Das schwedische Militär soll künftig in den Kampf gegen die tödliche Bandenkriminalität im Land eingebunden werden. Das kündigte der konservative Ministerpräsident Ulf Kristersson nach einem Treffen mit dem militärischen Oberbefehlshaber Micael Bydén und dem nationalen Polizeichef Anders Thornberg an.
Die Regierung werde am Donnerstag einen Beschluss fassen, dass die Streitkräfte der Polizei im Rahmen der derzeitigen Gesetzeslage bei der Bekämpfung der kriminellen Gangs helfen könnten.
In einem zweiten Schritt müsse die geltende Gesetzgebung geändert werden, um der Polizei größere Möglichkeiten beim Anfordern von Hilfe zu geben, sagte der Regierungschef. Justizminister Gunnar Strömmer ergänzte: »Es ist offensichtlich, dass wir alles tun müssen, um die Polizei bei dieser wichtigen Aufgabe zu unterstützen.«
Konflikte im Drogenmilieu
Schweden ringt schon seit Jahren mit der Bandenkriminalität, die sich in erster Linie um die Markthoheit im lukrativen Drogengeschäft dreht. Immer wieder kommt es dabei zu tödlichen Schüssen und vorsätzlich herbeigeführten Explosionen. In diesem Monat eskalierte die Gewalt abermals, was mit einem vermuteten Konflikt innerhalb des kriminellen Foxtrot-Netzwerks zusammenhängen soll.
Besonders die Hauptstadtregion rund um Stockholm und die nahe gelegene Universitätsstadt Uppsala sind davon betroffen. Elf Menschen wurden im September bereits erschossen, darunter auch Unbeteiligte. Zudem starb am Donnerstag eine junge Frau bei einer Explosion.
Immer häufiger zählen dabei Minderjährige zu Tätern und Opfern. Sie würden bewaffnet und mit Instruktionen ausgestattet, um Angriffe zu verüben, sagte der nationale Polizeichef Anders Thornberg bei einer Pressekonferenz in Stockholm. Kinder kontaktierten die kriminellen Netzwerke sogar selbst, um einen Mord begehen zu dürfen.
Leider spreche nur wenig dafür, dass die Gewalt bald aufhören werde, sagte Thornberg. Vielmehr halte man es für wahrscheinlich, dass es neue Vorfälle geben werde, ehe sich der Trend umkehre. Es handele sich um »terrorähnliche Gewalttaten«. Nicht nur eine Grenze sei überschritten worden - sondern gleich mehrere.
Gesetzgebung nicht auf »Bandenkrieg und Kindersoldaten« ausgelegt
Angesichts dieser verheerenden Lage wünscht sich die schwedische Polizei Entlastung. »Die Polizei kann die ganze Arbeit gegen die Kriminalität nicht alleine leisten«, sagte der Ministerpräsident. Seine Regierung will nun möglich machen, dass die Streitkräfte der Polizei Personal und Ausrüstung zur Verfügung stellen. Dabei könne es sich zum Beispiel um Expertise bei Sprengmitteln, um Hubschrauber, Hilfe bei Analysen und der forensischen Arbeit handeln.
Den Ernst der Lage hatte der seit knapp einem Jahr regierende Ministerpräsident bereits am Donnerstagabend in einer Rede an die Nation unterstrichen. Er machte dabei jahrelange politische Naivität für die Situation verantwortlich. »Eine verantwortungslose Einwanderungspolitik und eine gescheiterte Integration haben uns hierher geführt.« Ausgrenzung und Parallelgesellschaften böten den Nährboden für kriminelle Banden. »Dort können sie rücksichtslos Kinder anwerben und künftige Mörder ausbilden«, sagte Kristersson.
Die schwedische Gesetzgebung sei nicht auf »Bandenkrieg und Kindersoldaten« ausgelegt, betonte der Konservative weiter. Seine Regierung ändere dies nun, sowohl in der Migrations- als auch in der Kriminalpolitik. Jugendgefängnisse sollten gebaut werden, um junge Straftäter von erwachsenen Kriminellen zu trennen. Außerdem werde daran gearbeitet, dass alle Kinder die schwedische Sprache lernten.
»Wir werden die Gangs jagen, und wir werden die Gangs besiegen«, sagte Kristersson. »Wir werden sie vor Gericht stellen. Sind sie schwedische Staatsbürger, werden sie mit sehr langen Haftstrafen eingesperrt. Sind es ausländische Staatsbürger, werden sie außerdem ausgewiesen.«
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