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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Selenskyj ist in Washington und hat einen vollen Terminkalender. Heute will er den US-Präsidenten und Kongressmitglieder treffen. Denn die Unterstützung für sein Land steht auf der Kippe. Der Überblick.

Kiew
Menschen inspizieren ein zerstörtes Haus nach einem russischen Raketenangriff. Foto: Sergei Chuzavkov/DPA
Menschen inspizieren ein zerstörtes Haus nach einem russischen Raketenangriff.
Foto: Sergei Chuzavkov/DPA

Mit Blick auf weitere Militärhilfen für die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Russland empfängt US-Präsident Joe Biden den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an diesem Dienstag im Weißen Haus. Biden habe den Ukrainer nach Washington eingeladen, »um das unerschütterliche Engagement der Vereinigten Staaten für die Unterstützung des ukrainischen Volkes bei der Verteidigung gegen die brutale russische Invasion zu unterstreichen«, teilte das Weiße Haus vorab mit. Im Anschluss wird eine Pressekonferenz erwartet.

Selenskyj will bei seinem Besuchs in der US-Hauptstadt auch mit Kongressmitgliedern zusammenkommen, darunter mit dem republikanischen Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Mike Johnson. Bereits am Montag war Selenskyj in Washington angekommen und hatte eine Reihe von Terminen wahrgenommen, etwa mit US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgiewa.

Austin: »Amerika muss sein Wort halten«

Bei dem Treffen mit Selenskyj bekräftigte Austin die anhaltende Unterstützung der USA für die Ukraine im russischen Angriffskrieg. »Wir sind entschlossen, der Welt zu zeigen, dass Amerika bei der Verteidigung der Freiheit nicht zögern wird«, sagte er bei einer Rede an einer Universität, an der militärische Führungskräfte ausgebildet werden. Angesichts des Ringens im US-Kongress um die Freigabe weiterer Militärhilfen mahnte er: »Die Verpflichtungen Amerikas müssen eingehalten werden. Die Sicherheit Amerikas muss verteidigt werden. Und Amerika muss sein Wort halten.«

Selenskyj sagte, der russische Präsident Wladimir Putin kämpfe gegen die Ukraine, aber richte sich in Wirklichkeit gegen das gesamte freie und vereinte Europa. Er zerstöre das Leben der Menschen in den ukrainischen Städten, aber sein eigentliches Ziel sei die Freiheit. An einer anderen Stelle seiner Rede, die er auf Englisch hielt, sagte er, die Ukraine habe nicht aufgegeben und werde nicht aufgeben. »Sie können auf die Ukraine zählen, und wir hoffen, dass wir auch auf Sie zählen können.« Wenn die freie Welt zögere, dann freuten sich Diktaturen.

Freigabe neuer US-Hilfen blockiert

Die Freigabe neuer US-Hilfe für die Ukraine wird derzeit von einem Streit im US-Parlament blockiert. Mehr und mehr Republikaner melden Zweifel an der Unterstützung für die Ukraine an oder lehnen diese völlig ab. Nach Angaben der Regierung in Washington werden die bisher vom Parlament bewilligten Mittel für die Ukraine zum Jahresende komplett aufgebraucht sein. Es ist Selenskyjs dritter Besuch in Washington seit Beginn des russischen Angriffskrieges.

IWF-Chefin Georgiewa lobt Ukraine

Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgiewa, sagte bei einem Treffen mit Selenskyj, der Ukraine sei es mit der Unterstützung der internationalen Gemeinschaft gelungen, »eine solide Wirtschaftspolitik umzusetzen und aufrechtzuerhalten«. Die ukrainischen Behörden zeigten Engagement, wichtige Fragen der Staatsführung und der Korruption anzugehen. Dies sei ein Beleg für die Führungsstärke Selenskyjs.

