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Lauterbachs Corona-Appell zur Vorsicht im Herbst

Neben Ukraine-Krieg und Inflation soll nicht noch die Pandemie wieder bedrohlicher werden. Darauf setzt die Bundesregierung und ruft zu Solidarität und Impfungen auf. Die Länder sollen aktiver werden.

Karl Lauterbach
SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach geht von einer Untererfassung bei Corona-Infektionen aus. Foto: Michael Kappeler
SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach geht von einer Untererfassung bei Corona-Infektionen aus.
Foto: Michael Kappeler

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach appelliert angesichts zunehmender Corona-Ansteckungen an die Vorsicht aller im Herbst und drängt die Länder zu mehr Masken-Vorgaben. »Wir haben es selbst in der Hand, ob diese große Krise noch einmal die Bedeutung bekommt, die sie gehabt hat«, sagte der SPD-Politiker am Freitag in Berlin. Die Bundesregierung startet dazu auch eine Kampagne unter dem Motto »Ich schütze mich«, die für mehr Impfungen und gegenseitige Rücksichtnahme werben soll. Die zuletzt stark gestiegenen Infektionszahlen haben laut Robert Koch-Institut (RKI) auch in Pflegeheimen und medizinischen Einrichtungen wieder zu mehr Corona-Ausbrüchen geführt.

Lauterbach sagte, es habe erwartungsgemäß eine Herbst-Welle begonnen. »Die Richtung, in die wir unterwegs sind, ist keine gute«, erläuterte er mit Blick auf steigende Zahlen bei Ansteckungen, Gestorbenen und Belastungen in Kliniken. Das RKI gab die Sieben-Tage-Inzidenz nun mit 760,1 an - nach 793,8 gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen am Vortag und 577,5 vor einer Woche. Regional reicht die Spanne dabei aktuell von 281,1 in Hamburg bis 1461,5 im Saarland.

Experten gehen aber von vielen nicht erfassten Fällen aus - vor allem weil viele Infizierte keinen PCR-Test mehr machen und so nicht in die Statistik eingehen. Nachmeldungen und Übermittlungsprobleme können zu Verzerrungen von Tageswerten führen. Lauterbach erklärte, es gebe eine »erhebliche Dunkelziffer«, so dass die Gesamtzahl der täglichen neuen Fälle wohl drei bis vier Mal so hoch sei wie ausgewiesen.

Lauterbach will keine »Angstkampagne«

Die neue Corona-Kampagne soll für Impfungen, aber etwa auch für Rücksicht und Masken werben. Es sei »keine Angstkampagne«, sagte der Minister. »Es geht darum, dass wir als Gemeinschaft zusammenhalten.« Von diesem Samstag an soll nun Tag für Tag eine von insgesamt 84 »echten Personen« gezeigt werden, die von ihrem Schicksal und Gründen berichtet, sich zu schützen. Dabei geht es etwa auch um längere Gesundheitsprobleme nach Infektionen (Long Covid). Geplant sind Veröffentlichungen in allen Medien. Die Kosten gab Lauterbach mit 32,7 Millionen Euro an, was etwa 40 Cent pro Bundesbürger entspreche.

Die Kampagne solle dazu dienen, zusammenzukommen und sich der Lage bewusst zu werden. »Das ist ein Lagerfeuer der Vernünftigen, wo wir bei schlechterem Wetter und Kälte zusammenkommen«, sagte Lauterbach. Entwickelt wurde die Kampagne in Zusammenarbeit mit der Werbeagentur Brinkert Lück. Sie war auch für die SPD im Bundestagswahlkampf tätig. Lauterbach machte deutlich, dass mit fortentwickelten Impfstoffen, Medikamenten für Infizierte und genaueren Daten die Instrumente für eine Pandemie-Kontrolle im Herbst und Winter vorhanden seien.

Je früher, desto besser

Er rief die Länder erneut eindringlich dazu auf, bei kritischer Lage Maskenpflichten in Innenräumen anzugehen, was rechtlich möglich sei. »Es ist jetzt wirklich an der Zeit.« Und man wisse aus der Pandemie, je früher man auf die Bremse trete, desto besser. »Daher wäre es sinnvoll, mit geringen Einschränkungen jetzt zu arbeiten, als mit sehr drastischen Einschränkungen spät zu reagieren.« Lauterbach fügte hinzu, er sehe etwa angesichts der kritischen Corona-Lage nach dem Oktoberfest München und Bayern in einer besonderen Verpflichtung, sich jetzt zu überlegen, was man mit der Maskenpflicht mache.

Der Minister kritisierte eine »Verharmlosung« in Diskussionen um Tote in Zusammenhang mit Corona-Infektionen. Ob jemand »mit« oder »an« Corona gestorben sei, werde teils falsch bewertet. »Wenn ich mit Corona sterbe, kann es trotzdem so sein, dass ich ohne die Corona-Infektion nicht gestorben wäre«, erläuterte er. »Das kriegen viele nicht auseinander. Die denken dann, mit Corona gestorben bedeutet, der wäre sowieso gestorben.«

Das RKI warnte in seinem Wochenbericht, dass der Infektionsdruck jetzt im Herbst wieder deutlich zunehme. Das betreffe nicht nur Covid-19 sondern auch andere akute Atemwegserkrankungen. Mit Blick auf Corona habe es in der vergangenen Woche 413 akute Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen gegeben (Vorwoche: 301), in medizinischen Einrichtungen wie Kliniken 220 (Vorwoche: 155). »Diese Entwicklungen können als direkte Folge der starken Ausbreitung in den vergangenen Wochen gedeutet werden.« Gegen eine schwere Corona-Erkrankung sei die Impfung die beste Prävention, bekräftigte das Institut.

Gesundheitsministerium zur neuen Corona-Kampagne

© dpa-infocom, dpa:221014-99-126545/3