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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Selenskyj erwartet neue Zusagen des Westens für eine Stärkung der Flugabwehr. Die US-Regierung schickt eigenen Angaben nach vom Iran beschlagnahmte Munition in die Ukraine. Die News im Überblick.

Ukrainischer Präsident Selenskyj in Washington
US-Präsident Joe Biden traf sich im September mit dem ukrainischen Präsidenten mit Wolodymyr Selenskyj. Foto: Evan Vucci/DPA
US-Präsident Joe Biden traf sich im September mit dem ukrainischen Präsidenten mit Wolodymyr Selenskyj.
Foto: Evan Vucci/DPA

Seit Monaten fordert die Ukraine von Deutschland die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern, um russische Stellungen weit hinter der Frontlinie angreifen zu können. Nach einem Bericht der »Bild« und des ARD-Hauptstadtstudios soll nun klar sein, dass die Bundesregierung den Wunsch des von Russland angegriffenen Landes vorerst nicht erfüllen wird. Eine Bestätigung dafür gab es am Mittwochabend allerdings zunächst nicht. »Zur Frage von Taurus-Marschflugkörpern gibt es keinen neuen Sachstand mitzuteilen«, sagte eine Regierungssprecherin auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.

Im Klartext bedeutet das: Eine formelle Entscheidung gibt es weiter nicht. Die Bundesregierung hat in den vergangenen Wochen immer wieder erklärt, dass man sich die Entscheidung nicht leicht machen werde und das Thema weiter mit den Bündnispartnern diskutiere.

Derweil geht Bundeskanzler Olaf Scholz fest davon aus, dass die USA ihre Hilfe für die von Russland angegriffene Ukraine trotz des Haushaltsstreits im Kongress fortsetzen werden. »Ich bin sehr überzeugt davon, dass der amerikanische Kongress die notwendige Unterstützung für die Ukraine auch möglich machen wird«, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch auf einer Pressekonferenz mit dem bulgarischen Ministerpräsidenten Nikolaj Denkow in Berlin. »Es gibt sowohl unter den Abgeordneten der Demokratischen Partei als auch der Republikanischen Partei eine große, große Zahl, die genau diese Unterstützung auch wichtig finden und auch große Mehrheiten dafür.«

Deswegen sei er überzeugt, dass es im politischen Prozess gelingen werde, die Mittel für die weitere Unterstützung der Ukraine zu bewilligen, sagte Scholz. US-Präsident Joe Biden habe am Dienstag in einem Telefonat mit den wichtigsten Verbündeten versichert, dass auch in dieser Frage Verlass auf die USA sei.

In dem am Wochenende vom US-Kongress verabschiedeten Übergangshaushalt sind keine weiteren Ukraine-Hilfen vorgesehen. Das heißt nicht, dass die USA Kiew von jetzt auf gleich nicht mehr unterstützen. Doch geht das bisher genehmigte Geld zur Neige.

Der US-Präsident wolle sich bald in einer größeren Rede zur Ukraine und der Unterstützung für das angegriffene Land äußern, sagte er am Rande eines Termins in Washington am Mittwoch.

Keine formelle Absage an Kiew

Auch »Bild« berichtete, dass Deutschland der Regierung in Kiew bislang der Anfrage nach den Raketen mit einer Reichweite von 500 Kilometern keine formelle Absage erteilt habe. Intern sei aber klargemacht worden, dass die Taurus-Raketen derzeit nicht geliefert werden. So halte sich Scholz die Option für die Zukunft offen.

Öffentlich hat der Kanzler zuletzt immer wieder erklärt, dass sich Deutschland aktuell auf die Lieferung von Luftabwehrsystemen konzentrieren wolle. Seine skeptische Haltung zu den Marschflugkörpern ist bekannt. Dahinter steckt, dass mit den Waffen auch bis weit auf russisches Territorium geschossen werden kann.

Selenskyj erwartet neue Zusagen zur Luftverteidigung

Präsident Wolodymyr Selenskyj erwartet unterdessen neue Zusagen des Westens für die Lieferung weiterer Flugabwehrsysteme, wie er in seiner abendlichen Videobotschaft in Kiew sagte. »Wir tun unser Bestes, die Ukraine mit mehr Luftverteidigungssystemen vor dem Winter auszustatten. Wir erwarten gewisse Entscheidungen von unseren Partnern.« Details nannte er nicht.

Der Staatschef hatte immer wieder noch mehr Flugabwehrsysteme gefordert, um die Städte sicherer zu machen und vor allem die von den Russen angegriffene Energie-Infrastruktur besser zu schützen. Die bisher vom Westen gelieferten Flugabwehrsysteme helfen der Ukraine, den Großteil der russischen Angriffe mit Drohnen, Raketen und Marschflugkörpern abzuwehren. Allerdings sind nach Darstellung der Führung in Kiew noch viel mehr solcher Anlagen nötig. Zusammen mit den vom Westen angekündigten Lieferungen von F16-Kampfjets will die Ukraine die Kontrolle über ihren Luftraum wiedererlangen.

Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als anderthalb Jahren gegen den russischen Angriffskrieg. Dabei setzt die Führung in Kiew vor allem auf westliche Finanzhilfen und auf Waffenlieferungen.

Mehr als 60 Ortschaften in Russland nach Drohnenattacke ohne Strom

In der westrussischen Region Kursk ist nach offiziellen Angaben infolge ukrainischer Drohnenangriffe in vielen Ortschaften der Strom ausgefallen. Es seien Infrastrukturobjekte in den Landkreisen Sudscha, Korenowo und Gluschkowo attackiert worden, teilte der Kursker Gouverneur Roman Starowoit am Donnerstag auf seinem Telegram-Kanal mit. Alle drei Kreise grenzen an die Ukraine. In Sudscha und Gluschkowo sind nach Angaben des Nachrichtenkanals »Shot« auf Telegram zwei Umspannwerke getroffen worden, wodurch in insgesamt 67 Ortschaften der Strom ausgefallen sei. Starowoit bestätigte die Stromausfälle, ohne konkrete Zahlen zu nennen.

Nach Angaben des Gouverneurs wurde zudem die nahe der Grenze gelegene Stadt Rylsk mit Streumunition beschossen.

Russlands Verteidigungsminister verkündet Aufstellung neuer Einheiten

Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat bei einer Lagebesprechung des Militärs die Aufstellung neuer Reserveregimenter verkündet. »Zum heutigen Tag haben wir neun Reserveregimenter, die vorbereitet werden und deren natürliche und ständige Auffüllung läuft«, sagte Schoigu am Donnerstag, die offiziellen Angaben nach im Kriegsgebiet in der Ukraine stattfand. Der Nachschub an Soldaten werde durch Freiwillige gewährleistet, betonte Schoigu dabei. Allein im vergangenen Monat seien 38.000 Freiwillige und Zeitsoldaten neu hinzugekommen. Vor zwei Tagen hatte er deren Gesamtzahl auf 335.000 beziffert.

USA schicken beschlagnahmte Munition in die Ukraine

Die US-Regierung hat der Ukraine eigenen Angaben nach vom Iran beschlagnahmte Munition geschickt. Die Munition sei ursprünglich im Dezember 2022 vom US-Militär im Golf von Oman auf einem Schiff sichergestellt worden, teilten das zuständige Regionalkommando des US-Militärs (Centcom) und das US-Justizministerium am Mittwoch (Ortszeit) mit. Der Iran habe die rund 1,1 Millionen Schuss den Huthi-Rebellen im Jemen schicken wollen, hieß es weiter. Das sei ein Verstoß gegen eine Resolution des UN-Sicherheitsrats. Die USA erklärten die Munition folglich zu ihrem Eigentum.

Mit diesem Waffentransfer unterstütze das Vorgehen der US-Regierung gegen ein autoritäres Regime nun direkt den Kampf der Ukraine gegen ein anderes autoritäres Regime, so das US-Justizministerium.

Juncker hält Ukraine für »nicht beitrittsfähig«

Der frühere EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker warnte indes vor einem übereilten Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union. »Wer mit der Ukraine zu tun gehabt hat, der weiß, dass das ein Land ist, das auf allen Ebenen der Gesellschaft korrupt ist«, sagte Juncker der »Augsburger Allgemeinen« (Donnerstag). »Trotz der Anstrengungen ist es nicht beitrittsfähig, es braucht massive interne Reformprozesse«, sagte Juncker weiter. Die EU habe mit einigen »sogenannten neuen Mitgliedern« schlechte Erfahrungen mit Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit gemacht. Das dürfe sich nicht wiederholen.

Auch dem Land selbst gegenüber, sei ein solches Vorgehen nicht fair, gab Juncker zu bedenken. »Man darf den Menschen in der Ukraine, die bis zum Hals im Leid stecken, keine falschen Versprechungen machen.« Dennoch müsse eine »europäische Perspektive« für Moldau und die Ukraine, »die sich so tugendhaft (gegen Russland) wehrt und europäische Werte verteidigt«, aufrechterhalten bleiben.

EU-Ratspräsident Charles Michel hatte zuletzt einen Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union bis zum Jahr 2030 - unter bestimmten Voraussetzungen befürwortet.

Was heute wichtig wird

Der Kreml hat eine Rede von Präsident Wladimir Putin bei dem großen politischen Diskussionsforum Waldai in Sotschi am Schwarzen Meer angekündigt. Es wird erwartet, dass sich Putin zu globalen Konflikten äußert, darunter auch zu Russlands Krieg gegen die Ukraine. Den Organisatoren zufolge sind bei dem 20. Waldai-Forum 140 Experten aus mehr als 40 Ländern anwesend.

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