Der IWF hatte der von Russland angegriffenen Ukraine im März ein Finanzierungspaket in Milliardenhöhe zur Verfügung gestellt. Das Kreditprogramm soll dem Land Zugang zu 15,6 Milliarden US-Dollar (rund 14,4 Milliarden Euro) gewähren. Das Programm ist Teil eines internationalen Hilfspakets in Höhe von insgesamt 115 Milliarden US-Dollar (rund 106 Milliarden Euro) und hat eine Laufzeit von vier Jahren.

Nächtlicher Drohnenangriff auf die Ukraine

Die Ukraine ist nach Kiewer Militärangaben in der Nacht auf Dienstag erneut von Russland mit Kampfdrohnen angegriffen worden. Es seien 15 Starts von Shahed-Drohnen iranischer Bauart registriert worden, teilte die ukrainische Luftwaffe mit. Demnach wurden die Drohnen bei Balaklawa auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim gestartet. Neun der Fluggeräte, die sich mit Sprengstoffladung auf ihre Ziele stürzen, seien über verschiedenen Teilen der Ukraine abgeschossen worden. Außerdem seien am Montagabend über den Gebieten Saporischschja und Dnipropetrowsk zwei Marschflugkörper abgefangen worden.

An Schäden wurde zunächst wenig gemeldet. Im Gebiet Odessa sei eine Sportanlage beschädigt worden, teilte das Militär in der Südukraine mit. Die russische Armee setzte den Beschuss der Region bis in die Morgenstunden fort.

Europäische Abgeordnete bitten um US-Hilfen für Ukraine

Mehr als 100 Parlamentsabgeordnete europäischer Staaten haben die USA zur Freigabe dringend benötigter Finanzhilfen für die von Russland angegriffene Ukraine aufgefordert. Die Ukraine brauche die gemeinsame Hilfe von Europäern und Amerikanern, schrieben die Parlamentarier in einem offenen Brief an ihre Kollegen im Kongress in Washington. »Unsere gemeinsame Verpflichtung zu Freiheit und Demokratie steht heute auf dem Spiel.« Die ukrainische Armee stehe unter großem Druck, das Überleben der Ukraine als unabhängige Nation sei bedroht.

Die Unterschriften kommen aus vielen EU-Mitgliedsstaaten sowie aus dem Europaparlament. Von deutscher Seite unterzeichneten neben anderen die Bundestagsabgeordneten Michael Roth und Nils Schmid (beide SPD), Norbert Röttgen und Roderich Kiesewetter (beide CDU) und Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP).

Ukrainisches Militär: schwere Gefechte um Awdijiwka

Die Lage um die seit Wochen umkämpfte Stadt Awdijiwka im Osten der Ukraine hat sich nach Militärangaben noch einmal verschärft. »Es ist sehr heiß. Tatsächlich ist es heute noch heißer als gestern und vorgestern«, sagte der Chef der örtlichen Militärverwaltung, Witalij Barabasch, am Dienstag im ukrainischen Fernsehen. Die neue Angriffswelle der Russen hängt seinen Angaben nach mit dem durch den jüngsten Frost hart gewordenen Untergrund zusammen, der den Angreifern den Einsatz gepanzerter Fahrzeuge erlaubt.

Die Verteidiger haben seinen Worten nach bereits Dutzende Fahrzeuge abgeschossen. Der Druck der Angreifer bleibe aber hoch, auch durch den Einsatz der Luftwaffe.

Was heute wichtig wird

In der Ukraine halten die schweren Kämpfe an. Besonders intensiv waren die Gefechte zuletzt im östlichen Donezker Gebiet. Die EU-Kommission will einen Vorschlag zur Nutzung von Erträgen aus festgesetztem russischen Vermögen vorlegen. Die Blockade von russischem Vermögen ist Folge der im vergangenen Jahr erlassenen Sanktionen wegen Angriffskriegs. Nach Kommissionsangaben sind in der EU derzeit russische Vermögenswerte im Wert von mehr als 200 Milliarden Euro blockiert.

© dpa-infocom, dpa:231212-99-262125/9