Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist überraschend zur Teilnahme am Sicherheitsforum Shangri-La-Dialog in Singapur eingetroffen. Selenskyj schrieb auf Telegram, er werde nicht nur auf der Konferenz auftreten, sondern auch eine Reihe bilateraler Treffen beispielsweise mit Singapurs Präsident Tharman Shanmugaratnam und US-Verteidigungsminister Lloyd Austin haben.
Es sei wichtig, die Stimme des asiatisch-pazifischen Raums auch bei der Friedenskonferenz in diesem Monat in der Schweiz zu hören, betonte er. Wie der Veranstalter mitteilte, werde Selenskyj morgen auf dem Forum sprechen.
Die seit mehr als zwei Jahren von einem russischen Angriffskrieg getroffene Ukraine setzt darauf, dass an der Friedenskonferenz am 15. und 16. Juni in der Schweiz möglichst viele Länder weltweit teilnehmen. So hofft Kiew, den Druck auf Russland zu erhöhen, um Moskau zu Zugeständnissen zu zwingen.
Russland selbst ist bei der Konferenz in der Schweiz nicht eingeladen, hat aber auch zu verstehen gegeben, selbst bei einer Einladung nicht zu kommen. Moskau setzt darauf, die Veranstaltung zu minimieren und wichtige Partner wie China von der Konferenz fernzuhalten.
Am Sicherheitsforum in Singapur nehmen Hunderte Minister, Militärs und Experten aus aller Welt teil und diskutieren über die aktuellen Krisenherde und Bedrohungslagen. Wie die singapurische Zeitung »The Straits Times« unter Berufung auf eine Quelle berichtete, hoffe Selenskyj am Rande des Forums auch auf ein Treffen mit dem chinesischen Verteidigungsminister Dong Jun.
China sieht bislang die Voraussetzungen nicht erfüllt, um an der von der Schweiz organisierten Ukraine-Friedenskonferenz teilzunehmen. Es bestehe eine deutliche Lücke zwischen der Gestaltung der Konferenz und den Anforderungen Chinas sowie den allgemeinen Erwartungen der internationalen Gemeinschaft, was es China erschwere, daran teilzunehmen, hatte Außenamtssprecherin Mao Ning am Freitag in Peking mitgeteilt. Man habe die Bedenken den betroffenen Parteien mitgeteilt.
Massiver Raketenangriff gegen Stromnetz
Russland hat die benachbarte Ukraine in der Nacht erneut mit schweren vor allem gegen die Energieversorgung gerichteten Raketen- und Drohnenangriffen überzogen. Es seien Anlagen in den Gebieten Dnipropetrowsk, Donezk, Kirowohrad, Iwano-Frankiwsk und Saporischschja attackiert worden, schrieb der ukrainische Energieminister Herman Haluschtschenko auf Facebook. Daneben wurden aber auch andere zivile Objekte getroffen. In der Stadt Balaklija im Gebiet Charkiw gab es zwölf Verletzte durch Treffer in Wohnhäusern, darunter acht Kinder.
Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe hat Russland dabei 53 Raketen und Marschflugkörper sowie 47 Drohnen eingesetzt. Die Marschflugkörper wurden dabei teilweise weit hinter der Grenze von russischen strategischen Bombern des Typs Tu-95 im Gebiet Saratow oder über dem Kaspischen Meer abgefeuert. Die ukrainische Luftwaffe hat nach eigener Darstellung 30 Marschflugkörper vom Typ Ch-101 und 4 des Typs Kalibr sowie eine Iskander-Rakete abgeschossen. Zudem seien 46 der 47 Drohnen abgefangen worden.
Die Attacke ist Teil der von Russland systematisch betriebenen Zerstörung der ukrainischen Energieversorgung. In den vergangenen zwei Jahren hat das russische Militär bereits Stromkapazitäten von rund 8000 Megawatt in der Ukraine vernichtet. Ziel ist es, den Widerstandswillen auch der Zivilbevölkerung im Nachbarland zu brechen. Wegen der ständigen russischen Angriffe gibt es häufig flächendeckend Stromausfälle.
Wegen russischer Angriffe: Ukraine erhöht Stromtarife deutlich
»Das Ziel ist es, nicht ohne Strom zu bleiben und das System aufrechtzuerhalten«, begründete Energieminister Herman Haluschtschenko die einschneidende Maßnahme. Es seien erhebliche Mittel für die Reparaturarbeiten in beschädigten Kraftwerken, Umspannwerken und an Hochspannungsleitungen nötig.
»Leider ist klar, dass der Beschuss von Energieobjekten durch den Feind fortgesetzt werden wird und wir müssen alle möglichen Ressourcen einsetzen«, unterstrich der Minister. Es ist bereits die zweite massive Strompreiserhöhung für die Ukrainer seit Kriegsbeginn. Umgerechnet müssen damit ab heute knapp zehn Cent für die Kilowattstunde bezahlt werden.
Stoltenberg fordert Milliarden - und kritisiert China
Nato-Generalsekretär Stoltenberg forderte die Alliierten dazu auf, der Ukraine Militärhilfen im Wert von jährlich mindestens 40 Milliarden Euro zu garantieren. Es gehe dabei auch darum, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu zeigen, dass er seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht gewinnen werde, erklärte Stoltenberg nach einem Treffen mit den Außenministern der 32 Nato-Staaten in Prag. Der Betrag von 40 Milliarden Euro würde in etwa der bisherigen jährlichen Unterstützung der Alliierten seit dem Beginn der russischen Invasion entsprechen.
Zugleich übte Stoltenberg mit Blick auf Russlands Krieg scharfe Kritik an China. »Ohne die Unterstützung Chinas wäre Russland nicht in der Lage, den Angriffskrieg gegen die Ukraine zu führen«, sagte er. China liefere Russland große Mengen an Ausrüstung, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden könne. Dazu gehörten etwa High-End-Technologie und Halbleiter.
Habeck: Ukraine muss Angriffe aus Russland verhindern können
»Die Ukraine hat nicht genug Defensiv-Waffen, um das Leben ihrer Menschen zu schützen«, sagte Vize-Kanzler Robert Habeck der Deutschen Presse-Agentur. Das sei auch deshalb so, weil die Unterstützer der Ukraine nicht genug geliefert hätten beziehungsweise lieferten.
Der Beschuss von Charkiw erfolge von russischem Gebiet. »Es ist nur folgerichtig, dass sich die Ukraine verteidigt, indem sie die Angriffe aus Russland verhindern kann. Ihr das zu untersagen, würde den Tod weiterer Menschen bedeuten«, sagte der Wirtschafts- und Klimaschutzminister mit Blick auf die Entscheidung der Bundesregierung, der Ukraine den Einsatz von aus Deutschland gelieferten Waffen gegen militärische Ziele in Russland zu erlauben.
Kurz zuvor hatten auch die USA der Ukraine die Erlaubnis erteilt, bei der Verteidigung der ostukrainischen Großstadt Charkiw US-Waffen gegen nahe gelegenes russisches Gebiet einzusetzen. Eine Ausweitung dieser Waffeneinsatzerlaubnis schloss US-Außenminister Antony Blinken nicht aus. Belgiens Premierminister Alexander De Croo hingegen erklärte während eines Besuchs in Washington, sein Land stimme dem Einsatz belgischer Waffen gegen Ziele auf russischem Territorium nicht zu. Die Frage wird unter Nato-Staaten kontrovers diskutiert.
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