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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Die von Russland besetzte Krim wird erneut zum Schauplatz eines Angriffs auf das russische Militär. Derweil wollen die USA laut US-Medien doch ATACMS-Raketen an die Ukraine liefern. Die News im Überblick.

Michail Raswoschajew
Rauch und Flammen steigen aus einer brennenden Werft auf der Krim auf, während der von Moskau ernannte Gouverneur Sewastopols, Michail Raswoschajew, am Telefon spricht. Er bestätigte den Beschuss des Flottenhauptquartiers auf seinem Telegram-Kanal. Foto: Uncredited/DPA
Rauch und Flammen steigen aus einer brennenden Werft auf der Krim auf, während der von Moskau ernannte Gouverneur Sewastopols, Michail Raswoschajew, am Telefon spricht. Er bestätigte den Beschuss des Flottenhauptquartiers auf seinem Telegram-Kanal.
Foto: Uncredited/DPA

Raketen haben das Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim getroffen. Das Gebäude in der Hafenstadt Sewastopol wurde dabei schwer beschädigt, wie auf Video- und Fotoaufnahmen zu erkennen war. Der Schlag gegen den Sitz des Stabs der Flotte, gilt als bemerkenswert. Bei ihrer Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg kann die Ukraine nach übereinstimmenden US-Medienberichten auf die Lieferung von weitreichenden ATACMS-Raketen von den USA hoffen.

Die US-Regierung werde das von Kiew geforderte Waffensystem in Kürze bereitstellen, hieß es. Laut der »Washington Post« handelt es sich um eine Variante, die mit Streumunition bestückt werden kann. NBC News berichtete, US-Präsident Joe Biden habe dem ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj »eine kleine Zahl« an ATACMS bei dessen Besuch am Donnerstag in Washington in Aussicht gestellt.

Die US-Regierung bestätigte die Berichte nicht. »Ich habe nichts anzukündigen«, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, beim Pressebriefing auf Nachfrage. Aber man habe in der Vergangenheit immer deutlich gemacht, dass die ATACS nicht vom Tisch seien.

Vergleich mit deutschen Taurus-Marschflugkörpern

Die Ukraine fordert seit längerem die ATACMS-Raketen des Herstellers Lockheed Martin mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern. Sie werden vom Boden zu Zielen am Boden abgefeuert und treffen sehr präzise. Neuere Modelle sind lenkungsfähig, ältere nicht. Sie werden wegen ihrer Reichweite oft mit den deutschen Taurus-Marschflugkörpern verglichen, welche Kiew ebenfalls fordert.

Die Taurus-Marschflugkörper sind für die Zerstörung von Bunkern und geschützten Gefechtsständen in bis zu 500 Kilometer Entfernung geeignet. Bei beiden Waffensystemen gibt es die Sorge, dass damit auch Ziele in Russland angegriffen werden könnten. Kiew weist diese aber als unbegründet zurück. Die Bundesregierung zeigt sich bislang zurückhaltend gegenüber dem Wunsch der Ukraine nach Taurus-Systemen.

Zu den Waffen mit Reichweite über Hunderte Kilometer zählen neben ATACMS und Taurus auch die Marschflugkörper Storm Shadow und Scalp, die Kiew aus Großbritannien und Frankreich bekommen hat.

Selenskyj in Kanada empfangen

Bei seinem überraschenden Besuch in Kanada im Anschluss an die Visite in den USA wurde Selenskyj am Freitag in Ottawa von Premierminister Justin Trudeau empfangen. Es handelt sich um Selenskyjs ersten Besuch in Kanada seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022. Kanada gilt als wichtiger Unterstützer und hat dem Land seit Beginn des Krieges nach eigenen Angaben mehr als 8,9 Milliarden Kanadische Dollar (6,2 Milliarden Euro) zur Verfügung gestellt.

Weitere Explosionen auf der Krim

Nicht nur beim Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte in Sewastopol, sondern auch in anderen Teilen der von Russland seit 2014 besetzten Halbinsel Krim gab es Berichten in sozialen Medien zufolge Explosionen. Mehrere Marschflugkörper wurden nach offiziellen russischen Angaben über der Krim abgefangen.

Beschuss angeblich mit Marschflugkörpern vom Typ Storm Shadow

Der von Moskau ernannte Gouverneur Sewastopols, Michail Raswoschajew, bestätigte den Beschuss des Flottenhauptquartiers auf seinem Telegram-Kanal. Raswoschajew machte keine Angaben zu den Schäden, warnte aber vor weiteren Angriffen. In sozialen Netzwerken kursierten Fotos und Videos, die dicke Rauchschwaden über dem Gebäude zeigten. Der Beschuss soll vorläufigen Angaben zufolge mit den vom Westen gelieferten Marschflugkörpern des Typs Storm Shadow erfolgt sein.

