Schärfere Sanktionen gegen Russland, Diskussionen über neue Waffenhilfe und Reisediplomatie: An diesem Wochenende werden die Weichen für eine noch größere Unterstützung der Ukraine im russischen Angriffskrieg gestellt. Nach Reisen quer durch Europa sprach Präsident Wolodymyr Selenskyj am Freitag auf dem Gipfeltreffen der Arabischen Liga in Saudi-Arabien Klartext.
Anschließend will er beim Gipfel der führenden demokratischen Wirtschaftsmächte (G7) in Japan für mehr Hilfe werben. Selenskyjs Teilnahme am Gipfel bestätigte der Chef des ukrainischen Präsidentenbüros, Andrij Jermak, am Freitagabend im ukrainischen Fernsehen.
Selenskyj wolle sich in Hiroshima unter anderem mit US-Präsident Joe Biden treffen. In erster Linie wolle der ukrainische Präsident mit dem US-Kollegen über die von diesem verkündete Beteiligung der Vereinigten Staaten an der sogenannten Kampfjet-Koalition sprechen. »Ich kann heute offiziell über die Bildung der Flugzeug-Koalition sprechen, und das bedeutet, dass die Ukraine sehr bald alles zum Schutz ihres Himmels, ihrer Städte und Bürger haben wird«, sagte Jermak.
Unterstützung für Ukraine bei G7-Gipfel
Biden hatte die Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten bei den Beratungen in Hiroshima informiert, dass die Vereinigten Staaten die Ausbildung ukrainischer Piloten an Kampfflugzeugen der vierten Generation, einschließlich der F-16, unterstützen werden. Das teilte ein ranghoher US-Beamter mit. Zunächst sollten Piloten ausgebildet werden. Dann werde man entscheiden, wann und wie viele Flugzeuge geliefert werden und wer sie zur Verfügung stellt, sagte er. Mit der Zusage erfüllt Biden Selenskyj einen bereits vor Monaten vorgebrachten Wunsch.
Bisher unterstützen Großbritannien, die Niederlande, Belgien und Dänemark diese Kampfjet-Koalition. Auch Frankreich wird dazugerechnet, obwohl das Land keine F-16-Jets besitzt. Selenskyj hat die Unterstützung der USA für die sogenannte Kampfjet-Koalition als »historische Entscheidung« begrüßt. »Dies wird unsere Armee am Himmel erheblich stärken«, twitterte Selenskyj am frühen Freitagabend. »Ich freue mich darauf, die praktische Umsetzung dieser Entscheidung während des #G7-Gipfels in Hiroshima zu erörtern.«
Die Gruppe der 7 (USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan, Deutschland sowie die EU) einigte sich außerdem darauf, den Handel mit Diamanten aus Russland zu beschränken. Russland gilt als weltweit größter Produzent von Rohdiamanten. Die Einnahmen lagen 2021 bei vier Milliarden Euro. Die EU hat den Handel bislang nicht eingeschränkt, vor allem wegen des Widerstands aus Diamantenzentren in Belgien.
Selenskyj erstmals bei der Arabischen Liga
Auch dieser Teil der Reisediplomatie ist für Selenskyj wichtig. Viele arabische Länder pflegen meist gute Beziehungen mit Russland und bemühen sich im Ukraine-Krieg um Neutralität. »Leider drücken einige auf der Welt und hier in Ihrem Kreis ein Auge zu«, sagte Selenskyj in Dschidda. Einige Gipfel-Teilnehmer hätten »eine andere Ansicht zum Krieg auf unser Land und bezeichnen ihn als Konflikt.«
Arabische Diplomaten sagten, der Besuch biete eine Gelegenheit, um über eine Lösung zu sprechen. Dabei könnten auch Wege zur Aufnahme direkter Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew diskutiert werden. Saudi-Arabien bot sich mehrfach als Vermittler an.
Moskau verhängt Einreiseverbot für 500 US-Bürger
Als Reaktion auf ein neues Sanktions-Paket der USA gegen Russland hat Moskau ein Einreiseverbot gegen 500 US-Bürger verhängt. Dies sei die Antwort auf die »regelmäßigen antirussischen Sanktionen« der Biden-Regierung, deren Absicht es sei, Russland maximalen Schaden zuzufügen, teilte das Außenministerium in Moskau am Freitag mit. In der Auflistung ist auf Position 268 auch der frühere US-Präsident Barack Obama neben anderen aktuellen und ehemaligen Politikern. Die Liste enthalte auch »Leiter von Unternehmen des militärisch-industriellen Komplexes, die Waffen an das Regime in Kiew liefern«.
Ukraine berichtet von Geländegewinnen bei Bachmut
Die ukrainischen Truppen haben nach eigener Darstellung bei Gegenangriffen um die Stadt Bachmut im Osten des Landes Gelände gewonnen. »Der Feind setzt seine Sturmangriffe innerhalb der Stadt fort«, sagte der Sprecher der ukrainischen Heeresgruppe Ost, Serhij Tscherewatyj, am Freitag im Staatsfernsehen. Die ukrainischen Einheiten dagegen setzten die russischen Truppen außerhalb der Stadt unter Druck und rückten dort weiter vor.
»Die Lage in Bachmut ist schwierig, aber unter Kontrolle«, sagte Tscherewatyj. »Wir können die Absichten des Feindes erkennen, sie vorhersehen, ihnen zuvorkommen.« Allmählich verlören die russischen Truppen die Initiative.
Serie von Explosionen am Flughafen von Mariupol
Der Flughafen der von russischen Truppen besetzten Hafenstadt Mariupol im Südosten der Ukraine ist am Freitagabend von einer Serie von Explosionen erschüttert worden. Das berichtete die russische Staatsagentur Tass unter Berufung auf die örtlichen Behörden.
In sozialen Netzwerken kursierten Videoaufnahmen von Explosionen, deren Grund und Auswirkungen vorerst nicht bekannt waren. Weder das russische noch das ukrainische Militär äußerten sich zu dem Zwischenfall. Russische Truppen hatten die Hafenstadt am Asowschen Meer im Vorjahr nach monatelangen schweren Kämpfen erobert. Dabei wurden große Teile der Stadt zerstört.
Anschlag auf Bahnstrecke mit Folgen für russische Flotte
Ein mutmaßlicher Anschlag auf eine wichtige Bahnstrecke auf der von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim hat nach Einschätzung britischer Geheimdienste auch Folgen für die russische Schwarzmeerflotte. Es sei die einzige Zugverbindung in den Hafen Sewastopol, wo die Flotte stationiert sei, teilte das britische Verteidigungsministerium mit.
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