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Lauterbach wegen Warnung vor »Killervariante« in der Kritik

Die Corona-Zahlen sind über Ostern weiter gesunken. Die Aussagekraft der Statistik ist allerdings begrenzt. Neue Diskussionen hat nun Gesundheitsminister Lauterbach ausgelöst.

Karl Lauterbach
»Es ist durchaus möglich, dass wir eine hochansteckende Omikron-Variante bekommen, die so tödlich wie Delta ist«: Karl Lauterbach. Foto: Roland Weihrauch
»Es ist durchaus möglich, dass wir eine hochansteckende Omikron-Variante bekommen, die so tödlich wie Delta ist«: Karl Lauterbach.
Foto: Roland Weihrauch

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat mit Warnungen vor einer möglichen »Killervariante« des Coronavirus Kritik auf sich gezogen.

Der Begriff sei unwissenschaftlich und führe zu nichts als Verunsicherung in der Bevölkerung, sagte der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit der »Bild«. Kritisch äußerten sich auch andere Experten, Patientenschützer und Politiker. Die Corona-Zahlen sanken über Ostern weiter. Die Aussagekraft der Statistik ist wegen eines möglichen Meldeverzugs an Feiertagen und einer vermuteten Untererfassung durch eine sinkende Zahl von PCR-Tests aber begrenzt.

Lauterbach äußerte sich in der »Bild am Sonntag« besorgt über diverse Omikron-Subvarianten, die sich gerade entwickelten. »Es ist durchaus möglich, dass wir eine hochansteckende Omikron-Variante bekommen, die so tödlich wie Delta ist. Das wäre eine absolute Killervariante«, sagte der SPD-Politiker.

Seiner Ansicht nach könnte im Herbst auch die inzwischen weitgehend aufgehobene Maskenpflicht in Innenräumen wieder eingeführt werden. Wegen steigender Zahlen und wahrscheinlicher neuer Mutationen werde man bis dahin das Infektionsschutzgesetz noch einmal überarbeiten müssen. Es könne dann durchaus wieder nötig sein, das Maskentragen in Innenräumen zur Pflicht zu machen, sagte Lauterbach.

»Sehr unwahrscheinliches Szenario«

Schmidt-Chanasit sieht aktuell wenig Hinweise auf eine Gefahr, wie sie Lauterbach beschreibt: »Das Auftreten einer «Killervariante» im Herbst ist laut Weltgesundheitsorganisation WHO ein sehr unwahrscheinliches Szenario«, sagte der Experte. Dagegen spreche zudem die breite Grundimmunisierung in der Bevölkerung durch Impfung und Infektion, »weil die Immunität nicht nur auf neutralisierenden Antikörpern basiert, sondern auch auf einer zellulären Immunität«.

Auch der Bonner Virologe Hendrik Streeck reagierte skeptisch. »Die Entwicklung von Varianten kann man nicht vorhersagen. Anstatt daher vor Szenarien wie «Killervarianten» zu warnen, wäre es wichtig, sich auf den Herbst und Winter vorzubereiten«, sagte er »Bild«.

»Killervariante - aussichtsreicher Kandidat für Unwort des Jahres«

Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz, twitterte, »bei aller Wertschätzung für die Expertise von Karl Lauterbach und meiner vollen Solidarität wegen all den unsäglichen Anfeindungen gegen seine Person, ich halte vage Prognosen zu der «Möglichkeit» der Entstehung einer «absoluten Killervariante» für wirklich wenig hilfreich.«

Seine Fraktionskollegin Tabea Rößner schrieb: »Killervariante ist ein aussichtsreicher Kandidat für das Unwort des Jahres.« Der CDU-Gesundheitspolitiker Erwin Rüddel twitterte in Reaktion auf Lauterbachs Äußerung: »Er müsste doch eigentlich aus seinen Fehlern und Fehleinschätzungen gelernt haben.«

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte der Deutschen Presse-Agentur, Angst sei ein schlechter Ratgeber. »Deshalb sollte der Bundesgesundheitsminister apokalyptische Prophezeiungen unterlassen. Das heißt nicht, unvorbereitet in den Corona-Herbst zu gehen.«

»Inzidenz in Wahrheit um ein Drittel höher«

Die Zahl der offiziell täglich festgestellten Ansteckungen gab das Robert Koch-Institut (RKI) am Ostermontag mit 20 482 an. Vor einer Woche waren es 30 789. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz sank auf 808,8 (gestern: 834,3, vergangene Woche: 1080).

Zu berücksichtigen ist dabei, dass einzelne Länder nicht an jedem Wochentag Daten melden. An Feiertagen sind zudem weniger Meldungen zu erwarten, was wiederum zu Nachmeldungen an Folgetagen führen kann. Experten gehen auch von einer hohen Zahl nicht erfasster Fälle aus, unter anderem weil nicht alle Infizierten einen PCR-Test machen lassen. Nur diese zählen in der Statistik.

Der Leiter des Gesundheitsamtes Berlin-Neukölln, Nicolai Savaskan, sagte der »Welt« zu den sinkenden Zahlen: »Neben dem saisonalen Effekt ist der wichtigste Grund, dass Schnelltest-Ergebnisse nicht in die offizielle Statistik des Robert Koch-Instituts einfließen. Bei uns in Neukölln machen diese aktuell 30 Prozent aller gemeldeten Fälle aus. Die Corona-Inzidenz des RKI ist also in Wahrheit um ein Drittel höher.«

© dpa-infocom, dpa:220418-99-951845/3