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Krisenstabschef Breuer: Corona-Impfzentren nicht aufgeben

Ein General leitet den Corona-Krisenstab der Bundesregierung. Er blickt mit seinem Team schon auf den Herbst. Möglich, dass diese Arbeitsweise auch eine Blaupause für die Bewältigung anderer Krisen ist.

Generalmajor Carsten Breuer
Generalmajor Carsten Breuer, Leiter des Corona-Krisenstabs, steht im Corona-Krisenstab im Bundeskanzleramt. Foto: Jens Kalaene
Generalmajor Carsten Breuer, Leiter des Corona-Krisenstabs, steht im Corona-Krisenstab im Bundeskanzleramt.
Foto: Jens Kalaene

Mit Blick auf den kommenden Herbst will der Leiter des Corona-Krisenstabes im Kanzleramt, Generalmajor Carsten Breuer, die Leistungsfähigkeit der Impfzentren aufrecht erhalten.

Bei weiteren nötigen Impfungen sei Grundvoraussetzung, dass die Infrastruktur stehe, »von der Logistik bis zum Stich in den Oberarm«, sagte Breuer der Deutschen Presse-Agentur. Er mahnte: »Wir müssen jetzt überlegen, ob wir wirklich Impfzentren schließen können und wenn, wie schnell wir sie dann wieder aufwachsen lassen können.« Es müsse geklärt werden, zu welchem Anteil niedergelassene Ärzte dann die Impfungen übernehmen könnten und was durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst abgedeckt sei. »Ziel muss es sein, dass wir falls nötig, und ich denke da in Worst-Case-Szenarien, dass wir dann innerhalb kürzester Zeit die gesamte Bevölkerung, also alle Impfwilligen in Deutschland, auch impfen können«, sagte Breuer.

Unsicherheit bleibt

Ende November hatte Olaf Scholz (SPD), damals noch designierter Bundeskanzler, den Offizier als neuen Corona-Koordinator der künftigen Bundesregierung vorgestellt. Breuer hatte zuvor die Amtshilfe der Bundeswehr geleitet, die Länder und Kommunen anfordern können, wenn sie ihre Aufgaben nicht mehr allein erfüllen können. Er führte das Kommando Territoriale Aufgaben (TA), das der operative Arm für Einsätze der Streitkräfte im Inland ist.

»Ein solches Telefonat wird vorher angekündigt. Aber ich habe mir bis zu diesem Telefonat nicht vorstellen können, warum der damalige Minister Scholz, mich anruft. Das habe ich erst im Laufe des Telefonats erfahren«, sagte Breuer nun. »Wir haben uns kurz über die Lage ausgetauscht und er, der jetzige Kanzler, hat mich dann gefragt, ob ich bereit sei, die Leitung des Krisenstabs im Bundeskanzleramt zu übernehmen.« Er habe mit einem ordentlichen Respekt vor der Aufgabe zugesagt.

In der Veränderung des Coronavirus bleibe eine große Unsicherheit bestehen, warnte Breuer. »Und mit dieser Unsicherheit müssen wir umgehen können. Aber auf diese Unsicherheit können wir uns vorbereiten«, sagte er. Neben dem Erhalt der Impflogistik nennt Breuer verschiedene andere Rahmenbedingungen von »Digitalisierung im Allgemeinen bis hin zur Datenerfassung in Echtzeit«, um eine Aussage über die Gefährlichkeit des Virus im Herbst treffen zu können.

Scholz habe von vornherein Nachhaltigkeit gefordert. Klar müsse sein, »dass wir im nächsten Herbst, also im Herbst 2022, nicht genauso überrascht werden, wie wir im Herbst 2021 überrascht worden sind«.

Gewachsener Krisenstab

Der Krisenstab war Ende vergangenen Jahres mit mehr als zehn Mitarbeitern gestartet und hatte in der Spitzenzeit etwa 30 Mitglieder. Ihm gehören Mitglieder der zuständigen Ministerien an sowie Experten des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Ein Vorteil: Für einzelne Aufgaben gab es ein einheitliches und bundesweites Lagebild. Höchststand bei den Impfungen war ein Tag im Dezember 2021, als 1,6 Millionen Impfungen verabreicht wurden.

Breuer ist überzeugt, dass sich die Arbeitsweise mit einer zentralen Stelle, die bündelt und koordiniert, bewährt hat. »Wir brauchen einen Rahmen, den wir für diejenigen setzen, die Krisen lösen sollen. Ich nenne es Kaltstartfähigkeit. Dies bedeutet, dass ich innerhalb kürzester Zeit in der Lage bin, das Problem, die Krise zu analysieren, dann Lösungsmöglichkeiten zu schaffen und diese auch umzusetzen«, sagte Breuer. Aus der Struktur eines Krisenstabs heraus könne man schneller handlungsfähig sein und handlungsfähig bleiben, als aus hergebrachten, normalen Stabsstrukturen. Dabei sei er »ein Fan unseres föderalen Systems«. Die Diversität mache Deutschland als Demokratie und Staat stark.

»Jede Krise ist anders«

Breuer stellt eine Erwartungshaltung fest, »dass sobald das Ereignis eintritt, dann auch die Lösung schon da sein muss« und verweist auf das Beispiel der Flutkatastrophe im Ahrtal sowie die Corona-Pandemie. »Als jemand, der Krisen lösen soll, kommen sie immer wieder in Situationen, wo sie erkennen, das habe ich vorher noch nicht so erlebt. Dafür gibt es auch kein Patentrezept. Dafür gibt es keine Lösung, die in einer Schublade liegt, sondern wir müssen sie uns jetzt erarbeiten«, sagte er. »Jede Krise ist anders, jede Problemstellung ist anders. Wir können uns einen Rahmen schaffen, in dem wir glauben, dass die nächste Krise auf uns zukommen wird und in diesem Rahmen können wir dann auch Vorbereitungen treffen.«

Breuer hatte seinen kleinen Stab mit Bundeswehr-Leuten aufgebaut. »Wir sind als Soldaten darauf trainiert, mit Krisenszenarien umzugehen. Wir sind gleich ausgebildet, wir haben eine gemeinsame Sprache. Wir wissen, wie wir uns in Krisen verhalten«, sagte Breuer, der sich trotz Vorsichtsmaßnahmen bereits zweimal mit Corona infiziert hat - einmal bevor Impfstoff zur Verfügung stand und erneut, nachdem er auch geboostert war.

»Es war beides Mal kein Spaß. Ich kann jedem nur raten, der sich im Moment noch nicht entschieden hat: Lassen Sie sich impfen, lassen Sie sich boostern. Die Verläufe sind dann harmloser, das können wir statistisch sehr gut sehen - und ich habe es erlebt. Auch die Todesrate geht deutlich herunter«, sagte Breuer. »Wir sind mit Omikron noch längst nicht durch. Auch wenn wir uns das alle gewünscht hätten, gerade wenn der Frühling so vor der Tür steht.«

© dpa-infocom, dpa:220321-99-605315/4