Die UN-Vollversammlung hat eine Resolution zur Verbesserung der humanitären Situation und für eine sofortige Waffenruhe im Gazastreifen verabschiedet. Das Papier erreichte in New York eine notwendige Zweidrittelmehrheit.
120 Länder stimmten dafür, 14 dagegen, 45 enthielten sich, darunter auch Deutschland. Resolutionen der UN-Vollversammlung sind allerdings nicht rechtlich bindend, sondern gelten als symbolisch. Der mächtigere UN-Sicherheitsrat, dessen Resolutionen bindend sind, war zuvor mehrfach an der Verabschiedung einer Resolution mit humanitärem Fokus zur Situation im Gazastreifen gescheitert.
Die nun verabschiedete Resolution verurteilt unter anderem jegliche Gewalt gegen israelische und palästinensische Zivilisten, fordert die sofortige und bedingungslose Freilassung aller Zivilisten, die »illegal festgehalten« werden, und verlangt ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe in den Gazastreifen. Außerdem ruft der Text zu einer »sofortigen dauerhaften und nachhaltigen humanitären Waffenruhe« auf, die zu einer »Einstellung der Feindseligkeiten« führen solle.
Israel verurteilt Resolution - Hamas begrüßt sie
Bei den Konfliktparteien stieß die Resolution erwartbar auf unterschiedliches Echo. »Wir lehnen den verabscheuungswürdigen Ruf der UN-Generalversammlung nach einem Waffenstillstand entschieden ab«, schrieb Israels Außenminister Eli Cohen in der Nacht auf der Plattform X, vormals Twitter. »Israel beabsichtigt, die Hamas zu eliminieren.« So sei die Welt auch mit den Nazis und der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verfahren, schrieb er weiter.
Israels UN-Botschafter Gilad Erdan sprach nach der Abstimmung in der UN-Vollversammlung in New York von einem »dunklen Tag für die UN und für die Menschheit«, der mit Schande in die Geschichte eingehen werde. Jeder habe gesehen, dass die Vereinten Nationen »keine Unze Legitimität oder Relevanz« mehr hätten
Die im Gazastreifen herrschende und für den Großangriff auf Israel am 7. Oktober verantwortliche Islamistenorganisation Hamas lobte dagegen die Annahme der Resolution und forderte die UN auf, Maßnahmen zu ihrer Umsetzung zu ergreifen.
Darum hat sich Deutschland enthalten
Außenministerin Annalena Baerbock begründete die Enthaltung Deutschlands damit, dass das Papier aus deutscher Sicht nicht ausgewogen genug sei. »Weil die Resolution den Hamas-Terror nicht klar beim Namen nennt, die Freilassung aller Geiseln nicht deutlich genug fordert und das Selbstverteidigungsrecht Israels nicht bekräftigt, haben wir mit vielen unserer europäischen Partner entschieden, der Resolution am Ende nicht zuzustimmen«, sagte Baerbock nach der Abstimmung laut Mitteilung.
Kanada hatte zuvor einen Zusatz zu der Resolution eingebracht, der die »Terrorattacken der Hamas« und die Geiselnahmen verurteilt und die sofortige und bedingungslose Freilassung der Geiseln fordert. Dieser Zusatz verfehlte aber eine notwendige Zweidrittelmehrheit.
Vor der Abstimmung hatten sich die Mitgliedsländer gespalten gezeigt. Während beispielsweise die Vertreter Ägyptens und Katars für die Annahme der Resolution warben, sprachen sich die USA deutlich dagegen aus. Die Sitzung der UN-Vollversammlung war auch einberufen worden, weil sich der UN-Sicherheitsrat bislang nicht auf eine Resolution mit humanitärem Fokus hatte einigen können. Erst am Mittwoch waren erneut zwei Resolutionsentwürfe in dem Gremium gescheitert. Daraufhin kündigte Malta an, dass die zehn nicht-ständigen Mitglieder im Weltsicherheitsrat eine eigene Resolution vorlegen wollen.
Kritik an der deutschen Enthaltung
Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, forderte die Bundesrepublik auf, seinem Land bei den Vereinten Nationen klar den Rücken zu stärken. »Wir brauchen Deutschlands Unterstützung bei der UNO«, sagte Prosor in einem Grußwort zum Landesparteitag der nordrhein-westfälischen CDU in Hürth. Sich bei einer Abstimmung zu enthalten, »weil man nicht direkt sagen kann, dass Hamas für dieses grausame Massaker verantwortlich ist, ist nicht genug«, kritisierte er.
Auch die Deutsch-Israelische Gesellschaft kritisierte die Enthaltung Deutschlands bei einer Abstimmung über eine UN-Resolution zur humanitären Lage in Gaza scharf. »Wie kann Deutschland sich bei einer UN-Resolution enthalten, die als alleiniges Ziel hat, Israels Recht auf Selbstverteidigung zu delegitimieren? Deutschland hätte klar mit Nein stimmen sollen«, sagte der Präsident der Gesellschaft, Volker Beck, laut Mitteilung.
Appell von der Weltgesundheitsorganisation
Die WHO ruft die Konfliktparteien im Gaza-Krieg derweil erneut zu einer dringend benötigten Feuerpause auf. Berichte über Bombardierungen in der Nähe großer Krankenhäuser gäben Anlass zu großer Sorge. Die WHO bekräftigte, es sei unmöglich, Patienten zu evakuieren, ohne ihr Leben zu gefährden. Kliniken im gesamten Gazastreifen seien aufgrund der bisher Verletzten bereits ausgelastet und könnten den dramatischen Anstieg der Patientenzahlen nicht verkraften, während sie gleichzeitig Tausende von Zivilisten beherbergten.
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