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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Die Ukraine hat Marschflugkörper aus Großbritannien und Frankreich. Mit denen schießt sie nicht nach Russland hinein. Dennoch gibt es Bedenken zu den Taurus-Raketen aus Deutschland. Die News im Überblick.

Ukraine-Krieg
Ukrainische Freiwillige üben für den Kampf auf einem Übungsplatz am Stadtrand von Kiew. Foto: Bram Janssen/DPA
Ukrainische Freiwillige üben für den Kampf auf einem Übungsplatz am Stadtrand von Kiew.
Foto: Bram Janssen/DPA

Die Ukraine bekräftigt ihre Forderung nach Marschflugkörpern Taurus aus Deutschland und versucht Bedenken in Berlin gegen die Lieferung auszuräumen. Wegen ihrer hohen Reichweite würden die Taurus militärisch dringend benötigt - genauso wie die ebenfalls erbetenen ATACMS aus den USA, erklärte Außenminister Dmytro Kuleba in Kiew. Er sicherte zu: »Beide werden ausschließlich innerhalb unserer Grenzen eingesetzt werden.« Ähnlich äußerte sich Vizeverteidigungsministerin Hanna Maljar.

Die Befürchtung, dass die Ukraine mit den bunkerbrechenden Waffen russisches Gebiet beschießen könnte, gilt als Grund für das Zögern in Berlin. Allerdings steigt der Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die Taurus-Lenkraketen mit einer Reichweite von 500 Kilometern an die Ukraine zu liefern. Einem »Spiegel«-Bericht zufolge wird erwogen, die Waffen so zu programmieren, dass sie nicht gegen Ziele in Russland gerichtet werden können.

Präsident Wolodymyr Selenskyj beriet mit Spitzenvertretern aus Militär und Regierung, wie die Alternativrouten für Getreideexporte ausgebaut werden können. Die Schwarzmeerhäfen hat Russland blockiert.

An der Front im Osten und Süden der Ukraine gab es unterdessen weiter schwere Gefechte, wie der ukrainische Generalstab am Freitagabend meldete.

Explosionen an Krim-Brücke

An der Brücke von Kertsch zwischen dem russischen Festland und der völkerrechtswidrig annektierten ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim gab es derweil erneut Explosionen. Die russische Luftabwehr habe am Samstagmittag zwei feindliche Raketen abgeschossen, teilte der von Moskau eingesetzte Statthalter der Halbinsel, Sergej Aksjonow, auf Telegram mit. »Die Krim-Brücke ist nicht beschädigt«, schrieb er. Unabhängig überprüfen ließ sich das zunächst nicht. Der Autoverkehr über das 19 Kilometer lange Bauwerk wurde vorübergehend eingestellt.

In sozialen Netzwerken wurden derweil Fotos und Videos veröffentlicht, die hohe Rauchsäulen an der für Russland strategisch wichtigen Brücke zeigen. Anwohner berichteten demnach von Explosionsgeräuschen. Wenig später schrieb Aksjonow, es habe erneut einen Raketenangriff gegeben, der ebenfalls abgewehrt worden sei. Auch das ließ sich nicht überprüfen. Russlands Verteidigungsministerium sprach zunächst nur von einem Angriffsversuch.

Russischer Kampfjet in Region Kaliningrad abgestürzt

In der russischen Ostsee-Exklave Kaliningrad stürzte offiziellen Angaben zufolge ein russisches Kampfflugzeug bei einem Trainingsflug ab. »Die Besatzung des Flugzeugs kam ums Leben«, teilte das russische Verteidigungsministerium am Samstag laut Agentur Interfax mit. Um wie viele Insassen es sich handelte, war zunächst unklar. Auch die genaue Absturzstelle wurde nicht genannt. Die Maschine vom Typ Suchoi Su-30 sei über unbewohntem Gebiet geflogen, als technische Probleme aufgetreten seien, hieß es.

Russland will Drohnen über abgewehrt haben

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau wehrten russische Streitkräfte in der Nacht eine Drohnenattacke Kiews über der annektierten Schwarzmeerhalbinsel Krim ab. Die Ukraine habe die Krim mit 20 unbemannten Luftfahrzeugen angegriffen.

»Der vereitelte Terroranschlag hat weder Opfer gefordert noch Schaden verursacht«, teilte das Ministerium laut einem Bericht der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass am Morgen mit. Demnach sollen 14 Drohnen von der Luftabwehr zerstört worden sein. Sechs weitere seien blockiert worden. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig verifizieren. Zuvor war in der Nacht über Teilen der Krim die Flugabwehr aktiviert worden.

