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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Wenn die Ukraine kommende Woche ihren Unabhängigkeitstag feiert, wird zugleich an den Kriegsbeginn vor anderthalb Jahren erinnert. Kiew arbeitet derweil weiter an einem Friedensgipfel. Die News im Überblick.

Bachmut
Ukrainische Soldaten fahren in Geländewagen an der Frontlinie in Bachmut. Foto: LIBKOS/DPA
Ukrainische Soldaten fahren in Geländewagen an der Frontlinie in Bachmut.
Foto: LIBKOS/DPA

Die ukrainische Führung sieht nach eigenen Angaben Fortschritte in ihrem Streben nach westlichen Sicherheitsgarantien vor einer künftigen Aggression Russlands. Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach in seiner Videobotschaft von einem »diplomatischen Erfolg«. Inzwischen hätten sich 18 Staaten der Erklärung der Gruppe der sieben führenden Industrienationen (G7) zu solchen Sicherheitsgarantien angeschlossen. Details nannte er nicht.

Mit Blick auf den Unabhängigkeitstag am kommenden Donnerstag (24. August) sagte Selenskyj, die Ukraine habe einen Schritt vorwärts gemacht, um Teil der stärksten Staaten der Welt zu werden. Das vom Krieg ausgezehrte Land verteidigt sich mit Hilfe des Westens seit fast 18 Monaten gegen den russischen Angriffskrieg, der am 24. Februar 2022 begonnen hatte. Zum Unabhängigkeitstag wird der Krieg auf den Tag genau anderthalb Jahre gedauert haben.

Der Leiter des Präsidentenamtes in Kiew, Andrij Jermak, teilte im Nachrichtenkanal Telegram mit, dass mit den USA und Großbritannien die Verhandlungen für Sicherheitsgarantien liefen. Beginnen sollten demnach bald auch Gespräche mit anderen G7-Staaten. Bis Jahresende sollten die ersten bilateralen Vereinbarungen unterzeichnet sein, sagte er. Es gehe darum, nach Ende der russischen Invasion keinen neuen Krieg und keine Wiederholung der Aggression Moskaus zuzulassen.

Kiew: Wachsendes Interesse an »Friedensformel«

Selenskyj und Jermak betonten, dass nicht zuletzt die Arbeit an der »Friedensformel« weitergehe. Ein Kernziel ist der Abzug der russischen Truppen vor dem Beginn möglicher Verhandlungen. Russland weist das als realitätsfern zurück. Nach Darstellung Selenskyjs arbeiten inzwischen 63 diplomatische Missionen an seiner »Friedensformel«. Die Zahl der teilnehmenden Botschafter verschiedener Staaten nehme zu, sagte auch Jermak. Er erwartet, dass es innerhalb eines Monats zu einem neuen Treffen der Sicherheitsberater der Staaten komme, um einen Friedensgipfel vorzubereiten.

Nach früheren Angaben Jermaks soll der Gipfel bis Ende des Jahres organisiert werden. Es werde nun auch nach einem Ort gesucht, hatte er Anfang dieses Monats gesagt - nach einem Treffen in Saudi-Arabien von Beratern aus mehr als 40 Ländern. Bei einem zweiten Gipfel solle dann auch Russland hinzugezogen werden. Das Präsidentenamt in Kiew hofft nach eigenen Angaben darauf, dass Russland bis dahin bereits kapituliert haben wird.

Russland: Raketenangriff auf Krim abgewehrt

Russland hat nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau einen ukrainischen Raketenangriff auf der russisch besetzten Schwarzmeerhalbinsel Krim abgewehrt. Das berichtete die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf das Ministerium. Das Geschoss sei in der Nacht von der russischen Flugabwehr abgefangen worden. Demnach habe es weder Verletzte noch Schäden gegeben.

Bericht: Fast 500.000 tote und verletzte Soldaten

Im Ukraine-Krieg könnten einem Medienbericht zufolge nach US-Schätzung fast eine halbe Million Soldaten auf beiden Seiten getötet oder verwundet worden sein. Die Zahl der insgesamt seit Kriegsbeginn getöteten oder verwundeten ukrainischen und russischen Truppen nähere sich 500.000, zitierte die »New York Times« US-Regierungsbeamte. Diese warnten zugleich, dass die Verluste schwer zu schätzen seien, da Kiew keine Zahlen veröffentliche und vermutet werde, dass Moskau zu geringe Toten- und Verletztenzahlen nennt.

