Spekuliert wurde seit Tagen, ob Frankreichs Präsident Emmanuel Macron angesichts der Unruhen in seinem Land wirklich zum Staatsbesuch nach Deutschland kommen kann. In einem Telefonat mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Macron den Besuch nun am Samstagnachmittag abgesagt. Die von Sonntag bis Dienstag geplante Reise solle baldmöglichst nachgeholt werden, teilte das Bundespräsidialamt mit. Auch der Élysée-Palast in Paris bestätigte die Absage.
Hintergrund sind die anhaltenden Krawalle im Nachbarland nach dem Tod eines 17-Jährigen bei einer Polizeikontrolle am Dienstag bei Paris. In der vierten Nacht in Folge kam es von Freitag auf Samstag zu Randale mit Hunderten Festnahmen, Plünderungen und Brandanschlägen. Am Samstagnachmittag richteten sich die Blicke erneut auf Nanterre, dem Heimatort des erschossenen 17-Jährigen. Er sollte dort beigesetzt werden. Befürchtet wurde, dass die Beisetzung die Situation erneut aufheizen könnte.
Steinmeier hofft auf ein Ende der Gewalt
Macron habe Steinmeier am Telefon über die Situation in Frankreich unterrichtet und darum gebeten, den Staatsbesuch zu verschieben, hieß es vom Bundespräsidialamt. Steinmeier habe die Absage bedauert, habe aber vollstes Verständnis angesichts der Situation im Nachbarland. Der Bundespräsident verfolge die Entwicklung mit großer Aufmerksamkeit. Er hoffe, »dass die Gewalt auf den Straßen baldmöglich beendet und der soziale Friede wieder hergestellt werden kann«, erklärte Steinmeier.
Der Staatsbesuch war zwischen Berlin und Paris seit Monaten akribisch vorbereitet worden: Geplant war zunächst ein Empfang der Macrons durch Steinmeier und seine Ehefrau Elke Büdenbender vor dem Residenzschloss in Ludwigsburg (Baden-Württemberg) mit militärischen Ehren. Ein Besuch in Berlin stand ebenfalls auf dem Programm, mit Staatsbankett im Park von Schloss Bellevue, außerdem eine Fahrt per Sonderzug nach Dresden und als Höhepunkt eine Grundsatzrede zu den deutsch-französischen Beziehungen vor der Frauenkirche. Den streng durchgetakteten Plan mit vielen Beteiligten an vielen Orten schnell oder »baldmöglichst« nachzuholen, dürfte logistisch nur schwer umzusetzen sein.
Eine Feier der deutsch-französischen Freundschaft
Es wäre der erste Staatsbesuch eines französischen Präsidenten in Deutschland seit 23 Jahren gewesen. Aus Sicht des Bundespräsidialamts sollte dabei die deutsch-französische Freundschaft gefeiert und zugleich ein neues Kapitel aufgeschlagen werden. Beide Seiten bemühen sich seit einiger Zeit, wieder enger zusammenzurücken. Vor wenigen Wochen hatte Macron Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als erster Staatschef an dessen Wohnort in Potsdam besucht.
Doch nun muss die Außenpolitik warten und Macron sich erneut um die Innenpolitik kümmern. Es ist nicht das erste Mal in diesem Jahr: Im Frühjahr wurde wegen der französischen Rentenproteste schon der Besuch des britischen Königs Charles III. in Frankreich kurzfristig abgesagt.
© dpa-infocom, dpa:230701-99-252716/6