Der oppositionelle Telegram-Kanal Crimeanwind berichtete unter Berufung auf Augenzeugen von mehreren schweren Explosionen. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur TASS lagen nach dem Angriff Trümmer noch mehrere Hundert Meter entfernt vom Einschlag. Eine große Anzahl an Krankenwagen sei zum Unglücksort unterwegs gewesen, hieß es. Die Behörden sperrten das Zentrum der Hafenstadt und baten Anwohner, ihre Häuser nicht zu verlassen oder den nächstgelegenen Schutzkeller aufzusuchen.

Sewastopol auf der seit 2014 von Russland annektierten Halbinsel ist der Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte. Schiffe dieser Flotte beschießen seit Beginn der breit angelegten russischen Invasion im Februar 2022 regelmäßig mit Raketen ukrainisches Gebiet.

Tote und Verletzte durch russischen Angriff auf Krementschuk

Durch einen russischen Luftangriff ist in der zentralukrainischen Stadt Krementschuk offiziellen Angaben zufolge mindestens ein Mensch getötet worden. Weitere 15 Menschen seien verletzt worden, darunter ein Kind, teilte der Militärgouverneur der Region Poltawa, Dmytro Lunin, auf Telegram mit. Nach seinen Angaben feuerten die Russen mehrere Raketen auf das südöstlich von Kiew gelegene Krementschuk ab. Eines der Geschosse habe von der Luftverteidigung abgewehrt werden können, ein anderes jedoch habe ein ziviles Gebäude getroffen.

US-Militärexperten beobachten Fortschritte ukrainischer Armee

Die ukrainische Armee macht nach Einschätzung von US-Militärexperten weiter Fortschritte bei ihrer Offensive im Süden des Landes. Am Frontabschnitt bei Robotyne im Gebiet Saporischschja seien erstmals ukrainische Panzerfahrzeuge jenseits der hinteren Linie eines breiten russischen Abwehrgürtels gesichtet worden, schrieb das Institut für Kriegsstudien ISW in seinem Bericht von gestern Abend (Ortszeit). Es sei aber noch zu früh, um sicher zu sagen, dass dieser russische Verteidigungsgürtel durchbrochen sei.

Bei dem Ort Robotyne hat sich die ukrainische Armee in ihrer Gegenoffensive seit Juli am weitesten durch die gestaffelten russischen Verteidigungslinien gekämpft. Dort haben sich die russischen Truppen in weit verzweigten Schützengräben verschanzt. Panzer werden mit Minen, Gräben und dreieckigen Betonsperren, sogenannten Drachenzähnen, abgewehrt.

Die Ukraine hofft, in dieser Richtung zum Asowschen Meer vorzudringen. Ein Ziel ist es, die Landverbindung der Russen zur Halbinsel Krim abzuschneiden. Allerdings gibt es noch mehrere russische Verteidigungslinien. Experten bezweifeln, dass die ukrainischen Truppen dieses Ziel noch in diesem Jahr erreichen.

Selenskyj kündigt Befreiung von Bachmut und weiteren Städten an

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gab sich im Gespräch mit US-Medien dennoch optimistisch. Er kündigte eine Rückeroberung von Bachmut und zweier anderer Städte an. »Wir werden Bachmut von Okkupanten befreien«, sagte er nach Angaben des Senders CNN. »Ich denke, wir werden noch zwei weitere Städte von Okkupanten befreien.« Er werde aber nicht sagen, um welche Städte es sich handele. »Wir haben einen Plan, einen sehr, sehr umfassenden Plan.«

Die Eroberung von Bachmut in monatelangen Kämpfen war für Russland der bislang am teuersten erkaufte Sieg in dem Angriffskrieg gegen die Ukraine. Bis Mai 2023 verteidigten die Ukrainer die Stadt im Donbass hinhaltend, um der russischen Armee möglichst hohe Verluste zuzufügen. In ihrer Gegenoffensive erobern ukrainische Truppen derzeit Dörfer nördlich und südlich der Stadt zurück und setzen die Besatzer unter Druck. Eine Befreiung von Bachmut wäre eine symbolträchtige Niederlage für den russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Allerdings gibt es noch keine Anzeichen, dass russische Kräfte aus der Stadt verdrängt werden. Die ukrainische Gegenoffensive kommt auch sonst eher langsam voran. Vor keiner Stadt stehen ukrainische Truppen so dicht, dass mit einer baldigen Befreiung zu rechnen ist.

© dpa-infocom, dpa:230922-99-288740/10