Russische Angriffe an allen Frontabschnitten

Der ukrainische Generalstab berichtete für Freitag von heftigem russischem Artilleriebeschuss und von Luftangriffen an fast allen Frontabschnitten. Am Boden versuchten russische Truppen bei Kupjansk, Bachmut, Awdijiwka und Marjinka vorzurücken. Diese Angriffe seien abgewehrt worden, hieß es im Abendbericht. Unabhängig überprüfbar sind die Militärangaben nicht. Es wurde nichts zu eigenen Angriffen im Rahmen der ukrainischen Gegenoffensive berichtet.

Bei einem russischen Raketenangriff sei es gelungen, eine von vier Hyperschallraketen des Typs Kinschal abzufangen. Einschläge gab es den Angaben nach im Westen des Landes, wo die ukrainische Luftwaffe ihre Stützpunkte hat.

Ukraine: Grenzgebiet Sumy erneut unter russischem Beschuss

Russland griff nach Angaben der regionalen Militärverwaltung erneut das ukrainische Gebiet Sumy nahe der russischen Grenze an. Im Tagesverlauf sei das Gebiet im Nordosten der Ukraine neunmal unter Beschuss geraten, teilte die Militärverwaltung von Sumy am Freitagabend bei Telegram mit.

Insgesamt seien 51 Explosionen registriert worden. Dabei seien unter anderem in der Gemeinde Seredyna-Buda zwei Wohnhäuser beschädigt worden. Berichte über Opfer gab es zunächst nicht. Die Angaben ließen sich nicht verifizieren.

Kiew fordert Zusage für Taurus-Lenkraketen

»Je größer die Reichweite, desto kürzer der Krieg«, schrieb Außenminister Kuleba gestern im sozialen Netzwerk X (früher Twitter) über die erbetenen Marschflugkörper. »Wir bitten unserer Partner, sie so schnell wie möglich zur Verfügung zu stellen.«

Die Ukraine braucht diese Waffen, um russische Stützpunkte und Versorgungslinien weit hinter der Front auszuschalten. Von Großbritannien und Frankreich hat die Ukraine bereits ähnliche Marschflugkörper des Typs Storm Shadow/Scalp bekommen. Auch diese wurden nicht gegen russisches Staatsgebiet, sondern nur gegen Ziele in den russisch besetzten Teilen der Ukraine eingesetzt.

Die Ukraine halte sich an Völkerrecht, sagte die stellvertretende Verteidigungsministerin Maljar dem ZDF-»heute-journal«. »Das bedeutet, dass die Ukraine sich nur auf ihrem Territorium verteidigt.« Strategisches Ziel sei die Befreiung der von Russland besetzten Gebiete.

Druck auf Scholz nimmt zu

In Berlin forderten Politiker aus Regierungsparteien und Opposition, den ukrainischen Streitkräften die Taurus zu überlassen. Scholz sagte indes der »Thüringer Allgemeinen«: »Es gibt in dieser Frage keinen neuen Sachstand mitzuteilen.« Auch das Verteidigungsministerium machte deutlich, es gebe keinen geänderten Kurs. Nach Medienberichten laufen indes Gespräche zwischen Ministerium und Rüstungsindustrie, um die Lieferung vorzubereiten.

USA verhängt Sanktionen gegen russische Bankchefs

Die US-Regierung verhängte derweil Sanktionen gegen vier - wie es hieß - »prominente Mitglieder der russischen Finanzelite«. Sie seien mit der Alfa Gruppe verbunden, einem der größten Finanz- und Industriekonzerne in Russland, teilte das Außenministerium mit. Betroffen sind die Oligarchen Michail Fridman, Mitbegründer der Alfa Gruppe, German Chan, Alexej Kusmitschow und Pjotr Awen. Als eine Folge werden mögliche Vermögenswerte in den USA gesperrt.

Russische Wirtschaft wächst wieder

Die russische Wirtschaft wuchs im Frühjahr nach offiziellen Angaben wieder. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte im zweiten Quartal um 4,9 Prozent zum Vorjahr zu, wie das Statistikamt bekanntgab. Zuvor war die russische Wirtschaft vier Quartale in Folge im Jahresvergleich geschrumpft. Allerdings beruht das Wachstum vor allem auf Staatsausgaben, auf den hohen Kosten für den Krieg gegen die Ukraine. Der private Konsum wird durch gestiegene Sozialleistungen und höhere Löhne beflügelt. Der Rubel ist zum Dollar und zum Euro auf den niedrigsten Stand seit März 2022 gefallen.

© dpa-infocom, dpa:230812-99-812528/9