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McCarthy neuer Vorsitzender des US-Repräsentantenhauses

Kevin McCarthy ist am Ziel: Der Republikaner hat es nach tagelanger Quälerei in das höchste Amt im US-Parlament geschafft. Doch der Weg dahin war derart steinig, dass er sein Amt schwer angeschlagen antritt.

Kevin McCarthy
Kevin McCarthy bei seiner Vereidigung als Sprecher des Repräsentantenhauses im Kapitol. Foto: Andrew Harnik
Kevin McCarthy bei seiner Vereidigung als Sprecher des Repräsentantenhauses im Kapitol.
Foto: Andrew Harnik

Der Republikaner Kevin McCarthy ist nach einem unerbittlichen parteiinternen Machtkampf von historischem Ausmaß der neue Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses. Der 57-Jährige wurde in der Nacht zu Samstag (Ortszeit) im 15. Wahlgang auf den mächtigen Posten gewählt, nachdem ihm diverse Parteikollegen in den vorherigen Durchgängen die Gefolgschaft verweigert hatten und er die nötige Mehrheit deshalb immer wieder verfehlt hatte.

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump versuchte, McCarthys Sieg nach einem tagelangen Wahlchaos für sich zu beanspruchen. Dabei sind McCarthys erbittertste Gegner glühende Trump-Anhänger, die die Appelle des Ex-Präsidenten zuvor ins Leere laufen ließen.

McCarthy ist nun die neue Nummer drei der staatlichen Rangfolge nach dem US-Präsidenten und dessen Vize und folgt in dem mächtigen Amt auf die Demokratin Nancy Pelosi. Die parteiinterne Rebellion gegen McCarthy hatte das Repräsentantenhaus über Tage gelähmt und ins Chaos gestürzt.

Innerparteiliche Revolte gegen McCarthy

Nach den Parlamentswahlen im November war der Kongress bereits am Dienstag erstmals in neuer Konstellation zusammengekommen. Die Republikaner übernahmen die Kontrolle im Repräsentantenhaus - im Senat haben die Demokraten von Präsident Joe Biden weiter eine knappe Mehrheit. Eigentlich hätte das Repräsentantenhaus bereits am Dienstag einen neuen Vorsitzenden bestimmen sollen. Die innerparteiliche Revolte gegen McCarthy zog die Abläufe aber dramatisch in die Länge.

Üblicherweise ist die Wahl zum Vorsitzenden der Kongresskammer eine Formalie. Doch mehrere Parteikollegen vom Rechtsaußen-Flügel der Fraktion lehnten sich gegen McCarthy auf und verweigerten ihm ihre Unterstützung. Angesichts einer nur knappen Mehrheit der Republikaner in der Kammer schaffte es McCarthy daher in diversen Wahlgängen nicht, auf ausreichend Stimmen zu kommen.

Trump appellierte an McCarthy-Gegner

Ex-Präsident Trump hatte die McCarthy-Gegner in den vergangenen Tagen dazu aufgerufen, ihre Blockade zu brechen. Er hatte den 57-Jährigen bereits zuvor unterstützt. Doch der Widerstand gegen McCarthy bröckelte nicht - erst am Freitag nach weiteren intensiven Verhandlungen zog McCarthy Gegner auf seine Seite. »Ich glaube, niemand sollte seinen Einfluss anzweifeln«, sagte McCarthy nach der gewonnenen Wahl verteidigend über Trump. Dieser schrieb auf der von ihm mitgegründeten Plattform: »Danke Kevin. Es war mir eine große Ehre.«

Für McCarthy war das Schauspiel eine Demütigung, die in die Geschichtsbücher eingehen dürfte: Seit dem 19. Jahrhundert haben die Abgeordneten im Repräsentantenhaus nicht mehr so viele Anläufe gebraucht, um einen neuen Vorsitzenden zu wählen wie diesmal. Mehr Wahlgänge gab es zuletzt nur 1859/1860. Damals wurde der Republikaner William Pennington erst im 44. Wahlgang zum Vorsitzenden der Kongresskammer gewählt. Das Prozedere dauerte damals mehrere Wochen. In McCarthys Fall zog sich der Abstimmungsmarathon nun über mehrere Tage hin.

McCarthy startet geschwächt ins Amt

Der Republikaner geht auch trotz der am Ende erfolgreichen Wahl geschwächt ins Amt und muss sich in den kommenden Jahren auf große Schwierigkeiten bei der Organisation von Mehrheiten in der Kongresskammer einstellen.

McCarthy machte seinen Gegnern in den vergangenen Tagen und Wochen erhebliche Zugeständnisse - und hat sich dabei erpressen lassen. Die Radikalen haben unter anderem darauf gepocht, die Verfahrensregeln in der Kammer so zu verändern, dass sie als Minderheit mehr Macht bekommen, um den Vorsitzenden vor sich herzutreiben und ihn im Zweifel wieder aus dem Amt zu entfernen. Es ist schwer vorstellbar, dass nach der Wahl ein professionelles Arbeiten miteinander möglich ist - McCarthys Gegner dürften weiter auf Fundamentalopposition setzen.

Auf die Frage, wie sicher er sich überhaupt sei, dass er sich im Amt halten könne, sagte McCarthy nach dem Wahlsieg: »1000 Prozent.« Er bemühte sich auch, die internen Gräben innerhalb seiner Fraktion kleinzureden. Man habe einen Weg gefunden, um zusammenzuarbeiten, sagte er mit Blick auf potenzielle Kämpfe dieser Art bei künftigen Abstimmungen.

Dramatische und chaotische Szenen

Bei der Sitzung in der Nacht zu Samstag spielten sich im Plenarsaal dramatische und chaotische Szenen ab: hitzige Auseinandersetzungen und verzweifelte Verhandlungen in letzter Minute. Am Ende stimmten 216 Republikaner für McCarthy, sechs Parteikollegen enthielten sich. Auf Stimmen für alternative Kandidaten aus den eigenen Reihen verzichteten McCarthys Widersacher im letzten Durchgang aber.

»Wenn ihr denkt, dass das gut war, dann wartet nur, bis wir den Kampf mit Joe Biden und der radikalen Linken aufnehmen«, schrieb die radikale Abgeordnete und McCarthy-Gegnerin Lauren Boebert am Samstag auf Twitter. Die Republikaner hatten bereits nach den Zwischenwahlen im November angekündigt, US-Präsident Biden mit Untersuchungsausschüssen vor sich hertreiben zu wollen. Dieser kündigte an, er sei bereit, mit den Republikanern zusammenarbeiten, wenn er könne. »Nun, da die Führung des Repräsentantenhauses feststeht, ist es an der Zeit, mit diesem Prozess zu beginnen«, reagierte er auf den Wahlsieg McCarthys.

Die Republikanische Fraktion im Repräsentantenhaus ist wie die gesamte Partei zerrissen zwischen extremen Anhängern Trumps und moderateren Parteimitgliedern. Angesichts der nur knappen Mehrheit musste McCarthy die verschiedenen Flügel hinter sich vereinen und selbst Mitglieder vom äußersten Rand seiner Fraktion für sich gewinnen, um Vorsitzender zu werden.

© dpa-infocom, dpa:230106-99-121623/19