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Lauterbach will Vorgaben für neue Apotheken-Filialen lockern

Eine Apotheke möglichst in der Nähe finden viele wichtig. Doch das Netz wird seit Jahren kleiner. Der Minister will jetzt Neueröffnungen erleichtern. Der Apothekerverband geht auf die Barrikaden.

Karl Lauterbach
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will Apothekengründungen künftig erleichtern. Foto: Kay Nietfeld/DPA
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will Apothekengründungen künftig erleichtern.
Foto: Kay Nietfeld/DPA

Im Kampf gegen Apothekenmangel in vielen Regionen will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Vorgaben für neue Filialen lockern - und bekommt dafür empörte Proteste der Branche.

»Ich glaube, dass diese Reform das Schrumpfen der Apotheken stoppen kann«, beteuerte der SPD-Politiker heute in Berlin. Apothekerinnen und Apothekern soll die Möglichkeit gegeben werden, den Bedarf flexibler zu erfüllen. So sollen Filialen künftig nicht gezwungen sein, Notdienste voll anzubieten, ein Labor vorzuhalten oder Rezepturen anzufertigen. Beim Apothekertag in Düsseldorf, wo er die Pläne per Videoschalte vorstellte, wurde Lauterbach ausgebuht.

Scharfe Kritik

Die Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Abda), Gabriele Overwiening, kritisierte, als erster Minister sei Lauterbach offenbar bereit, »das Apothekensystem, das unsre Bevölkerung seit Jahrzehnten sicher versorgt, gänzlich zu zerstören«.

Erfahrungen anderer Länder zeigten, dass die angepeilten neuartigen Filialapotheken fast nur in stark frequentierten Lagen und in Stadtnähe gegründet würden. »Auf dem Land wird das Apothekensterben zunächst unbegrenzt weitergehen.« Der Verband kündigte an, im November einen »Protestmonat« zu organisieren. Vom 8. November an solle es jeden Mittwoch regionale Apotheken-Schließungen geben.

Lauterbach rechtfertigte die Pläne, wonach in Filialen dann auch kein Apotheker mehr vor Ort sein muss. Als Vertretung könnten demnach pharmazeutisch-technische Assistenten Kunden bedienen, wenn eine digitale Verbindung zu einem Apotheker in der Hauptapotheke vorhanden ist. Wenn es Rückfragen gebe oder eine Apothekerberatung notwendig sei, könnte sie »telepharmazeutisch« vorgenommen werden.

»Es soll bei der Apotheke bleiben, die der Apotheker oder die Apothekerin besitzt und auch führt«, sagte Lauterbach. Es sollten aber ein bis zwei zusätzliche Filialen zugelassen werden, so dass sie auch dort aufgebaut werden könnten, wo sonst keine neue Apotheke mehr entstünde. Das System solle liberaler und wirtschaftlicher werden. So könnten auch Notdienste mit Filialen abgestimmt werden, und man habe eine bessere Rund-um-die-Uhr-Betreuung, ohne dass es teurer werde. »Das sind auch Maßnahmen, mit denen wir verhindern wollen, dass die Apotheke der Zukunft die Versandhandelapotheke ist.«

Zahl der Apotheken sinkt

Die Zahl der Apotheken in Deutschland sinkt seit Jahren und fiel im Frühjahr unter die Marke von 18.000. Ende Juni gab es bundesweit noch 17.830 Apotheken. Damit ging die Zahl der Apotheken im Vergleich zum Jahresende 2022 um 238 zurück. Erfasst werden jeweils Hauptapotheken und Filialen, von denen Apotheker bis zu drei betreiben können. Die Branche forderte angesichts einer vielfach anspannten Finanzlage auch beim Apothekertag erneut lange ausgebliebene Honorar-Anhebungen.

Der FDP-Fachpolitiker Lars Lindemann sagte zu den neuen Plänen, dies seien »persönliche Gedankenspiele des Bundesgesundheitsministers«. In der Koalition seien sie bisher nicht Gesprächsgegenstand gewesen. Es sei notwendig, sich zur Sicherstellung der Versorgung Möglichkeiten der Liberalisierung und Entbürokratisierung zu erarbeiten.

Mit Blick auf die Rufe nach Honoraranhebungen sagte SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt, es brauche eine Reform der veralteten und hoch komplizierten Apothekenvergütung, die das Geld ungerecht verteile. »Es liegt an den Apotheken selbst, ob sie konstruktiv an einer Lösung für die kleinen, aber versorgungsrelevanten Apotheken mitarbeiten wollen.«

© dpa-infocom, dpa:230927-99-355302/4