche Strukturen die Vorstellung beinhalten, dass es ein Enddatum gibt, einen finalen großen Abschlussbericht«, sagte Claus der in Freiburg erscheinenden »Herder Korrespondenz«. »Und immer schwingt auch der Wunsch mit, spätestens dann müsse es doch einmal gut sein. Das entspricht aber nicht der Lebensrealität von Betroffenen. Aufarbeitung kennt keinen Schlussstrich.«

Sinnvoller sei es, die Strukturen ihres Amtes so zu stärken, dass über die dort angesiedelte Unabhängige Aufarbeitungskommission ein Nachhalten und ein Monitoring von Aufarbeitungsprozessen möglich werde. »Aktuell arbeiten wir gemeinsam mit dem in der Bundesregierung federführenden Bundesfamilienministerium an einer gesetzlichen Verankerung dieses Amtes. Und hier ist unsere Perspektive nicht eine große Wahrheitskommission oder eine eigene Kommission beim Bundestag.« Staatliche Verantwortungsübernahme müsse jenseits großer Schlagworte alles dafür tun, um Kinder zu schützen und die Betroffenen in individuellen Aufarbeitungsprozessen zu stärken. »Die Kirchen werden sich künftig mehr in die Karten schauen lassen müssen, wenn es um Aufarbeitung geht.«

Irritiert reagierte Claus auf allzu offensive Forderungen der Kirche nach staatlicher Unterstützung bei der Aufarbeitung. So sei bei einer Pressekonferenz der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz die Rede davon gewesen, dass sich die Bischöfe Hilfe vom Staat erbäten, dieser aber noch nicht so weit sei. »Das ist natürlich eine sehr einseitige Definition von Hilfe«, sagte Claus. »Ich verwahre mich gegen die Vorstellung, dass die Kirche definieren kann, was genau sie vom Staat braucht und wie dieser wann zu reagieren habe.«

© dpa-infocom, dpa:230425-99-438279/3