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Lawrow und Baerbock bei G20: Schlagabtausch statt Eklat

Zum ersten Mal sei Juli 2022 kommt der russische Außenminister Lawrow wieder mit westlichen Kollegen zusammen. Annalena Baerbock redet Klartext. Doch ein anderes Treffen sorgt für Aufsehen.

Sergej Lawrow
Der russische Außenminister Lawrow hat sich am Rande des G20-Treffens der Außenminister auch mit seinem US-Amtskollegen Blinken getroffen. Foto: Uncredited
Der russische Außenminister Lawrow hat sich am Rande des G20-Treffens der Außenminister auch mit seinem US-Amtskollegen Blinken getroffen.
Foto: Uncredited

Diesmal verzichtet Sergej Lawrow auf den Affront: Bis zum Ende hört sich der Russe beim Treffen der Außenminister der G20-Runde führender Wirtschaftsmächte die Forderungen seiner deutschen Kollegin Annalena Baerbock (Grüne) nach einem sofortigen Ende des Krieges in der Ukraine an. »Herr Lawrow, stoppen Sie diesen Krieg. Stoppen Sie die Verletzung unserer internationalen Ordnung. Stoppen Sie die Bombardierung ukrainischer Städte und Zivilisten«, sagt sie Lawrow in der indischen Hauptstadt Neu Delhi ins Gesicht. Am riesigen Tisch der 20 sitzt er ihr genau gegenüber.

Beim jüngsten G20-Treffen im Juli 2022 auf der indonesischen Ferieninsel Bali hatte Lawrow den Saal sofort nach seiner Rede verlassen. Baerbock, die damals direkt nach ihm in der Runde sprach, konnte ihm nicht wie geplant ins Gewissen reden.

Baerbock: Mister Lawrow, stop this war

»Hier an diesem G20-Tisch haben 19 Länder deutlich gemacht, dass dieser Krieg enden muss. Dass sie alle endlich Frieden wollen«, sagt die 42-jährige Baerbock später vor Journalisten. Dies habe Lawrow deutlich registriert. Der G20 gehören 19 Länder und die EU an.

Als Lawrow (72) in der Ministerrunde an der Reihe ist, prangert er der staatlichen Agentur Tass zufolge an, Kritik an Russland komme ausgerechnet von westlichen Staaten, die die Ukraine seit Jahren »mit Waffen vollgepumpt« hätten. Militäreinsätze der USA etwa hätten in der Vergangenheit nicht annähernd so viel Entrüstung hervorgerufen. Die westlichen Sanktionen gegen sein Land nennt er Willkür.

Kurzes Treffen von Blinken und Lawrow

Für Aufsehen sorgt am Nachmittag die Nachricht über ein kurzes Treffen Blinkens mit Lawrow am Rande des Treffens. Russischen Angaben zufolge soll Blinken um den Kontakt gebeten haben. Ein formelles Treffen oder gar Verhandlungen habe es aber nicht gegeben. Es war das erste persönliche Zweiergespräch zwischen Blinken und Lawrow seit Russlands Einmarsch in die Ukraine vor mehr als einem Jahr.

Blinken sagte am Donnerstgabend, er habe Lawrow bei dem Treffen gesagt, dass Russland den kürzlich von Kremlchef Wladimir Putin ausgesetzten Abrüstungsvertrag »New Start« wieder aufnehmen solle. Die USA würde die Ukraine weiter unterstützen und er habe Russland erneut aufgefordert, die Aggression gegen das Land zu beenden. »Beteiligen Sie sich an sinnvoller Diplomatie, die einen gerechten und dauerhaften Frieden herbeiführen kann«, sagte Blinken.

Qin Gang begehrter Gesprächspartner

Am Rande des G20-Kongresses trifft Baerbock erstmals ihren neuen chinesischen Kollegen Qin Gang. Vor dem Hintergrund von Spekulationen über die mögliche Lieferung von Drohnen durch Peking an Moskau habe sie klar gemacht, dass die Lieferung von Waffen oder von Gütern, die zivil als auch militärisch genutzt werden könnten, »Unterstützung eines völkerrechtswidrigen Angriffskriegs wäre«. China habe als Ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat die Aufgabe, »für den Weltfrieden einzutreten«.

Lawrow spricht bei einem Treffen mit Qin von »weitreichenden Plänen zur Entwicklung unserer bilateralen Zusammenarbeit«. Beide Länder seien ein »Stabilitätsfaktor im System der internationalen Beziehungen«, sagt er laut russischer Nachrichtenagentur Interfax.

China hat den russischen Einmarsch in der Ukraine bisher nicht verurteilt. Zum ersten Jahrestag der russischen Invasion am vergangenen Freitag hatte Peking ein Positionspapier vorgelegt. Darin wurden ein Waffenstillstand und Verhandlungen gefordert. Im Westen wurde das Zwölf-Punkte-Dokument mit Skepsis aufgenommen, auch weil es keinen Abzug russischer Truppen aus der Ukraine vorsieht.

Kein gemeinsames Kommuniqué wegen Ukraine-Krieg

Auf eine gemeinsame Abschlusserklärung konnten sich die G20-Außenminister nicht einigen - wie schon vergangene Woche die Finanzminister der Runde. Das Vorsitzland Indien veröffentlichte stattdessen eine eigene Zusammenfassung. Die meisten Staaten verurteilen darin den russischen Angriffskrieg erneut aufs Schärfste und fordern einen bedingungslosen Abzug von ukrainischem Territorium. Lawrow und Qin stimmten den entsprechenden Paragrafen nicht zu.

Baerbock für Kraftanstrengung gegen Armut und Klimawandel

Baerbock rief ihre G20-Kollegen zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung im Kampf gegen Armut, die Auswirkungen des Klimawandels und die Verschuldung von armen Ländern auf. Die Runde solle deutlich machen, »dass wir die Herausforderungen und Probleme der vielen anderen Länder auf der Welt nicht nur sehen, sondern dass wir handeln«. Dies müsse gerade auch angesichts des Ukraine-Kriegs geschehen. »Denn wir sehen, dass dieser brutale Angriffskrieg auf die Ukraine auch nach einem Jahr die Krisen der Welt weiter verschärft«, sagt sie.

Zu den G20 gehören die Europäische Union und die stärksten Volkswirtschaften aller Kontinente. Die Gruppe erwirtschaftet nach eigenen Angaben mehr als 80 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts, 75 Prozent des weltweiten Handels und macht rund 60 Prozent der Weltbevölkerung aus.

© dpa-infocom, dpa:230302-99-794418/10