BERLIN. Die Kritik an Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wächst auch in den Reihen der großen Koalition. CSU-Generalsekretär Markus Blume warf Spahns Ressort Versäumnisse beim Thema Schnelltests vor.
»Tests sind die Brücke bis zum Impfangebot für alle. Aber leider sehen wir auch hier wieder: Es wurde zu spät, zu langsam, zu wenig bestellt. Man muss deutlich sagen, es sind wohl Fehler im Bundesgesundheitsministerium passiert. Jetzt muss endlich geliefert werden«, sagte Blume der »Welt« (Samstag).
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) forderte mehr Anstrengungen bei der Corona-Impf- und Testkampagne. Der verfügbare Impfstoff müsse überall auch genutzt werden, sagte der Vizekanzler und SPD-Kanzlerkandidat am Samstag beim digitalen Parteitag der NRW-SPD. Überall müsse das Impfen so gut organisiert werden, dass die Impfdosen, die jetzt in großen Mengen kämen, auch genutzt würden.
Spahn verteidigte die Teststrategie der Bundesregierung. »Es war nie vereinbart, dass der Bund diese Tests beschafft«, sagte er bei einer digitalen Gesprächsrunde mit dem rheinland-pfälzischen CDU-Spitzenkandidaten Christian Baldauf. »Was vereinbart war, ist, dass wir mithelfen, dass sie zugänglich sind, dass sie verfügbar sind.« Schnelltests seien »mehr als genug verfügbar«, bekräftigte er. »Deswegen können wir ab Montag als Bund auch sagen, wir übernehmen die Kosten für einen Bürgertest für jeden, der sich mindestens einmal die Woche testen lassen will.« Die Strukturen dafür würden entstehen.
Kanzleramtschef Helge Braun machte unterdessen wenig Hoffnungen für Reisen über Ostern und blieb auch mit Blick auf den Sommerurlaub vorsichtig. »Ich bin sehr skeptisch, was Reisen an Ostern angeht«, sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). Für den Sommerurlaub sei es »ein bisschen kühn, darüber schon zu spekulieren«. Braun betonte aber: »Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir uns im Sommer - wie im vergangenen Jahr - draußen ziemlich normal bewegen können.«
Am Samstag begann der Verkauf von Selbsttests im Einzelhandel, den Auftakt machte Aldi. Die Selbsttests waren aber vielerorts innerhalb kürzester Zeit vergriffen. Der Discounter zeigte sich von dem Ansturm überrascht. »Die Artikel, die wir stationär in den Filialen vorrätig hatten, waren am Vormittag in den meisten unserer Filialen erwartungsgemäß ausverkauft«, teilten Aldi Süd und Aldi Nord mit. Das Interesse an den Tests habe »in dieser Intensität doch überrascht«. Mehrere andere Supermarkt- und Drogeriemarkt-Ketten planen den Verkaufsstart für die kommende Woche.
Kritik an der Teststrategie der Regierung kommt auch von den Grünen. »Längst hätte sie eine Teststrategie vorlegen und viele Millionen Tests kaufen können, aber nach Monaten gründet sie jetzt erstmal eine Task Force«, sagte Parteichefin Annalena Baerbock dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag). Dies sei ein »Wegducken vor Verantwortung«.
»Ich bin heute wirklich fast vom Stuhl gefallen, als die Bundesregierung jetzt ihren Gipfel abgesagt hat mit den Bundes-Wirtschaftsverbänden. Die jetzt darüber auch sehr fassungslos sind, dass Aldi und einige andere - Lidl, DM, Rossmann - die Schnelltests zur Verfügung stellen können, der Bund aber nicht«, sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki RTL und ntv. »Das ist wirklich ein Treppenwitz der Geschichte.«
Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem Robert-Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 9557 Corona-Neuinfektionen. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 300 neue Todesfälle verzeichnet. Das geht aus Zahlen des RKI vom Samstag hervor. Vor genau einer Woche hatte das RKI binnen eines Tages 9762 Neuinfektionen und 369 neue Todesfälle verzeichnet. Die Daten geben den Stand des RKI-Dashboards von 03.11 Uhr wieder, nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen des RKI sind möglich. Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag laut RKI am Samstagmorgen bundesweit bei 65,6 - und damit im Vergleich zum Vortag (65,4) und zum Samstag letzter Woche (63,8) etwas höher.
Nach einer Umfrage der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« (Samstag) unter den Gesundheits- und Sozialministerien der Bundesländer sind bisher mindestens 29.000 an Corona erkrankte Heimbewohner gestorben, etwa 40 Prozent der insgesamt an oder mit der Viruserkrankung Gestorbenen. Nicht alle Bundesländer weisen demnach aus, wie hoch der Anteil an allen Corona-Verstorbenen ist. Doch in denen, die es tun, seien die Zahlen teilweise hoch, so die Zeitung. Sie reichten von 25 Prozent in Sachsen und 29 Prozent in Sachsen-Anhalt über 35 Prozent in Niedersachsen, 39 Prozent in Baden-Württemberg und 40 Prozent in Nordrhein-Westfalen bis hin zu 47 Prozent im Saarland, 54 Prozent in Bayern und 60 Prozent in Hamburg. (dpa)