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Laschet: Können nicht immer neue Inzidenzwerte erfinden

35 ist die neue magische Zahl. Unter diesem Grenzwert soll der Lockdown schrittweise beendet werden. Aber ist die Zahl sinnvoll? Und wird das Virus überhaupt so mitspielen, wie sich das Viele wünschen?

Armin Laschet
»Wir brauchen Tübingen überall«, sagt Armin Laschet. Foto: Marcel Kusch/dpa
»Wir brauchen Tübingen überall«, sagt Armin Laschet. Foto: Marcel Kusch/dpa

BERLIN. Der neue CDU-Vorsitzende Armin Laschet hat bei der Ausrichtung der Corona-Politik vor einem zu einseitigen Fokus auf dem sogenannten Inzidenzwert gewarnt.

»Man kann nicht immer neue Grenzwerte erfinden, um zu verhindern, dass Leben wieder stattfindet«, sagte er. »Wir können unser ganzes Leben nicht nur an Inzidenzwerten abmessen.« Man müsse all die anderen Schäden etwa für die Gesellschaft und die Wirtschaft genauso im Blick haben wie die Inzidenzzahlen.

Die Länderregierungschefs und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten zuletzt vereinbart, den Lockdown grundsätzlich bis zum 7. März zu verlängern. Sollte die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz - also Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche - stabil unter 35 sinken, sollen die Beschränkungen von den Ländern schrittweise gelockert werden - zunächst für Einzelhandel, Museen und Galerien sowie Betriebe mit körpernahen Dienstleistungen.

Am Montagmorgen lag der Wert im bundesweiten Schnitt laut Robert Koch-Institut bei 58,9. Der bisherige Höchststand war am 22. Dezember mit 197,6 erreicht worden. Die meisten Bundesländer verzeichnen laut RKI sinkende Sieben-Tage-Inzidenzen.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsbundestagsfraktion, Karin Maag (CDU) riet, andere Parameter einzubeziehen als nur die Inzidenz. »Das sind politische Größen«, sagte sie der »Welt«. »Die Leistungsfähigkeit der Gesundheitsämter und der Kliniken muss miteinbezogen werden. Dazu gibt es Schnelltests. Mehr Technik muss beim Thema Öffnen ebenso dazugedacht werden wie der höhere Durchimpfungsgrad der älteren Menschen.«

Der Immunologe Michael Meyer-Hermann hält es für möglich, dass ansteckendere Virusvarianten die angepeilte Inzidenz von 35 torpedieren. Sollte sich das Vorkommen der Mutante B.1.1.7 ungünstiger entwickeln als erwartet, könne es sein, dass die 35 mit dem aktuellen Lockdown nicht zu erreichen sei, sagte der Leiter der Abteilung System Immunologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig der Deutschen Presse-Agentur. »Das macht deutlich, dass jede Form von Öffnungen zum jetzigen Zeitpunkt ein hohes Risiko birgt, die gesetzten Ziele nicht erreichen zu können.«

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken warnte in der Öffnungsdebatte vor zu frühen Versprechungen. »Angesichts der noch immer unklaren Situation hinsichtlich der Verbreitung und Auswirkung von Virusmutanten müssen wir aber weiterhin auf Sicht fahren und dürfen keine Versprechen abgeben, die wir nicht halten können«, sagte Esken der Düsseldorfer »Rheinischen Post« (Dienstag). Zugleich merkte sie an, ein bundesweit abgestimmter und nachvollziehbarer Stufenplan müsse sich »strikt am Infektionsgeschehen orientieren«.

Für Linksfraktionschefs Dietmar Bartsch muss ein Stufenplan Zahlen wie die Inzidenz, die Belegung der Intensivbetten und den Reproduktionswert beinhalten, wie er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte. »Und diesen Stufenplan, der hoffentlich im Kanzleramt für die Ministerpräsidentenkonferenz am 3. März erarbeitet wird, den muss die Kanzlerin vorher im Bundestag vorstellen.« (dpa)