Offiziell sind Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare in der katholischen Kirche verboten, doch daran halten sich viele Priester in Deutschland nicht mehr: Wie schon im vergangenen Jahr gab es auch am Dienstag wieder bundesweit Gottesdienste mit Segnungen queerer Beziehungen.
Insgesamt 80 Gemeinden beteiligten sich an der Aktion der Initiative #liebegewinnt. Pfarrer Heinrich Plaßmann, der einen Gottesdienst in Datteln im nördlichen Ruhrgebiet zelebrierte, sagte: »Es geht um die Liebe zwischen Menschen.« Er habe gleichgeschlechtliche Paare im Freundeskreis und erlebe, wie ernsthaft und treu dort Beziehungen gelebt würden. Einen grundsätzlichen Unterschied zu Hetero-Paaren könne er nicht erkennen.
Forderungen nach Veränderung werden immer energischer
Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, forderte, Segnungsgottesdienste für gleichgeschlechtliche Paare müssten in der katholischen Kirche »so schnell wie möglich eine Selbstverständlichkeit« werden. »Eine Kirche, die glaubwürdig und menschenfreundlich sein möchte, sollte Gottes Segen nicht verweigern, sondern spenden«, sagte Stetter-Karp der Deutschen Presse-Agentur. Das ZdK habe deshalb im Januar auch die Initiative #OutInChurch unterstützt, die eine Reform des katholischen Arbeitsrechts fordert. Sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität dürften kein Kündigungsgrund mehr sein.
Segnungen queerer Paare sollen durch den derzeit laufenden Reformprozess in der katholischen Kirche in Deutschland, den Synodalen Weg, offiziell legitimiert werden. Die Synodalversammlung hat die Vorlage dazu in erster Lesung bereits angenommen. Zurzeit würden noch Änderungen in den Text eingearbeitet, dann folge die zweite Lesung, teilte am Dienstag eine Sprecherin der Deutschen Bischofskonferenz mit. Am Ende muss eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Bischöfe für die Vorlage stimmen.
»Ich kann die Entscheidung nicht voraussehen, hoffe aber, dass Segnungsfeiern ein positives Votum der großen Mehrheit der deutschen Bischöfe erhalten werden«, sagte Stetter-Karp. Der Synodale Weg wird von der Deutschen Bischofskonferenz gemeinsam mit dem ZdK, der Vertretung der katholischen Laien (Nichtkleriker), organisiert.
Wird Rom vor vollendete Tatsachen gestellt?
Queere Katholiken unterstrichen am Dienstag ihre Forderung nach einem offiziellen liturgischen Format zur Segnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen. »Wir würden es gerne mit unserer Gemeinde, mit unserer Familie und unserem Freundeskreis in einer eigenen Feier begehen«, sagte Rainer Teuber, Museumspädagoge am Essener Dom und Mitglied der Initiativen #OutInChurch und #liebegewinnt.
Teuber forderte reformorientierte Bistümer wie Essen, Hildesheim, Osnabrück, Hamburg und andere auf, nicht bis zum Ende des Synodalen Wegs zu warten, sondern die Segensfeiern jetzt schon einführen. »Wenn acht, neun Bischöfe aus Deutschland vorangehen, glaube ich kaum, dass die von Rom alle die Kündigung bekommen«, sagte Teuber.
Ein Großteil des katholischen Klerus sei beim Thema Homosexualität nicht sprachfähig, kritisierte Teuber. "Sie können nicht sagen "ein schwules Ehepaar", das bringen sie nicht ins Wort. Manchmal bekomme er Formulierungen zu hören wie "Sie als Betroffener von Homosexualität". Das seien alles nur Kleinigkeiten, doch sie dokumentierten ein grundsätzliches Defizit in der katholischen Kirche.
Erstmals wollte sich am Dienstagabend auch eine Bischofskirche an den Segnungsfeiern im Rahmen von #liebegewinnt beteiligen, die Kathedrale St. Sebastian in Magdeburg. Zudem wollte der Essener Weihbischof Ludger Schepers in der evangelischen Marktkirche einen ökumenischen Segensgottesdienst besuchen.
Im vergangenen Jahr hatte die römische Glaubenskongregation klargestellt, dass es »nicht erlaubt« sei, homosexuelle Partnerschaften zu segnen, da solche Verbindungen »nicht als objektiv auf die geoffenbarten Pläne Gottes hingeordnet anerkannt werden« könnten. Im deutschsprachigen Raum protestierten zahlreiche katholische Verbände und über 280 Theologieprofessoren dagegen.
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