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Macrons Helfer in der Not? Neustart mit Jungspund Attal

Mit dem jüngsten Premier Frankreichs will Macron nach anderthalb schleppenden Jahren und Rissen im eigenen Lager frisch durchstarten. Denn mit der Europawahl steht eine wichtige Bewährungsprobe ins Haus. Kann Attal es richten?

Gabriel Attal
Gabriel Attal war bislang Bildungsminister in Frankreich. Nun wurde er von Präsident Macron zum Premierminister ernannt. (Archivbild) Foto: Bertrand Guay/DPA
Gabriel Attal war bislang Bildungsminister in Frankreich. Nun wurde er von Präsident Macron zum Premierminister ernannt. (Archivbild)
Foto: Bertrand Guay/DPA

Er ist jung, dynamisch und hat eine politische Karriere im Blitztempo hingelegt: Mit dem erst 34-jährigen Gabriel Attal als Premier will Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die Regierung aus einer Zwangslage befreien. Seit nun schon mehr als anderthalb Jahren tun sich Macrons Leute angesichts der fehlenden absoluten Mehrheit in der Nationalversammlung schwer damit, voranzuschreiten. Zuletzt wurden Zugeständnisse an die Opposition im Tausch gegen Stimmen so groß, dass das Lager zu zerbersten drohte. Doch ist der junge Attal, der sein Amt antrat, der Retter in der Not?

Attal ist ein politischer Senkrechtstarter, der 2018 mit 29 Jahren zum Staatssekretär aufstieg. Danach wurde der aus dem Pariser Umland stammende ehemalige Sozialist als eloquenter Regierungssprecher bekannt. Zuletzt leitete er mit Geschick das schwierige Bildungsministerium und katapultierte sich auf der Beliebtheitsskala französischer Politiker weit nach oben.

Jüngster Premier in Europa

Nun wird er mit 34 Jahren zum jüngsten Premierminister Europas. Zugleich wird er zum ersten offen homosexuellen Premier Frankreichs - in seiner politischen Arbeit und den Medien spielte der Aspekt bisher aber keine Rolle. Attal hat den Ruf, auch mit Vertretern anderer politischer Lager in der Sache diskutieren zu können. Macron könnte Attal vom Typ her zudem besser liegen als Ex-Premier Élisabeth Borne, die am Montag samt ihrer Regierung wohl auf Druck Macrons den Rücktritt einreichte: Attals zupackende Art und seine steile Karriere erinnern Beobachter an den Präsidenten.

Macron machte direkt klar, dass er große Hoffnungen in Attal setzt. Er solle die von Macron angekündigte Erneuerung und Stärkung des Landes umsetzen - mit Kühnheit, im Geiste der Anfänge im Jahr 2017, als Macron noch als dynamischer und vielversprechender Veränderer der politischen Landschaft Frankreichs galt und nicht als Präsident, der beim Versuch, es allen recht zu machen, scheitert und einen Großteil der Französinnen und Franzosen resigniert zurücklässt.

Konkret geht es für Macron nach internen Querelen um das verschärfte Immigrationsgesetz darum, sein Lager beisammenzuhalten. Der Vorsitzende seiner Fraktion in der Nationalversammlung, Sylvain Maillard, sicherte sogleich zu, die Abgeordneten wollten loyale Verbündete sein.

Stabilität und Handlungsfähigkeit sind für Macron mit Blick auf die kommenden Monate essenziell. Im Juni steht mit den Europawahlen eine Bewährungsprobe an. Marine Le Pens Rechtsnationale drohen Macrons Mitte-Bewegung deutlich zu überholen. Und schon im Juli folgen die Olympischen Spiele in Paris.

Kritik an Macron als »Monarch mit Hofstaat«

Zweites Ziel dürfte es für Macron sein, verlässlichere Mehrheiten im Parlament zu organisieren. Man erinnere sich an die Empörung, als er Borne die hoch umstrittene Rentenreform ohne Endabstimmung durchdrücken ließ. Doch ob Attal gelingen wird, woran Borne sich immer wieder aufrieb, ist fraglich. Der Sozialistenchef in der Nationalversammlung, Boris Vallaud, glaubt weder an neue Mehrheiten noch an eine neue Linie mit Attal. Der Linke Jean-Luc Mélenchon polterte, Attal sei wieder Regierungssprecher, das Amt des Premier verschwinde. »Der präsidentielle Monarch regiert allein mit seinem Hofstaat.«

Die konservativen Républicains forderten Attal indes zu einer anderen Methode auf. Die permanente Kommunikation müsse einer klaren und strengen Politik Platz machen. Le Pen hingegen meinte, von Attal und einer neuen Regierung sei nichts zu erwarten. Die Franzosen seien eines »kindischen Balletts der Ambitionen und Egos überdrüssig«. Die Europawahlen rief sie als Beginn des Wegs zum Wandel aus.

Über die Zusammensetzung der künftigen Regierung wurde noch nicht entschieden. Erwartet wurde aber, dass Macron an etlichen Schwergewichten des bisherigen Kabinetts festhalten und nur auf einzelnen Positionen Veränderungen vornehmen wird. Einfluss auf Frankreichs Handeln auf europäischer Ebene dürfte die Regierungsumbildung samt der Ernennung von Attal aber ebenso wenig haben wie auf die Beziehungen zu Deutschland. Der Präsident gibt in der französischen Innen- und Außenpolitik letztlich den Kurs vor, dem der Premier und die Regierung in aller Regel folgen.

Attal war die Verantwortung, die nun auf ihm lastet, bei der Amtsübergabe anzusehen. Der sonst oft lockere Politiker wirkte zunächst angespannt. Im ungewöhnlich kalten Paris wackelte sein Redemanuskript - ob vor Kälte, Wind oder Aufregung war unklar. In seiner Rede wandte er sich neben der Opposition auch an die Bevölkerung und sicherte ihr jede Sekunde seiner Zeit zu. »Denn es gibt nichts Schöneres, nichts Stärkeres, nichts Größeres als Frankreich und den Franzosen zu dienen.« Wie an sich selbst gewandt schrieb der frischgebackene Premier auf X: »An die Arbeit mit Kraft, Demut und ohne Tabu im Dienste Frankreichs.«

© dpa-infocom, dpa:240109-99-541959/6