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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Während in Selenskyj in Washington um weitere Unterstützung wirbt, fliegen erstmals seit dem Winter russische Raketen auf ukrainische Versorgungsinfrastruktur. Die News im Überblick.

Wolodymyr Selenskyj
Hakeem Jeffries (2.v.l), Minderheitenführer des US-Repräsentantenhauses, begrüßt Wolodymyr Selenskyj im Kapitol. Foto: J. Scott Applewhite/DPA
Hakeem Jeffries (2.v.l), Minderheitenführer des US-Repräsentantenhauses, begrüßt Wolodymyr Selenskyj im Kapitol.
Foto: J. Scott Applewhite/DPA

Schwerer Raketenbeschuss auf beiden Seiten hat heute das Kriegsgeschehen in der Ukraine geprägt. Mehrere Verletzte gab es durch massive russische Raketenangriffe auf die Ukraine. Dabei nahm Moskau erstmals seit dem vergangenen Winter wieder das ukrainische Energiesystem ins Visier.

Ukrainische Streitkräfte beschossen einen russischen Militärflugplatz auf der Schwarzmeerhalbinsel Krim. In den USA wirbt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj um die Lieferung von US-Raketen vom Typ ATACMS - und dabei indirekt um Marschflugkörper vom Typ Taurus aus Deutschland. Polen düpiert die ukrainischen Partner mit einem geplanten Ende von Waffenlieferungen.

Selenskyj im US-Kongress: Dankbar für Unterstützung

Selenskyj zeigte sich nach einem Treffen mit US-Senatoren optimistisch. »Wir hatten ein tolles Gespräch«, sagte Selenskyj in der US-Hauptstadt Washington. Er sei dankbar für die Unterstützung für sein Land, es seien nun viele Details beredet worden. Der 45-Jährige hatte zuvor Senatoren und Abgeordnete getroffen. Im Anschluss daran traf Selenskyj am Pentagon ein und wurde von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in Empfang genommen.

Ende Dezember war der ukrainische Präsident schon einmal in Washington zu Gast gewesen. Damals wurde er wie ein Held empfangen, sprach unter dem Jubel von Abgeordneten und Senatoren vor beiden Kongresskammern. Der US-Sender CNN berichtete nun, dass der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, dies für den aktuellen Besuch abgelehnt habe. »Wir haben keine Zeit für eine gemeinsame Sitzung«, zitierte der Sender den Republikaner.

Neues US-Militärpaket für die Ukraine

Die USA stellen der Ukraine zur Verteidigung gegen den Aggressor Russland weitere Militärhilfe bereit. Neu genehmigt werden Waffen und Ausrüstung im Wert von 128 Millionen Dollar (rund 120 Millionen Euro) aus Beständen des US-Militärs, wie das Außenministerium in Washington am Donnerstag mitteilte. Das Pentagon werde zudem Waffen und Ausrüstung im Wert von 197 Millionen US-Dollar bereitstellen, die bereits zuvor genehmigt wurden.

Das Paket mit einem Gesamtwert von rund 325 Millionen Dollar umfasst nach Angaben aus dem Pentagon unter anderem Artilleriemunition und Systeme zur Abwehr feindlicher Luftangriffe. Die aus Kiew geforderten ATACMS-Raketen mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometer sind darin nicht enthalten.

US-Präsident Biden kündigte nach dem Treffen mit Selenskyj in Washington an, dass die ersten von den USA zugesagten Kampfpanzer vom Typ M1 Abrams in der kommenden Woche geliefert würden. Die US-Regierung hatte im Januar angekündigt, der Ukraine 31 Abrams-Panzer zu liefern. Im März sprach das Pentagon dann von einer geplanten Lieferung im Herbst.

Kiew meldet Erfolg bei Angriff auf russischen Militärflughafen

Die ukrainischen Streitkräfte griffen unterdessen nach eigenen Angaben in der Nacht den russischen Luftwaffenstützpunkt Saki auf der annektierten Halbinsel Krim massiv an. Das berichteten ukrainische Medien unter Berufung auf Quellen im Geheimdienst SBU. Es sei eine gemeinsame Aktion von SBU und Marine gewesen. Das russische Verteidigungsministerium teilte lediglich mit, über dem Schwarzen Meer und der Krim seien nachts 19 ukrainische Kampfdrohnen abgeschossen worden.

Nach ukrainischen Angaben war der Plan, mit den Drohnen die Flugabwehr auf der 2014 von Russland annektierten Halbinsel zu überfordern. Danach sei der Militärflugplatz mit umfunktionierten Anti-Schiffs-Raketen vom Typ Neptun beschossen worden. Ähnlich schilderten russische Militärblogger die nächtliche Attacke. Der russischen Technik auf dem Flugplatz sei »ernsthafter Schaden« zugefügt worden, hieß es aus dem SBU.

