Der Befehlshaber des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr, Brigadegeneral Ansgar Meyer, sieht den von Extremismusfällen erschütterten Eliteverband nun »auf einem guten Weg«. »Mit dem aktuellen Stand des Reformprozesses hat das KSK die Chance, sich wieder auf den Einsatz und die Einsatzbereitschaft zu konzentrieren. Das ist wichtig«, sagte Meyer der Deutschen Presse-Agentur ein Jahr nach seinem Dienstantritt und wenige Tag vor dem formalen Abschluss eines 60-Punkte-Programms für Veränderungen. Meyer war auch letzter Befehlshaber des deutschen Kontingents in Afghanistan, bevor er im September vergangenen Jahres nach Calw in Baden-Württemberg an den Standort des KSK wechselte.
»Der überwiegende Großteil des KSK hat treu und loyal seinen Auftrag ausgeführt. Diese Frauen und Männer gehen den eingeschlagenen Reformprozess aus tiefer Überzeugung mit«, sagte Meyer. Wegen der besonderen Kameradschaft und dem nötigen Vertrauensverhältnis sei in der Vergangenheit nicht früh genug reagiert worden. »Falsche Entwicklungen wurden nicht frühzeitig erkannt und nicht gegengesteuert. Nach einem Jahr als verantwortlicher Kommandeur glaube ich, dass da einiges hätte vermieden werden können«, sagte er.
Zukunft stand auf der Kippe
Vor gut zwei Jahren schien die weitere Zukunft der Eliteeinheit auf der Kippe zu stehen. Es hatte rechtsradikale Vorfälle, den Fund eines Waffenverstecks bei einem Soldaten sowie Unregelmäßigkeiten im Umgang mit Munition gegeben. Die 2. KSK-Kompanie war im Juli 2020 aufgelöst worden. Allerdings waren viele Beschuldigte zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr dort.
Am Dienstag wird in Calw das KSK-Besucherzentrum eröffnet. Es soll für eine transparentere Öffentlichkeitsarbeit stehen und zu einer besseren Integration des KSK in der Bundeswehr und in der Gesellschaft beitragen.
Die Änderung der sicherheitspolitischen Lage in ganz Europa nach dem russischen Angriff auf die Ukraine ist nun auch beim KSK angekommen. Der Verband ist nach den Worten Meyers bereit für Aufträge zur Verteidigung der Partner im transatlantischen Bündnis. Die Planungen dafür würden in der Nato gerade neu behandelt. Mit Litauen gebe es bereits ein Partnerprogramm und eine verstärkte Zusammenarbeit, die später auf die anderen baltischen Staaten und auf Polen ausgeweitet werden solle.
Hier wird das KSK eingesetzt
Zum Aufgabengebiet von Spezialkräften gehören Geiselbefreiung und Evakuierungseinsätze, aber auch die Aufklärung hinter gegnerischen Linien und die Bekämpfung sogenannter Hochwertziele. »Wir haben viele Fähigkeiten. Passen diese Fähigkeiten noch zu einem erweiterten Aufgabenspektrum? Das muss jetzt kritisch überprüft werden. Das muss natürlich auch politisch getragen werden«, sagte Meyer. Und: »Es gibt Spezialkräfte auf der Welt, die auch offiziell im Portfolio haben, Staaten zu destabilisieren. Das wäre für mich schwer vorstellbar aus deutscher Sicht.«
So wie das KSK ausgebildet sei, könne das Kommando durchaus auch Aufträge im Rahmen der Bündnisverteidigung durchführen, »die mit einem geringen Kräfteansatz einen relativ hohen Effekt erzielen können«, sagte Meyer. Über die Möglichkeiten und Grenzen müsse es eine Diskussion geben. Meyer: »Ich würde im Augenblick den Auftrag von Spezialkräften in einem solchen Fall eher darin sehen, Spezialkräfte zu bekämpfen, die versuchen uns anzugreifen. Also aufklären, bekämpfen, verhindern, dass das überhaupt passieren kann.«
So agieren Spezialkräfte in der Ukraine
Der Konflikt in der Ukraine zeige, dass Spezialkräfte vielfältig eingesetzt würden und nicht immer in Spezialoperation. Meyer: »Gerade die ukrainischen Spezialkräfte haben im Jagdkampf viele Lagen lösen können, Widerstand leisten können, Angriffsspitzen zum Stehen bringen können, weil sie hochprofessionell, gut ausgebildet, gut ausgestattet, schnell reagieren konnten.«
Meyer wies auf die Tragweite von Einsatzentscheidungen hin: »Man muss sich darüber im Klaren sein, dass es keinen sauberen Krieg gibt. Es wird immer Kollateralschäden, es wird immer Opfer geben.«
Geeignete Soldaten für das KSK in ausreichender Zahl zu finden, bleibt eine schwierige Aufgabe. »Ich brauche den Kommandosoldaten, der ein fünfstöckiges Haus im Sturm nehmen kann und oben noch so fit ist, auch mental, zu entscheiden: Schießen oder nicht schießen«, sagte Meyer. Da müsse »alles stimmen und stimmig sein«. »Letztlich, wenn es darauf ankäme zum Beispiel eine Geisel zu befreien, muss man in Bruchteilen von Sekunden entscheiden: Das ist die Geisel. Das ist möglicherweise ein Geiselnehmer, der uns beide, die Geisel und mich gefährdet. Und das ist ein Unbeteiligter.« Das Zusammenspiel in den kleinen Gruppen sei ein Schlüssel zum Erfolg. Der General: »Unser Hauptwaffensystem ist das Team.«
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