Dem Bericht zufolge gehen die nicht namentlich genannten US-Beamten auf russischer Seite von 120.000 getöteten und 170.000 bis 180.000 verwundeten Soldaten aus. Für die Ukraine sprachen sie demnach von etwa 70.000 getöteten und 100.000 bis 120.000 verletzten Soldaten. Unabhängig überprüfen lassen sich diese Zahlen nicht.

Ex-US-General: Deutschland und USA zu zögerlich

Der ehemalige US-General Ben Hodges hat Deutschland und den USA mangelnde Entschlossenheit bei der Unterstützung der Ukraine vorgeworfen. »Will der Westen den Sieg der Ukraine? Mein Glaube schwindet«, sagte der ehemalige Befehlshaber der US-Streitkräfte in Europa in einem Interview des »Tagesspiegel«. Zwar erlaube die US-Regierung nun ihren Verbündeten, F-16-Kampfjets an die Ukraine zu liefern, ihr langes Zaudern vor der Lieferung sei aber »ein Beispiel für die fehlende Entschlossenheit, der Ukraine zum Sieg zu verhelfen«, so Hodges.

Zögerlich sei auch Deutschland bei der Entscheidung über eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern, kritisierte Hodges. Sollte die Gegenoffensive der Ukraine scheitern, »muss man die Regierungen der USA und Deutschlands dafür verantwortlich machen«. Die Ukraine fordert seit längerem von der Bundesregierung die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern für die Verteidigung gegen Russland. Die Ampel ist aber bisher zurückhaltend. Es gibt Befürchtungen, dass die Waffen auch russisches Territorium erreichen könnten.

Die USA haben nach Angaben der Niederlande und Dänemarks der Lieferung von F-16-Kampfflugzeugen an die Ukraine zugestimmt. Zuvor hatten sich die beiden Länder bereit erklärt, F-16 an die Ukraine zu liefern. Sie wollen auch ukrainische Piloten ausbilden. Es dürfte aber mehrere Monate dauern, bis die F-16 tatsächlich auch geliefert werden können. Da es sich um ein Waffensystem aus den USA handelt, braucht es die Zustimmung Washingtons. Von der US-Regierung hatte es am Donnerstag geheißen, man wolle Dänemark und den Niederlanden eine schnelle Weitergabe der F-16 ermöglichen.

Biden: Krieg betrifft nicht nur Europa

Der russische Einmarsch in die Ukraine betrifft nach Auffassung von US-Präsident Joe Biden unterdessen nicht nur Europa. »Diese Art von Invasion hat es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben«, sagte Biden nach einem Gipfeltreffen mit Japans Regierungschef Fumio Kishida und dem südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk Yeol in Camp David. Es sei nach Kriegsbeginn entscheidend gewesen, »deutlich zu machen, dass die Folgen eines Krieges weit über Europa hinausgehen«, sagte er auch mit Blick darauf, was es bedeuten würde, wenn ein asiatisches Land ein anderes Land in der Region derart angreifen würde.

Mit Blick auf die Ukraine betonte Biden außerdem: »Und was den Frieden angeht, so wollen wir das alle.« Allen voran wollten dies die Ukrainer. Die US-Regierung sei darüber ständig mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj und dessen Team in Kontakt, so Biden. »Russland hat bereits verloren und kann sein ursprüngliches Ziel nicht mehr erreichen, das ist nicht möglich.«

Was am Samstag wichtig wird

Im Osten und Süden der Ukraine setzen Kiews Streitkräfte mit westlicher Waffenhilfe ihre Gegenoffensive gegen die russische Invasion fort. Beide Seiten sprechen von schweren Gefechten, bei denen sie immer wieder Angriffe der Gegenseite zurückschlagen.

© dpa-infocom, dpa:230819-99-883268/3