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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Seit Wochen wird über den Beginn einer ukrainischen Großoffensive spekuliert. Laut Nato hat die Ukraine dafür Hunderte Panzer erhalten. Aber Kiew legt die Latte lieber nicht zu hoch. Die News im Überblick.

Soldat
Ein ukrainischer Soldat mit einer Flugabwehrrakete vom Typ Igla in der Region Donezk. Foto: Libkos
Ein ukrainischer Soldat mit einer Flugabwehrrakete vom Typ Igla in der Region Donezk.
Foto: Libkos

Mit der möglicherweise kurz bevorstehenden ukrainischen Frühjahrsoffensive sind in dem von Russland angegriffenen Land große Hoffnungen verbunden. Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow hat nun aber vor zu hohen Erwartungen gewarnt.

»Sie sind definitiv überhöht, alle möchten den nächsten Sieg«, sagte der 56-Jährige in einem Interview der Nachrichtenagentur RBK-Ukrajina. Resnikow erinnerte daran, dass anfänglich nur gehofft wurde, dass das Land irgendwie überlebt. »Doch als die Streitkräfte der Ukraine Erfolge zeigten, begannen alle an den Sieg zu glauben«, führte der Minister aus.

Zuversichtlich äußerte sich unterdessen Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Der Westen habe der Ukraine in den vergangenen Monaten 230 Panzer und mehr als 1550 gepanzerte Fahrzeuge für mehr als neun Panzerbrigaden geliefert. Sie bestehen jeweils aus mehreren Tausend ukrainischen Soldatinnen und Soldaten. »Damit wird die Ukraine in eine starke Position versetzt, besetztes Territorium zurückzuerobern«, sagte Stoltenberg am Rande eines Treffens mit dem luxemburgischen Regierungschef Xavier Bettel in Brüssel. Sein Sprecher ergänzte, insgesamt habe die Ukraine seit Kriegsbeginn »Hunderte Panzer« und »Tausende andere gepanzerte Fahrzeuge« erhalten.

Zugleich warnte Stoltenberg davor, die Fähigkeiten der russischen Streitkräfte zu unterschätzen. Sie versuchten, mangelnde Qualität durch Quantität auszugleichen. »Wir sehen, dass Russland weiter mehr Personal mobilisiert«, sagte er. Bei den Kämpfen um die ukrainische Stadt Bachmut habe man zudem gesehen, dass Russland bereit sei, eine hohe Zahl an Toten und Verletzten in Kauf zu nehmen.

Russland ist vor über 14 Monaten in die Ukraine einmarschiert. Den ukrainischen Truppen gelang es dabei, anfängliche russische Erfolge zu größeren Teilen rückgängig zu machen. Moskau kontrolliert aber weiterhin einschließlich der bereits 2014 annektierten Halbinsel Krim fast 20 Prozent des ukrainischen Staatsgebiets.

London: Russen schichten Sandsäcke zur Verteidigung auf AKW-Dach

Das britische Verteidigungsministerium berichtete im täglichen Geheimdienstupdate, die russischen Besatzungstruppen bereiteten sich offenbar auf einen Kampf um das Atomkraftwerk Saporischschja vor. Auf Satellitenbildern sei zu sehen, dass auf den Dächern der Reaktoren teilweise Verteidigungsstellungen mit Sandsäcken geschaffen wurden. »Russland hat diese Stellungen wahrscheinlich errichtet, weil es zunehmend besorgt ist über die Aussicht auf eine große ukrainische Offensive«, hieß es in der Mitteilung. Der Schritt erhöhe das Risiko von Schäden an dem Sicherheitssystem des Atomkraftwerks, sollten dort Kämpfe stattfinden. Katastrophale Schäden an den Reaktoren seien aber in den meisten plausiblen Szenarien mit Infanterie-Waffen unwahrscheinlich, da die Gebäudestrukturen sehr gut bewehrt seien.

Tote nach russischen Angriffen - Selenskyj prangert »Terror« an

Bei neuen russischen Angriffen wurden nach ukrainischen Angaben mindestens sechs Menschen getötet und mehr als 20 weitere verletzt. In der Stadt Mykolajiw im Süden schlugen nach Behördenangaben vier Raketen vom Typ Kalibr ein. Dabei starb ein Mensch, 23 weitere wurden verletzt. Es habe sich um den schwersten Schlag seit vier Monaten gehandelt, hieß es. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf Russland »Terror« vor. In den Gebieten Saporischschja und Donezk teilten die Behörden mit, dass bei russischen Angriffen am Vortag fünf Menschen getötet und vier weitere verletzt worden seien. Russland zeige, dass das Hauptziel dieses Kriegs »Terror, die Zerstörung der Ukrainer und von allem Ukrainischen ist«, sagte Selenskyj. Die Raketen auf Mykolajiw seien vom Schwarzen Meer aus gezielt auf Privathäuser, ein historisches Gebäude und auf ein Hochhaus abgefeuert worden.

Moskau reagiert zurückhaltend auf Peking-Kiew-Gespräch

Nach dem international positiv bewerteten ersten Telefonat Selenskyjs mit Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping hat sich Moskau zurückhaltend geäußert. »Wir sind bereit, alles zu begrüßen, was eine Beendigung des Konflikts und das Erreichen aller von Russland gesteckten Ziele näher bringt«, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der russischen staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge. Russland fordert etwa einen Verzicht der Ukraine auf einen Nato-Beitritt, weil sich die Atommacht dadurch in ihrer Sicherheit bedroht sieht.

Die russische Führung hatte sich auch nach einem Besuch von Xi im März in Moskau offen gezeigt für die Bemühungen Pekings um eine Waffenruhe und Friedensverhandlungen. Der prominente russische Außenpolitiker Leonid Sluzki kritisierte nach dem Telefonat Selenskyjs mit Xi, dass Kiew weiter auf seinen Positionen beharre und eine Feuerpause ablehne. Kiew fordert den Abzug aller russischen Truppen.

Schmyhal: Ukraine bis Jahresende bereit für EU-Beitrittsverhandlungen

Die Ukraine will noch in diesem Jahr mit den Verhandlungen über einen EU-Beitritt beginnen, sagte Ministerpräsident Denis Schmyhal in Rom. »Die Ukraine hat alle sieben Empfehlungen der Europäischen Kommission, die wir beim Erhalt des Kandidatenstatus bekamen, umgesetzt«, betonte der Politiker, der für eine Wiederaufbaukonferenz seines Landes in Italien war und auch Papst Franziskus im Vatikan traf. Schmyhal bat Franziskus, sich dafür einzusetzen, dass von russischen Behörden verschleppte Kinder in ihre Heimat zurückkehren können. Zudem lud Schmyhal den Papst in die Ukraine ein.

Selenskyj-Ansprache

Interview, Ukrainisch/Russisch

Website der Nato

Mitteilung des britischen Verteidigungsministeriums

Selenskyjs Mitteilung

Pk auf Facebook-Seite von Stampa Estera

Bericht zu Papst-Audienz auf offiziellem Portal Vatican News

© dpa-infocom, dpa:230427-99-465641/4