Bei Angriffen islamistischer Kämpfer im Norden Malis sind binnen 24 Stunden Dutzende Menschen getötet worden. Mindestens 49 Zivilisten und 15 Soldaten kamen bei Anschlägen auf ein Passagierschiff auf dem Fluss Niger sowie auf ein Armeelager in Bamba in der Region Gao am Donnerstag ums Leben, wie die Militärregierung des westafrikanischen Staats mitteilte.
Am Freitagmorgen verübten Terroristen einen Selbstmordanschlag auf einen Stützpunkt der malischen Armee nahe der Stadt Gao in der Nähe des Feldlagers der Bundeswehr. Für alle drei Anschläge erklärte sich der regionale Ableger der Terrorgruppe Al-Kaida, JNIM, verantwortlich.
Todeszahl steht noch nicht sicher fest
Das Passagierschiff »Tombouctou« war von der Stadt Gao nach Mopti im Zentrum des Landes unterwegs. Beide Regionen werden seit Jahren von islamistischen Terrorgruppen belagert, die Al-Kaida und dessen verfeindeter Terrormiliz IS nahestehen.
Medienberichten zufolge wurde das Schiff am Donnerstagmorgen vom Ufer aus unter schweren Beschuss genommen und geriet in Brand. Wie viele Passagiere an Bord waren, war zunächst nicht klar. Auch eine höhere Todeszahl ist möglich. Malis Regierung rief eine dreitägige Staatstrauer aus.
Zum Anschlag auf das Armeelager bei Gao am Freitagmorgen teilte Malis Armee zunächst nur mit, dass es sich um einen komplexen Selbstmordanschlag gehandelt habe. Details sollten später bekannt gegeben werden. Der Angriff erfolgte 1,5 Kilometer von dem Feldlager der Bundeswehr für den Einsatz bei der UN-Friedensmission entfernt. Dort halten sich noch rund 850 deutsche Soldatinnen und Soldaten auf, die bis Jahresende mit dem Abschluss der Mission abziehen sollen.
Deutsche Soldaten wohl nicht betroffen
Ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr sagte auf Anfrage, dass die deutschen Soldaten nach drei Explosionen in der Nähe am Freitagmorgen die Schutzeinrichtungen des Lagers bezogen hätten. »Nach derzeitigem Kenntnisstand sind wir nicht betroffen.«
Die UN-Mission zur Stabilisierung Malis (Minusma), die seit 2013 im Land ist, zieht planmäßig bis Jahresende auf Aufforderung der Militärregierung ab und übergibt ihre Basen an die malischen Sicherheitskräfte. Die sich Russland immer stärker zuwendende Militärregierung, die mit Söldnern der russischen Wagner-Gruppe gegen die Terroristen kämpft, hatte Mitte Juni vehement den Abzug aller rund 12.000 UN-Blauhelme bis Ende des Jahres gefordert. Deutschland hatte ein Ende seiner Beteiligung bereits vorher beschlossen.
Die UN-Mission wurde ins Leben gerufen, nachdem islamistische Terroristen in Folge des Zusammenbruchs Libyens und einer Rebellion der nomadischen Tuareg 2012 den Norden des Landes überrannt hatten. Eine Militärintervention der früheren Kolonialmacht Frankreich drängte die Islamisten nur vorübergehend zurück.
Die Terrorgruppen breiten sich seitdem in Mali und seinen Nachbarstaaten Niger und Burkina Faso aus. Alle drei Staaten werden nach Putschen in den letzten zwei Jahren vom Militär regiert und wenden sich von europäischen Partnern ab, insbesondere von Frankreich.
Verschlimmerung der Lage wurde befürchtet
Experten hatten bereits vorher vor einer deutlichen Verschlimmerung der Lage im Norden Malis im Zuge Abzugs der UN-Blauhelme gewarnt. Nach Erhebungen der Konfliktdatenorganisation ACLED kamen in den ersten acht Monaten dieses Jahres etwa 2400 Menschen in Mali durch Gewalt ums Leben. Die genaue Zahl der getöteten Zivilisten geht aus den Daten nicht hervor, sie sind aber immer wieder Ziel von Angriffen. Auch ein Konflikt zwischen dem malischen Staat und den nomadischen Tuareg droht nach dem Abzug der UN erneut auszubrechen.
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