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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Die schlagkräftigen ATACMS-Raketen der USA sollen der Ukraine in ihrem Kampf gegen den russischen Angriffskrieg helfen. Kremlchef Putin warnt nun, dass dies eine »zusätzliche Bedrohung« sei.

Ukraine-Krieg - Kiew
Familienmitglieder besuchen in Kiew das Denkmal für ukrainische Soldaten, die im Krieg gegen Russland gefallen sind. Foto: Alex Babenko/DPA
Familienmitglieder besuchen in Kiew das Denkmal für ukrainische Soldaten, die im Krieg gegen Russland gefallen sind.
Foto: Alex Babenko/DPA

Nach dem ersten Einsatz der schlagkräftigen US-Raketen vom Typ ATACMS in der Ukraine gegen russische Stellungen warnt Moskau vor einer Eskalation des Kriegs. Kremlchef Wladimir Putin warf den USA vor, mit der Lieferung der Raketen einen »weiteren Fehler« begangen zu haben und eine »zusätzliche Bedrohung« zu schaffen.

Allerdings werde Russland auch diese Raketen abwehren, sagte Putin bei einem Aufenthalt in Peking. Die USA ließen sich damit noch tiefer in den Konflikt in der Ukraine hineinziehen. Kiew hatte am Dienstag bestätigt, die Raketen von den USA geliefert bekommen und gegen russische Militärstützpunkte eingesetzt zu haben.

»Krieg ist Krieg«, sagte Putin. Zugleich betonte er mit Blick auf die US-Raketen, die eine größere Reichweite haben und auch Angriffe weit hinter der Front ermöglichen: »Aber das Wichtigste ist, dass dies insgesamt grundlegend nicht dazu in der Lage ist, die Situation an der Front zu verändern.«

Putin äußerte sich nach dem Gipfel zu Chinas internationalem Infrastrukturprojekt »Neue Seidenstraße«, zu dem er am Dienstag angereist war. Dabei kündigte Putin auch dauerhafte Patrouillen von Kampfjets im Schwarzen Meer an. Die Luftstreitkräfte würden mit Flugzeugen vom Typ MiG-31 über neutralen Gewässern ihre Kontrollflüge absolvieren. Die Jets sollen demnach zudem mit Hyperschallraketen vom Typ Kinschal (Dolch) ausgestattet werden.

Verteidigungsminister Sergej Schoigu kündigte außerdem an, dass Moskau die westlichen Grenzen des Landes wegen der Bedrohungslage durch die ATACMS-Raketen verstärken werde. Er befürchtet, dass Kiew mit den US-Raketen dank deren hoher Reichweite auch Ziele im russischen Hinterland treffen könnte. Moskau sieht die Gefahr, dass die westlichen Waffenlieferungen zu einer direkten militärischen Konfrontation der Nato und der USA mit Russland führen könnten.

Parlament ebnet Weg für mögliche russische Atomwaffentests

In seinem Konflikt mit den USA macht Russland nun erstmals seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor gut 30 Jahren auch wieder den Weg für den Test von Atomwaffen frei. Das Unterhaus des Parlaments, die Staatsduma in Moskau, beschloss einstimmig ein Gesetz, mit dem Russlands Ratifizierung des globalen Vertrags über den Stopp von Nukleartests (CTBT) zurückgezogen wird. Damit steigt das Land aus einem weiteren internationalen Sicherheitsvertrag aus.

Eine Zustimmung des Föderationsrats als Oberhaus des Parlaments gilt als Formalie. Es wird erwartet, dass Putin die Entscheidung nun per Unterschrift rasch formalisiert. Der bislang letzte Atomwaffentest liegt 33 Jahre zurück, er fand am 24. Oktober 1990 statt.

Putin hatte die Rückziehung der Ratifizierung damit begründet, dass Russland die gleichen Möglichkeiten haben müsse wie die zweite große Atommacht, die USA. Washington könnte jederzeit Atomwaffen testen, da es den CTBT nie ratifiziert hatte. Russland will nach offiziellen Angaben Nuklearwaffen künftig aber nur dann testen, wenn dies auch die USA täten. Putin hatte auch angeordnet, die Testgelände für mögliche Erprobungen von Atomwaffen herzurichten. Er hatte im Konflikt mit den USA und mit der Nato um die Ukraine zudem die Atomwaffen des Landes in erhöhte Bereitschaft versetzt.

Der Atomteststopp-Vertrag wurde 1996 verabschiedet, um die Weiterentwicklung von Nuklearwaffen einzudämmen. Das globale Testverbot ist zwar noch nicht in Kraft getreten, doch seit den 1990er Jahren haben sich alle Staaten bis auf Nordkorea daran gehalten. Die CTBT-Organisation in Wien betreibt ein globales Netzwerk an Messstationen, die Atomtests anhand von Druckwellen sowie chemischen und nuklearen Spuren entdecken können. Russland will auch künftig Daten von seinen eigenen 32 Stationen liefern.

Tote und Verletzte bei russischem Beschuss in der Ukraine

In der Ukraine kamen derweil erneut zahlreiche Menschen durch russische Angriffe ums Leben. Bei Raketenbeschuss in der Stadt Saporischschja im Südosten der Ukraine starben nach örtlichen Behördenangaben mindestens fünf Menschen. Bei dem Einschlag einer Rakete in einem fünfgeschossigen Wohnhaus seien auch fünf Menschen verletzt worden, hieß es.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf Russland auf der Plattform X (vormals Twitter) Terror und Krieg gegen die Zivilbevölkerung vor. »Wir tun alles Mögliche, um den Terrorstaat zur Rechenschaft zu ziehen. Russischer Terror muss besiegt werden«, schrieb Selenskyj.

Infolge eines russischen Luftangriffs wurde im südukrainischen Gebiet Cherson Angaben der Staatsanwaltschaft zufolge ein Zivilist getötet. Im benachbarten Gebiet Dnipropetrowsk kam eine Frau bei einem russischen Raketenschlag ums Leben. Vier weitere Menschen wurden verletzt. Mindestens acht Häuser wurden dabei beschädigt.

Russland überzieht die Ukraine seit Beginn seines Angriffskrieges am 24. Februar 2022 immer wieder mit Raketen- und Drohnenattacken sowie massivem Artilleriefeuer. Das angegriffene Land wehrt sich mit westlicher Militärhilfe gegen die beispiellose Invasion, bei der immer wieder auch zivile Infrastruktur getroffen wird.

Das Moskauer Verteidigungsministerium teilte am Mittwochmorgen mit, dass die russische Flugabwehr insgesamt 28 Drohnen abgefangen und vernichtet habe. Demnach wurden von ukrainischer Seite die russischen Grenzregionen Belgorod und Kursk sowie Teile des Schwarzen Meers ins Visier genommen. Die Angaben waren von unabhängiger Seite nicht überprüfbar.

Mehreren ukrainischen Medien zufolge griff Kiews Geheimdienst SBU in der Nacht mit Drohnen ein russisches Militärlager im Gebiet Kursk beim Militärflughafen Chalino an. Es soll 18 Einschläge gegeben haben. Nähere Angaben gab es vorerst nicht.

Informationen des Herstellers Lockeed Martin zu ATACMS

Informationen des US-Militärs zu ATACMS

© dpa-infocom, dpa:231018-99-603679/7