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Milliardensumme soll Munitionsproduktion in EU ankurbeln

Die EU will der Ukraine möglichst viel Munition liefern. Die derzeitigen Lagerbestände und Produktionskapazitäten reichen nicht aus - Geld soll fließen. Doch nicht jeder ist damit einverstanden.

Panzerhaubitze
Ukrainische Soldaten feuern eine französische Panzerhaubitze vom Typ CAESAR auf russische Stellungen. Foto: Libkos
Ukrainische Soldaten feuern eine französische Panzerhaubitze vom Typ CAESAR auf russische Stellungen.
Foto: Libkos

Die Ukraine kann auf deutlich mehr Munitionslieferungen aus der EU hoffen. Nach einem präsentierten Plan der EU-Kommission soll die europäische Rüstungsindustrie mit finanziellen Anreizen in Milliardenhöhe zu einem schnellen Ausbau der Produktionskapazitäten bewegt werden.

Zudem legten die Regierungen der EU-Staaten ebenfalls einen wochenlangen Streit über die gemeinsame Beschaffung von Artilleriegeschossen und Raketen für die Ukraine bei. Die Einigung sieht vor, dafür in den kommenden Monaten bis zu eine Milliarde Euro bereitzustellen.

Produktionsausbau soll weitere Engpässe verhindern

Hintergrund der Pläne sind insbesondere die Schwierigkeiten der EU-Staaten, der Ukraine ausreichend Munition für den Abwehrkrieg gegen Russland zu liefern. Ein Ausbau der Produktion soll nun weitere Engpässe der ukrainischen Streitkräfte verhindern und auch dafür sorgen, dass die EU-Staaten selbst verteidigungsfähig bleiben und ausreichend Vorräte vorhalten können.

»Die tapferen Soldaten der Ukraine brauchen genügend militärische Ausrüstung, um ihr Land zu verteidigen«, erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Zudem gehe es auch darum, die europäischen Verteidigungsfähigkeiten zu stärken.

Von der Leyen hatte die Pläne bereits am Dienstagabend am Rande eines Treffens mit dem neuen tschechischen Präsidenten Petr Pavel in Prag angekündigt. Nun wurden sie detailliert von EU-Industriekommissar Thierry Breton vorgestellt. Demnach sollen bis Mitte 2025 für Zuschüsse bis zu 500 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt zur Verfügung gestellt werden. Weitere 500 Millionen würden den Planungen zufolge als Kofinanzierung von den Mitgliedstaaten kommen.

Der Franzose erklärte, er sei zuversichtlich, dass man die Produktionskapazitäten in Europa innerhalb von zwölf Monaten auf eine Million Schuss pro Jahr steigern könne. Die industrielle Basis für die Munitionsproduktion in Europa sei da und habe das Potenzial, die Bedürfnisse der Ukraine und der Mitgliedstaaten zu erfüllen, sagte er.

»In den Modus der Kriegswirtschaft wechseln«

Die industrielle Basis müsse man nun aber beleben, um sie an die Bedürfnisse eines hochintensiven Konflikts anzupassen. »Wenn es um die Verteidigung geht, muss unsere Industrie jetzt in den Modus der Kriegswirtschaft wechseln«, sagte Breton. Wie viel Schuss derzeit pro Jahr in der EU produziert werden können, sagte Breton aus Sicherheitsgründen nicht.

Konkret ist laut dem Gesetzesvorschlag unter anderem vorgesehen, dass Unternehmen für neue Projekte zum Ausbau ihrer Munitionsproduktion 40 Prozent der Kosten über die EU finanziert bekommen können. Wenn besondere Bedingungen erfüllt sind, soll sogar eine höhere Förderung möglich sein - zum Beispiel, wenn es sich um länderübergreifende Projekte handelt oder Unternehmen zusagen, die Produktion von Munition für die ukrainischen Streitkräfte zu priorisieren.

All dies soll auch helfen, ein im März abgegebenes Versprechen der EU umzusetzen. Dieses sieht vor, der Ukraine innerhalb von zwölf Monaten eine Million neue Artilleriegeschosse für den Kampf gegen den Angreifer Russland zu liefern.

Linke Politiker kündigen Widerstand an

Über den Vorschlag der EU-Kommission müssen nun die EU-Staaten und das Europaparlament beraten. Man setze auf eine rasche Verabschiedung noch vor dem Sommer, teilte die Kommission mit. Linke Politiker kündigten Widerstand an. »Die Rüstungskonzerne schwimmen derzeit im Geld und brauchen keine Almosen«, kritisierte der Europaabgeordnete und Vorsitzende der Partei Die Linke, Martin Schirdewan. Was man brauche sei eine Steuer auf Kriegsgewinne. Zudem dürften Unternehmen keine Dividenden auszahlen, wenn sie mit Steuergeldern subventioniert würden.

In dem Streit um die gemeinsame Munitionsbeschaffung für die Ukraine ging es vor allem darum, dass Frankreich zunächst darauf bestanden hatte, dass im Zuge einer Vereinbarung aus dem März nur dann gemeinsam Munition mit EU-Geld beschafft werden sollte, wenn diese komplett aus europäischer Produktion stammt. Zahlreiche andere Länder lehnten dies aber ab, weil dies aus ihrer Sicht das vereinbarte Ziel gefährdet, der Ukraine innerhalb von zwölf Monaten eine Million neue Artilleriegeschosse für den Kampf gegen Russland zu liefern.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hatte den Streit zuletzt scharf kritisiert. Er schrieb auf Twitter: »Die Unfähigkeit der EU, ihren eigenen Beschluss über die gemeinsame Beschaffung von Munition für die Ukraine umzusetzen, ist frustrierend.« Für die Ukraine würden »die Kosten der Untätigkeit in Menschenleben gemessen«.

Der Kompromiss der EU-Staaten sieht nach Angaben von Diplomaten nun vor, dass auch dann EU-Mittel für die gemeinsame Beschaffung von Rüstungsgütern für die Ukraine verwendet werden können, wenn nicht alle Bestandteile komplett in der EU oder Norwegen hergestellt wurden. Wichtig soll demnach vor allem sein, dass Endmontage in der EU oder in Norwegen erfolgt.

Die auf Ebene der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten in Brüssel erfolgte Einigung muss nun noch formalisiert werden. Dies soll in einem schriftlichen Beschlussverfahren bis Freitag erledigt werden.

© dpa-infocom, dpa:230503-99-535927/8