Logo
Aktuell Ausland

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Der ukrainische Präsident Selenskyj beklagt Defizite der Flugabwehr seines Landes - und hofft auf westliche Hilfe. Das Geschehen in der Nacht und ein Ausblick auf den Tag.

Wolodymyr Selenskyj
Wolodymyr Selenskyj rief er seine Landsleute auf, zusammenzuhalten und zuversichtlich zu bleiben. Foto: Philipp von Ditfurth/DPA
Wolodymyr Selenskyj rief er seine Landsleute auf, zusammenzuhalten und zuversichtlich zu bleiben.
Foto: Philipp von Ditfurth/DPA

Trotz militärischer Rückschläge und Ausrüstungsdefizite hält die ukrainische Führung am Ziel der vollständigen Befreiung des Landes von den russischen Besatzern fest.

»Wir sind nicht bereit, dem verdammten Terroristen Putin unsere Freiheit zu geben«, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj am Sonntag in einem NBC-Interview über Kremlchef Wladimir Putin. Zugleich rief er seine Landsleute auf, zusammenzuhalten und zuversichtlich zu bleiben.

»An die Ukraine zu glauben bedeutet zu wissen, dass die Ukraine und die Ukrainer ihre Unabhängigkeit bewahren können, sie bewahren werden und sie zurückerhalten werden«, sagte er am Sonntag in seiner allabendlichen Videoansprache. »Aber genau wie nach dem 24. Februar (dem Beginn der russischen Invasion 2022) kann dies nur gemeinsam geschehen - und nur gemeinsam, in Einigkeit, in Sorge um den Staat, um die Menschen neben Ihnen, um die Ukrainer, wo immer sie sind.«

Selenskyj beklagt russische Lufthoheit

Selenskyj beklagte Defizite in der Flugabwehr seines Landes sowie die Lufthoheit der russischen Streitkräfte. »Russland kontrolliert den Himmel«, sagte er im Interview des US-Sender NBC. Die Ukraine brauche eine bessere Luftverteidigung, sagte er mit Blick auf die von ihm geforderten Kampfflugzeuge aus westlicher Produktion. »Gebt uns die Mittel, uns mit Russland am Himmel zu messen.« Die ukrainische Armee benötige auch Drohnen und Waffen zur Abwehr solcher Flugkörper.

Sobald am Himmel eine Art Gleichgewicht hergestellt sei, könnten die ukrainischen Bodenstreitkräfte vorrücken. »Wir können nicht einfach angreifen wie die russischen Streitkräfte«, sagte Selenskyj, denn Russland werfe seine Soldaten ohne Rücksicht auf eigene Verluste in den Kampf. »Wir brauchen unsere Soldaten.«

Selenskyj bekräftigte seine Position, dass es mit Russland aktuell keine Verhandlungen geben könne. »Es gibt keinen Dialog mit Terroristen«, betonte er. »Ihr Wort ist nichts wert, sie wollen nur zerstören und töten.« Die Ukraine werde ihren Kampf gegen Putins Truppen fortsetzen.

Odessa: Russland greift Hafenanlagen und Museum an

Die russische Armee überzog die südukrainischen Regionen Cherson und Odessa in der Nacht mit Raketen- und Drohnenangriffen. Besonders die Hafenstadt Odessa geriet dabei ins Visier der Angreifer: Bei Drohnenangriffen auf Hafenanlagen und Raketenbeschuss der Innenstadt wurden nach Angaben des Militärgouverneurs Oleh Kiper mindestens acht Menschen verletzt. In der Innenstadt wurden zudem 20 mehrstöckige Wohnhochhäuser und das Nationale Kunstmuseum beschädigt. Das zum UNESCO-Weltkulturerbe deklarierte Museum begeht an diesem Montag sein 124-jähriges Bestehen.

Moskau soll nach Angaben des ukrainischen Militärs Marschflugkörper vom Typ Oniks, Raketen vom Typ Iskander-M und sogenannte Kamikaze-Drohnen iranischer Bauart von der 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim aus abgefeuert haben. Demnach seien 15 von 22 Drohnen abgefangen worden.

Ukraine will Militärdienst reformieren

Inmitten des Verteidigungskriegs plant der ukrainische Verteidigungsminister Rusten Umjerow eine komplette Reform des Militärdienstes innerhalb der nächsten fünf Jahre. Nach dem am Sonntag veröffentlichten Konzept, das »eine strategische Vision für die Entwicklung der militärischen Personalpolitik« darstelle, sollen die ukrainische Streitkräfte künftig zu einem Vertrags-Militärdienst übergehen. Bei Rekrutierung und späterer Laufbahn der Soldaten soll deren vorherige Ausbildung berücksichtigt werden. Auch eine berufliche Gleichstellung der Geschlechter innerhalb der Streitkräfte werde angestrebt.

Ziel des Konzepts sei, den Personalbedarf der - Russland zahlenmäßig weit unterlegenen - Streitkräfte zu decken. Daneben soll es der ukrainischen Armee möglich werden, »sich in den euro-atlantischen Sicherheitsraum zu integrieren und die Interoperabilität der ukrainischen Streitkräfte mit den Streitkräften der Nato-Mitgliedstaaten zu gewährleisten«.

Weiter schwere Kämpfe um Awdijiwka in Ostukraine

Russische Truppen unternahmen derweil nach Angaben ukrainischer Militärs am Sonntag erneut mehrere Vorstöße in Richtung der ostukrainischen Stadt Awdijiwka. Dabei seien über 400 russische Soldaten getötet und zwölf gepanzerte Fahrzeuge zerstört worden, teilte der für diesen Frontabschnitt zuständige Kommandeur Olexandr Tarnawskyj auf Telegram mit. Die russischen Angriffe, unterstützt von Kampfflugzeugen und Artillerie, seien abgewehrt worden. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Nahe Awdijiwka verlief bereits seit 2014 die Frontlinie zu den von Moskau unterstützten Separatisten. Aktuell ist die zu großen Teilen zerstörte Stadt bereits von drei Seiten von russischen Truppen umgeben. Die russisch kontrollierte Gebietshauptstadt Donezk liegt nur wenige Kilometer südlich von Awdijiwka.

Am Sonntagabend wurde auch die Hafenstadt Odessa im Süden des Landes angegriffen. Nach Angaben des ukrainischen Fernsehens wurde die Flugabwehr aktiv, um russische Luftangriffe abzuwehren. Zu etwaigen Schäden oder Opfern der Angriffe lagen zunächst keine Angaben vor.

Russland schießt Interkontinentalrakete von neuem Atom-U-Boot ab

Das russische Verteidigungsministerium hat nach eigenen Angaben erfolgreich eine mit Atomsprengköpfen bestückbare Interkontinentalrakete vom Typ Bulawa (Nato-Code: SS-N-32) getestet. Die Rakete sei unter Wasser von dem neuen Atom-U-Boot »Zar Alexander III.« aus dem östlich von Finnland gelegenen Weißen Meer abgeschossen worden und auf einem Übungsgelände der fernöstlichen Halbinsel Kamtschatka eingeschlagen, teilte das Ministerium am Sonntag mit.

Was bringt der Tag

Im Osten der Ukraine sind neue russische Angriffe gegen die Ortschaft Awdijiwka zu erwarten.

© dpa-infocom, dpa:231106-99-837194/3