Der neue Militärmachthaber im Niger, Abdourahamane Tiani, will nach einem Putsch eine Übergangsregierung einsetzen, die bis zu drei Jahre im Amt bleiben soll. Zuvor soll das nigrische Volk innerhalb von 30 Tagen mithilfe eines »nationalen Dialogs« konsultiert werden, sagte Tiani im Staatsfernsehen. Darauf basierend wolle man eine neue Verfassung ins Leben rufen.
Der Anführer der Militärjunta sagte weiter, dass die Entscheidungen »ohne Einmischung von außen« getroffen würden. Tiani äußerte sich nicht dazu, ob im Anschluss an die Übergangsphase demokratische Wahlen abgehalten werden sollen.
Treffen mit Ecowas-Delegation
Wenige Stunden zuvor hatte sich Tiani am Samstag erstmals mit einer Delegation der westafrikanischen Staatengemeinschaft Ecowas in der nigrischen Hauptstadt Niamey getroffen. Zuvor hatte Tiani derartige Bitten um Gesprächen stets verweigert. Die Ecowas-Delegation besuchte am Samstag auch zum ersten Mal den von den Putschisten festgesetzten Präsidenten Mohamed Bazoum.
»Die Ankündigung von Tiani zeigt, dass die Putschisten jetzt dauerhaft bleiben wollen«, sagte Ulf Laessing, der Sahel-Regionalleiter von der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Deutschen Presse-Agentur. Es sei wahrscheinlich, dass die neue Verfassung, die erlassen werden solle, dem neuen Präsidenten des Nigers Amnestie und größere Kompetenzen gewähren werde. Nach diesem Muster war bereits die Militärjunta in Mali nach einem Staatsstreich vorgegangen.
Für Ecowas sei die Ankündigung einer dreijährigen Übergangsperiode ein Schlag ins Gesicht, sagte Laessing. Ecowas bleibe nicht viel Handlungsspielraum. Der Staatenbund werde wahrscheinlich versuchen, eine kürzere Übergangsphase und die Freilassung von Bazoum zu verhandeln. Einen militärischen Eingriff hält Laessing für unwahrscheinlich: »Jeder weiß, dass die Androhung des Militärschlags nicht ernst gemeint war, weil Ecowas nicht die Kapazitäten hat.«
Nach dem Staatsstreich vom 26. Juli im Niger hatte Ecowas ursprünglich eine Wiedereinsetzung der Verfassung und des entmachteten Präsidenten, der unter Hausarrest steht, gefordert. In einem Interview mit der »New York Times« versprach ein ziviles Mitglied der Junta, dass Bazoum keinen Schaden erleiden werde. Die neuen Machthaber hatten Bazoum zuvor des Hochverrats bezichtigt. Darauf steht im Niger die Todesstrafe.
Diplomatie auf Hochtouren
Diplomatische Gespräche liefen am Wochenende im Niger auf Hochtouren. Eine UN-Delegation traf sich in Niamey mit dem nigrischen Premierminister Lamine Zeine. Es gebe »keine Krise ohne Lösung, und im Dialog findet man immer eine Lösung«, sagte der UN-Sonderbeauftragte für Westafrika, Leonardo Santos Simão, im Anschluss im staatlichen Fernsehen.
Auch die neue US-Botschafterin Kathleen FitzGibbon war am Samstag in Niamey eingetroffen, um die Bemühungen zur Lösung der politischen Krise zu verstärken. Der Niger, ein Sahel-Staat mit rund 26 Millionen Einwohnern und einer der ärmsten Bevölkerungen der Welt, war bis zu dem Putsch einer der letzten demokratischen Partner der USA und europäischer Staaten am südlichen Rand der Sahara.
»Als hochrangige Diplomatin mit langjähriger Erfahrung in Westafrika ist sie in der einzigartigen Lage, die Bemühungen der US-Regierung zur Unterstützung der amerikanischen Gemeinschaft und zur Bewahrung der hart erarbeiteten Demokratie in Niger anzuführen«, so das US-Außenministerium.
Die britische Botschaft in Niamey zog mittlerweile einen Teil ihres Personals aus dem Land ab. Papst Franziskus sagte am Sonntag, er hoffe auf eine friedliche Lösung der Krise. Er verfolge die Geschehnisse im Niger mit Sorge. »Ich schließe mich dem Appell der Bischöfe für Frieden im Land und Stabilität in der Sahel-Region an«, sagte das katholische Kirchenoberhaupt nach dem Angelus-Gebet vor Gläubigen und Schaulustigen auf dem Petersplatz.
Bis zum Wochenende war nach zahlreichen Drohungen vonseiten der Ecowas eine gewaltsame Lösung im Rahmen des Möglichen gewesen. Am Freitag hatte die Ecowas verkündet, der Staatenbund sei für eine Militärintervention bereit. Ein Zieldatum für einen Einsatz sei gesetzt, werde aber nicht öffentlich genannt. Als Antwort sagten die Putschisten, sie hätten zusammen mit ihren Nachbarn Mali und Burkina Faso eine Verteidigungsstrategie mit »konkreten Maßnahmen« entwickelt. Mali und Burkina Faso werden wie der Niger seit Putschen in ihren Ländern vom Militär regiert.
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