Vor dem ukrainischen Nationalfeiertag an diesem Mittwoch nehmen die Sorgen vor neuen russischen Angriffen zu. Die USA forderten ihre Bürger auf, das Land sofort zu verlassen. Auf einer Konferenz in Kiew warb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj um weitere internationale Unterstützung - auch zur Rückeroberung der von Russland annektierten Halbinsel Krim.
Deutschland versprach Beistand. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte umfangreiche weitere Waffenlieferungen an. Am Mittwoch dauert der Krieg in der Ukraine ein halbes Jahr.
Scholz kündigt umfangreiche weitere Waffenlieferungen für Ukraine an
Deutschland habe ein neues Rüstungspaket auf den Weg gebracht, das hochmoderne Flugabwehrsysteme, Raketenwerfer, Munition und Anti-Drohnen-Geräte umfasse, sagte Kanzler Scholz aus Kanada zugeschaltet. Wie ein Regierungssprecher auf Anfrage mitteilte, soll Kiew drei weitere Flugabwehrsysteme des Typs Iris-T, ein Dutzend Bergepanzer und 20 auf Pick-ups montierte Raketenwerfer erhalten. Insgesamt geht es nach Angaben des Sprechers um Rüstungsgüter im Wert von deutlich mehr als 500 Millionen Euro.
Das Geld müsse vom Haushaltsausschuss noch freigegeben werden. Die Waffen sollen »maßgeblich in 2023« geliefert werden, »einiges deutlich früher«. Das Paket umfasst den Angaben zufolge außerdem Präzisionsmunition. Es sei der Einstieg in eine nachhaltige Modernisierung der ukrainischen Streitkräfte, erläuterte der Regierungssprecher. Ein Teil der genannten Rüstungsgüter - etwa die 20 Raketenwerfer - taucht schon seit einigen Tagen auf einer im Internet veröffentlichten Regierungs-Liste geplanter Unterstützungsleistungen auf.
Scholz sagte der Ukraine bei der Krim-Konferenz anhaltende Unterstützung im Krieg gegen Russland zu. »Die internationale Gemeinschaft wird Russlands illegale, imperialistische Annexion ukrainischen Territoriums niemals akzeptieren.« Deutschland werde fest an der Seite der Ukraine stehen und sich mit seinen Partnern auch an deren Wiederaufbau beteiligen.
Selenskyj: Krim ist »Teil unseres Volkes, unserer Gesellschaft«
Selenskyj bekräftigte den Anspruch auf die Krim: »Ich möchte, dass Sie alle wissen: Wir werden auf jeden Fall zurückkommen!« Er warf Teilen der internationalen Gemeinschaft vor, die Ereignisse auf der Schwarzmeer-Halbinsel nach der russischen Annexion 2014 ausgeblendet zu haben. Für die Ukraine sei die Krim aber nicht irgendein Gebiet, sondern »Teil unseres Volkes, unserer Gesellschaft«. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg versprachen Hilfe.
Stoltenberg dringt auf weitere Unterstützung für Ukraine
Der Nato-Generalsekretär warnte zudem vor einem Nachlassen der militärischen und finanziellen Unterstützung für die Ukraine. »Ich sage nicht, dass es einfach ist. Es verlangt harte Arbeit«, sagte Stoltenberg in einem Interview mit dem Nachrichtenportal »ZDFheute.de« (Dienstag). Zwar würden die Staaten für ihre Unterstützung »einen Preis bezahlen«, etwa »als Konsequenz der Sanktionen und natürlich infolge der Tatsache, dass Russland Energie als Waffe nutzt«. Aber es gebe »keine Alternative«, so Stoltenberg. Nicht zu handeln, schaffe für alle »eine gefährlichere Welt.«
Furcht vor verstärkten russischen Angriffen
Angesichts von Befürchtungen über verstärkte russische Angriffe in den kommenden Tagen veröffentlichte die US-Botschaft in Kiew eine neue Sicherheitswarnung. Darin heißt es: »Das (US-)Außenministerium verfügt über Informationen, wonach Russland seine Bemühungen verstärkt, in den kommenden Tagen Angriffe gegen die zivile Infrastruktur der Ukraine und Regierungseinrichtungen zu starten.« Die Ukraine feiert am Mittwoch den 31. Jahrestag ihrer Unabhängigkeit von der Sowjetunion.
Moskau sucht nach Mord an Dugina mögliche weitere Beteiligte
Nach dem Mord an der kremlnahen Kriegsbefürworterin Darja Dugina suchen die Ermittler nach möglichen weiteren Beteiligten an der Autoexplosion vom Wochenende. Zudem solle die aus der Ukraine stammende Tatverdächtige zur Fahndung ausgeschrieben werden, teilte das nationale Ermittlungskomitee in Moskau mit. Verwandte der des Verbrechens beschuldigten Frau erklärten nach Berichten russischer Medien, sie habe nur Duginas Gewohnheiten ausspioniert, aber keine Bombe gelegt. Die 29 Jahre alte Dugina wurde unter Anteilnahme von Politik und Staatsmedien am Dienstag beerdigt.
Polens Präsident fordert Beseitigung von Nord Stream 2
Der polnische Präsident Andrzej Duda forderte eine Beseitigung der brachliegenden Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 zwischen Russland und Deutschland. Wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine könne es im Verhältnis zu Moskau keine Rückkehr zur Normalität geben, sagte Duda bei den Gesprächen der Krim-Plattform. Deshalb sei ein andere Politik des Westens nötig, »die nicht nur dazu führt, Nord Stream 2 zu stoppen, sondern Nord Stream 2 zu beseitigen«, sagte Duda der Agentur PAP zufolge. Polen und andere östliche EU-Länder kritisieren das russisch-deutsche Projekt seit Jahren, weil es den Gastransit durch die Ukraine aushebelt.
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