In den vergangenen Wochen gelangen den Ukrainern mehrere Treffer gegen die russische Flugabwehr auf der Halbinsel. Die Ukraine wehrt seit fast 19 Monaten eine russische Invasion ab. Sie will alle besetzten Gebiete einschließlich der Krim zurückholen.

Ukraine meldet Zerstörung von russischem Kommandopunkt

Die ukrainische Armee hat nach Geheimdienstangaben eine Kommandostelle der russischen Streitkräfte in der besetzten Stadt Melitopol zerstört. Der Stab sei versteckt in einer Motorenfabrik untergebracht gewesen, berichteten ukrainischen Medien am Donnerstag unter Berufung auf den Geheimdienst SBU. Mit einem Raketenangriff sei dann das Ziel vernichtet worden.

Melitopol im Süden der Ukraine dient der russischen Besatzung als Verwaltungshauptstadt für das nicht vollständig eroberte Gebiet Saporischschja. Die ukrainische Seite nahm für sich in Anspruch, bei dem Angriff den Kommandeur der 58. Armee Russlands und dessen Stabschef verletzt zu haben. Unabhängig überprüfen ließ sich dies nicht.

Opfer nach neuen Luftangriffen auf Ukraine

Russland überzog die Ukraine am frühen Morgen mit schweren Luftangriffen. In der Hauptstadt Kiew habe es im südöstlichen Bezirk Darnyzkyj eine Explosion gegeben, herabfallende Trümmerteile hätten Wohngebäude beschädigt, berichteten ukrainische Medien. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko sprach von sieben Verletzten. Auf Fotos war zu sehen, wie Verwundete in Sicherheit gebracht wurden. Auch aus anderen Stadtteilen von Kiew wurde von Schäden berichtet; es gab einige Stromausfälle.

Die ukrainische Luftwaffe fing nach eigenen Angaben bei dem massiven Angriff 41 russische Marschflugkörper ab. Sie seien von strategischen Bombern über der Wolga-Region gestartet worden. Erstmals seit dem vergangenen Winter wurde auch das ukrainische Energiesystem wieder attackiert. Aus der westukrainischen Großstadt Riwne berichtete Gebietsgouverneur Witalij Kowal, Objekte der Energieinfrastruktur seien getroffen worden. In und um Riwne gebe es Stromausfälle.

Russland hatte im vergangenen Winter versucht, die Ukraine durch systematisches Bombardement auf das Energiesystem in die Knie zu zwingen. Das angegriffene Land hielt die Versorgung der Menschen mit Strom, Heizung, Gas und Wasser nur unter größter Mühe aufrecht.

In der zentralukrainischen Stadt Tscherkassy wurde Angaben des ukrainischen Innenministers Ihor Klymenko zufolge heute ein Hotelgebäude getroffen. Dort seien sieben Menschen verletzt und zehn weitere in Sicherheit gebracht worden, teilte Klymenko auf Telegram mit. In Charkiw im Osten des Landes gab es demnach zwei Opfer. Auch aus dem Gebiet Lwiw im Westen wurde Raketenbeschuss gemeldet.

Warschau düpiert Kiew mit geplantem Ende von Waffenlieferungen

Vor dem Hintergrund eines Streits um das polnische Importverbot für ukrainisches Getreide will die Regierung in Warschau ihre Waffenlieferungen an Kiew auf bereits abgeschlossene Verträge beschränken. »Im Zusammenhang mit Fragen zu Waffenlieferungen möchte ich Ihnen mitteilen, dass Polen nur zuvor vereinbarte Lieferungen von Munition und Rüstungsgütern ausführt. Einschließlich derjenigen, die sich aus unterzeichneten Verträgen mit der Ukraine ergeben«, sagte Regierungssprecher Piotr Müller.

Polens Präsident Andrzej Duda rief beide Seiten zur Mäßigung auf. »Es gibt einen Aspekt, der vielleicht umstritten ist. Es gab Äußerungen, die man vielleicht anders hätte formulieren können. Wir müssen die Situation beruhigen zum Wohle unserer beider Länder, Völker und Interessen«, sagte Duda am Donnerstag dem Sender Polsat News. Man müsse die Emotionen herunterkühlen und einen konstruktiven Zugang finden, der es ermögliche, den Streit hinter sich zu lassen.

Polen hatte wie die Slowakei und Ungarn an Importbeschränkungen für ukrainisches Getreide festgehalten, nachdem die EU-Kommission am vergangenen Freitag entsprechende Beschränkungen aufgehoben hatte. Dies hatte Kiew verärgert.

© dpa-infocom, dpa:230921-99-273881/10