Im Ukraine-Krieg ist es in Europas größtem Atomkraftwerk nach Beschuss erneut zu einer Notabschaltung gekommen. In dem von russischen Truppen besetzten AKW Saporischschja musste der sechste und letzte Reaktor heruntergefahren werden. Eine Hochspannungsleitung sei wegen eines Brandes abgeschaltet worden, teilte der ukrainische Atomkraftwerksbetreiber Enerhoatom mit. Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal sagte in Brüssel, dass sein Land die Bedingungen für Beitrittsgespräche bis Ende 2022 erfüllen wolle.
Saporischschja erneut unter Feuer
Laut dem AKW-Betreiber führte der Brand der Hochspannungsleitung zur Notabschaltung des letzten in Betrieb befindlichen sechsten Blocks. Block fünf war bereits am Samstag abgeschaltet worden. Aktuell bestehe die Gefahr, gegen den Strahlen- und Brandschutz zu verstoßen, hieß es weiter. Innerhalb der vergangenen drei Tage wurden laut Betreiber alle fünf Hochspannungsleitungen zum AKW und dem nahen Wärmekraftwerk durch Artilleriebeschuss beschädigt. Es bestehe keine Verbindung mehr zum ukrainischen Stromnetz.
Vor anderthalb Wochen, am 25. August, hatte es ebenfalls eine Notabschaltung der zwei in Betrieb befindlichen Reaktoren mit anschließendem Stromausfall in den besetzten südukrainischen Gebieten gegeben.
Nach Darstellung von Enerhoatom dauert die Mission der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) dort an. Von den zuletzt sechs Experten haben nach russischen Angaben vier die Anlage - wie von der IAEA geplant - inzwischen verlassen. Die IAEA-Experten sind seit Donnerstag in dem AKW, um nach Schäden zu suchen.
Enerhoatom beklagte im Nachrichtenkanal Telegram, dass Russland Militär, Waffen und Munition auf dem Gelände stationiert habe. Das bestreitet Moskau. Es lehnt auch eine Rückgabe des AKW ab, weil die Ukraine dessen Sicherheit nicht gewährleisten könne.
Ukraine will EU-Bedingungen rasch erfüllen
Die Ukraine will bis Jahresende die Voraussetzungen der EU für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen erfüllen. »Bis Ende des Jahres haben wir die Absicht, alle sieben Bedingungen zu erfüllen, die uns bei der Vergabe des Kandidatenstatus gestellt wurden«, sagte der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal am Montag bei Gesprächen mit EU-Vertretern in Brüssel. Regierung und Gesellschaft seien absolut einig, das Ziel des EU-Beitritts zu erreichen. Die EU hatte die Ukraine im Juni offiziell zum Beitrittskandidaten gemacht.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schloss mit Schmyhal ein Abkommen über weitere Hilfen von 500 Millionen Euro. Das Geld soll vor allem für die Versorgung von Binnenflüchtlingen in der Ukraine und für die Landwirtschaft eingesetzt werden. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs hat die Ukraine von der EU bereits Kredite und Zuschüsse in Höhe von 5,4 Milliarden Euro erhalten. Zudem wurden 2,5 Milliarden Euro für militärische Unterstützung mobilisiert.
Die Nato kündigte an, ukrainische Truppen mit Winterausrüstung auszustatten. Unter anderem sollen warme Kleidung, Winterstiefel und Zelte geliefert werden, wie Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur bestätigten. Dafür stünden rund 40 Millionen Euro zur Verfügung. Die Pläne wurden auf Bitten des ukrainischen Verteidigungsministers Olexij Resnikow erarbeitet.
Russische Besatzer verschieben Pläne für Volksabstimmung
Die Pläne für ein Referendum über einen Beitritt der besetzten südukrainischen Region Cherson zu Russland sind nach Angaben der Besatzungsmacht verschoben worden. Aus Sicherheitsgründen werde eine Pause gemacht, sagte der Vertreter der russischen Militärverwaltung, Kirill Stremoussow, der russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge. Das Referendum soll die Herrschaft der russischen Truppen über das Gebiet legalisieren.
Die ukrainische Armee hat Ende August eine Gegenoffensive im Süden des Landes gestartet. Ziel der Angriffe im Gebiet Cherson ist es, die russischen Truppen mindestens hinter den Fluss Dnipro zurückzudrängen. Zahlreiche Brücken über den Fluss, aber auch militärische Objekte, die von den Russen genutzt wurden, sind durch Artilleriefeuer zerstört oder unbrauchbar gemacht worden. Nach britischer Einschätzung erzielt die Ukraine dabei Fortschritte.
Moskau belegt US-Schauspieler mit Einreiseverbot
Das russische Außenministerium hat 25 US-Bürger, darunter die Schauspieler Sean Penn und Ben Stiller, auf eine Schwarze Liste gesetzt. Ihnen werde als Antwort auf die US-Sanktionen die Einreise nach Russland verwehrt, teilte das Ministerium mit. Stiller und Penn landeten wegen ihres politischen Engagements auf der Liste. Sie haben sich gegen den russischen Angriffskrieg und für die Ukraine positioniert. Beide sind in Kiew wurden vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj empfangen worden.
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