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Lula gewinnt erste Runde der Präsidentenwahl in Brasilien

Brasiliens Demokratie steht vor einer Zerreißprobe: Nach seiner Haft wegen Korruption könnte der linke Ex-Präsident Lula ein Comeback schaffen - doch Rivale Bolsonaro zieht das Wahlsystem in Zweifel.

Luiz Inacio Lula da Silva
Präsidenschaftskandidat Luiz Inacio Lula da Silva bei seiner Ankunft am Wahllokal in Sao Paulo. Foto: Marcelo Chello
Präsidenschaftskandidat Luiz Inacio Lula da Silva bei seiner Ankunft am Wahllokal in Sao Paulo.
Foto: Marcelo Chello

Luiz Inácio Lula da Silva hat die erste Runde der Präsidentenwahl in Brasilien knapp für sich entschieden. Der linke Ex-Staatschef kam auf 47,97 Prozent, wie das Wahlamt am Sonntag mitteilte. Der rechte Amtsinhaber Jair Bolsonaro erhielt demnach 43,60 Prozent.

Das Ergebnis war allerdings sehr viel enger als erwartet: In den Umfragen lag Lula zuletzt deutlich vorn. Nach Einschätzung von Experten bekannten sich viele der Befragten nicht zu ihrem tatsächlichen Favoriten oder entschieden sich erst am Wahltag.

Stichwahl Ende Oktober

Da keiner der Kandidaten über 50 Prozent der Stimmen holen konnte, treten Lula und Bolsonaro am 30. Oktober in einer Stichwahl gegeneinander an. Sollte Ex-Präsident Lula (2003-2010) auch in der zweiten Runde gewinnen, wäre er der erste demokratische Präsident Brasiliens, der in eine dritte Amtszeit geht. Neben dem künftigen Präsidenten wurden am Sonntag auch Abgeordnete, Senatoren und Gouverneure gewählt.

Viele Anhänger des 76-Jährigen verbinden Lula mit den goldenen Zeiten Brasiliens, als die Wirtschaft aufgrund der hohen Rohstoffpreise boomte und die Regierung mit Hilfe von Sozialprogrammen Millionen Menschen aus der bittersten Armut holte. Für seine Gegner hingegen ist Lula verantwortlich für Korruption und Vetternwirtschaft.

Die Wahl hat die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas extrem gespalten. Lula bezeichnete Bolsonaro wegen dessen zögerlicher Corona-Politik als Völkermörder, Bolsonaro nannte seinen Kontrahenten nach dessen Verurteilung wegen Korruption einen Dieb.

»Die Mehrheit der Gesellschaft will keine Konfrontation, sie will Frieden«, sagte Lula nach seiner Stimmabgabe am Sonntag. »Ich denke, es wird uns leicht fallen, Demokratie und Frieden in diesem Land wiederherzustellen.«

Radikale Bolsonaro-Anhänger fordern Militärputsch

Die Unterstützer von Bolsonaro sehen ihren Staatschef hingegen als Verteidiger traditioneller Familienwerte und wirtschaftlicher Freiheit. Radikale Anhänger des Hauptmanns der Reserve forderten bei Demonstrationen unverhohlen einen Militärputsch. Der rechte Präsident hatte zuletzt immer wieder Zweifel am Wahlsystem gestreut und angedeutet, das Ergebnis möglicherweise nicht anzuerkennen. »Worauf es ankommt, sind saubere Wahlen ohne Probleme«, sagte er am Sonntag. »Möge der Bessere gewinnen.«

Die Präsidentenwahl in Brasilien hat auch für den Rest der Welt eine große Bedeutung. Als riesiger Kohlenstoffspeicher spielt das Amazonasgebiet im Kampf gegen den weltweiten Klimawandel eine wichtige Rolle. Gerade angesichts der angespannten Lage auf dem Energie- und Lebensmittelmarkt wegen des Ukraine-Kriegs ist das Land mit seinen enormen natürlichen Ressourcen und seiner großen Agrarwirtschaft auch ein interessanter Handelspartner.

© dpa-infocom, dpa:221003-99-984789/7