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Merkel verurteilt russischen Angriff auf die Ukraine scharf

Es ist der erste größere öffentliche Auftritt von Altkanzlerin Angela Merkel seit ihrem Ausscheiden aus dem Amt. Die 67-Jährige erklärt ihren klaren Standpunkt zum russischen Angriffskrieg.

Angela Merkel
Altkanzlerin Angela Merkel stellt sich heute den Fragen eines Reporters. Foto: Michael Kappeler
Altkanzlerin Angela Merkel stellt sich heute den Fragen eines Reporters.
Foto: Michael Kappeler

Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine scharf verurteilt.

»Das ist ein brutaler, das Völkerrecht missachtender Überfall, für den es keine Entschuldigung gibt«, sagte Merkel am Dienstagabend in Berlin im Berliner Ensemble. Der Angriff sei von Russlands Seite ein großer Fehler.

Es sei nicht gelungen, eine Sicherheitsarchitektur zu schaffen, die den Krieg verhindert hätte, sagte Merkel. Die Ex-Kanzlerin stellte sich erstmals seit dem Ende ihrer Kanzlerschaft den Fragen eines Journalisten. Bei der vom Aufbau Verlag und dem Berliner Ensemble organisierten Veranstaltung bezog Merkel im Gespräch mit dem »Spiegel«-Reporter Alexander Osang Stellung beziehen. Osang hat Merkel mehrfach porträtiert.

Putins Hass gegen westliche Demokratie

Vorwürfe von Naivität im Umgang mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin wies sie zurück. »Putins Hass, Putins - ja, man muss sagen - Feindschaft geht gegen das westliche demokratische Modell«, sagte Merkel. Sie sei »nicht blauäugig oder so« gewesen, sondern habe gewarnt: »Ihr wisst, dass er Europa zerstören will. Er will die Europäische Union zerstören, weil er sie als Vorstufe zur Nato sieht.«

Sie erklärte, sich nicht entschuldigen zu wollen. »Diplomatie ist ja nicht, wenn sie nicht gelingt, deshalb falsch gewesen. Also ich sehe nicht, dass ich da jetzt sagen müsste: Das war falsch, und werde deshalb auch mich nicht entschuldigen.«

Abschreckung »einzige Sprache, die Putin versteht«

Merkel plädierte für eine Verstärkung der militärischen Abschreckung gegenüber Russland. »Das ist die einzige Sprache, die Putin versteht«, sagte sie.

Verantwortung für ausgebliebene Investitionen in die Bundeswehr wies sie zurück - und indirekt dem früheren Koalitionspartner SPD zu. »Ich bin jetzt heilfroh, dass wir nun uns endlich auch entscheiden, nachdem die ganze Welt bewaffnete Drohnen hat, dass wir auch welche kaufen. Und es ist auch nicht an mir gescheitert, dass bestimmte andere Dinge nicht stattfinden konnten«, sagte Merkel. Und: »Es war ein sehr zähes Ringen, überhaupt in die militärische Abschreckung zu investieren.«

Merkel: »Volles Vertrauen« in aktuelle Regierung

In die neue Bundesregierung und ihren Amtsnachfolger Olaf Scholz (SPD) hat Merkel nach eigenen Worten »volles Vertrauen«. Der Regierungsübergang sei sehr gut gelaufen, sagt Merkel - ein halbes Jahr nach der Amtsübergabe an Scholz. Es seien Menschen am Werk, die keine »Newcomer« seien und die Gegebenheiten kennen würden. Merkel war 16 Jahre lang Kanzlerin. Es sei für sie ganz klar, dass es der richtige Zeitpunkt gewesen sei, aufzuhören.

Auf die Frage, wie es ihr gehe, sagte Merkel, ihr persönlich gehe es sehr gut. Die »Zäsur« des russischen Kriegs gegen die Ukraine beschäftige aber auch sie sehr. Sie sei manchmal bedrückt. Merkel erzählte von langen Wanderungen im Winter an der Ostsee, sie habe viele Hörbücher gehört. Ihr sei nicht langweilig geworden, sie habe die Tage richtig gut rumbekommen. Früher habe sie nur »Termine, Termine, Termine« gehabt. Sie komme mit ihrem neuen Lebensabschnitt sehr gut zurecht.

»Bin keine ganz normale Bürgerin«

Merkel gab auch Einblicke, warum sie sich nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt nicht zu tagesaktuellen Themen äußern will. »Ich bin Bundeskanzlerin a. D.«, sagte sie. Sie sei keine »ganz normale Bürgerin«. Sie müsse noch vorsichtiger sein, zu aktuellen Dingen etwas zu sagen - ob nun das 9-Euro-Ticket gut sei oder nicht. Es sei nicht ihre Aufgabe, Ratschläge von der Seitenlinie zu geben.

Merkel erzählte, sie bekomme viele Einladungen, wolle aber nicht nur Termine abarbeiten. Wenn sie lese, sie mache nur noch »Wohlfühltermine«, dann sage sie: »ja.«

16 Jahre lang sei alles, was irgendwie von Relevanz gewesen sei, an ihrem Tisch vorbeigekommen. Sie habe sich nie um Verantwortung gedrückt. Sie habe gesagt, dass sie sich erst einmal erholen und Abstand gewinnen wolle.

Bei der vom Aufbau Verlag und dem Berliner Ensemble organisierten Veranstaltung bezog Merkel im Gespräch mit dem »Spiegel«-Reporter Alexander Osang Stellung. Osang hat Merkel mehrfach porträtiert.

© dpa-infocom, dpa:220607-99-569206/8