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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Marschflugkörper vom Typ Taurus könnten auch russisches Gebiet erreichen. Berlin schreckt von einer Lieferung zurück. In Polen und Litauen wächst die Sorge vor russischer Aggression. Die News im Überblick.

Ismajil
Das Gebäude der ukrainischen Donauschifffahrtsgesellschaft in Ismajil ist nach einem russischen Drohnenangriff auf die Hafeninfrastruktur schwer beschädigt worden. Foto: Ukrinform/DPA
Das Gebäude der ukrainischen Donauschifffahrtsgesellschaft in Ismajil ist nach einem russischen Drohnenangriff auf die Hafeninfrastruktur schwer beschädigt worden.
Foto: Ukrinform/DPA

Die Ukraine will im Zuge ihrer Gegenoffensive russische Stellungen auch weit hinter der Front angreifen - die Bundesregierung ist aber weiter nicht bereit, Marschflugkörper vom Typ Taurus an Kiew zu liefern. Das sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Donnerstag in Bayern. Polen und Litauen wollen unterdessen ihre Grenzen zu dem mit Moskau verbündeten Belarus stärker schützen.

Sorge bereitet dort unter anderem die sogenannte Suwalki-Lücke - ein schmaler Korridor zwischen dem russischen Kaliningrad und Belarus, der die baltischen Staaten mit Polen und den anderen Nato-Staaten verbindet.

Ein US-Institut sieht in Russlands Angriffen auf ukrainische Häfen den gezielten Versuch, Getreidepreise in die Höhe zu treiben.

Pistorius will keine Marschflugkörper an Ukraine liefern

»Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass das jetzt gerade nicht unsere vorrangigste Priorität hat«, sagte Pistorius am Donnerstag beim Besuch einer Gebirgsjägerbrigade in Bayern zur ukrainischen Forderung nach Taurus-Marschflugkörpern. Die Bedenken gegen die Lieferung lägen auf der Hand. »Wir sind nicht die einzigen, die nicht liefern. Auch unsere amerikanischen Verbündeten liefern diese Marschflugkörper nicht. Unsere haben eine besondere Reichweite.«

Die Ukraine fordert von Berlin Marschflugkörper vom Typ Taurus, um auch Stellungen der russischen Streitkräfte weit hinter der Frontlinie angreifen zu können. Berlin ist dabei zurückhaltend, weil die Geschosse auch russisches Territorium erreichen können.

Innerhalb der Ampel-Parteien gibt aber unterschiedliche Ansichten zu den Marschflugkörpern. So forderte kürzlich etwa der FDP-Verteidigungsexperte Marcus Faber die Lieferung. Viele der 600 Marschflugkörper, die die Bundeswehr im Besitz habe, seien einsatzbereit. Nachdem die Gegenoffensive der Ukraine ins Stocken geraten sei, wäre die Lieferung jetzt der richtige Zeitpunkt. Die Flugkörper könnten helfen, die Logistikketten der russischen Armee zu unterbrechen und somit deren Munitionsversorgung zu stören.

US-Institut: Russische Angriffe zielen auf ukrainisches Getreide

Bei Russlands Angriffen auf ukrainische Häfen mit Getreidesilos handelt es sich nach Einschätzung von Experten wohl um gezielte Attacken, um die Lebensmittelpreise in die Höhe zu treiben. Russland könne durch das Fernhalten des ukrainischen Getreides vom Weltmarkt darauf hoffen, von höheren Preisen zu profitieren, teilte das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) in Washington am Mittwochabend (Ortszeit) mit.

Die Experten verwiesen auf die Zerstörung von 40.000 Tonnen Getreide in einem Hafen im Raum Odessa in der Nacht zum 2. August. Demnach stiegen die durch militärische Angriffe vernichteten Mengen auf inzwischen mehr 200.000 Tonnen Getreide, seit Russland am 17. Juli das Abkommen zur Verschiffung ukrainischer Lebensmittel über das Schwarze Meer aufgekündigt hat.

Moskau unterbindet kritische Äußerungen russischer Blogger

Die ISW-Experten betonten in ihrem täglichen Bericht auch, dass der Kreml und das Verteidigungsministerium in Moskau inzwischen kritische Äußerungen russischer Militärblogger zum Verlauf des Krieges in der Ukraine weitergehend unterbunden hätten. Viele dieser Kriegsunterstützer verhielten sich still, übten mehr Selbstzensur und schwiegen insgesamt zu den »Problemen, die direkt der Militärführung angelastet werden können«. Das Ministerium hatte zuletzt auch Offiziere abgesetzt, die Missstände angesprochen hatten.

Russland stuft Norwegen als »unfreundlichen Staat« ein

Die russische Regierung erklärte Norwegen zu einem »unfreundlichen Staat«. Der Erlass vom Donnerstag sieht unter anderem Einschränkungen bei der Beschäftigung russischer Staatsbürger als Botschafts- oder Konsulatsmitarbeiter vor, wie es auf der Webseite der Regierung hieß. Norwegen soll demnach die Höchstzahl an 27 beschäftigten Ortskräften landesweit nicht überschreiten.

Die russische Regierung hatte 2021 nach einem Erlass des Präsidenten Wladimir Putin mit der Erstellung einer Liste »unfreundlicher Staaten« begonnen. Inzwischen stehen rund 50 Staaten auf der Liste, unter ihnen auch Deutschland, Frankreich, die USA, die Ukraine und die EU als Staatenverbund. Dadurch ist die Arbeit der diplomatischen Vertretungen der jeweiligen Länder deutlich eingeschränkt.

Polen und Litauen wollen Grenzen gegen Belarus sichern

Angesichts der Spannungen mit Belarus haben Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki und Litauens Staatschef Gitanas Nauseda einen stärkeren Schutz der Grenzen angekündigt. Sie trafen sich am Donnerstag im polnischen Grenzort Suwalki, der der sogenannten Suwalki-Lücke den Namen gegeben hat.

Man verteidige die polnische Grenze gegen Provokationen des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko und der russischen Privatarmee Wagner, sagte Morawiecki der Agentur PAP zufolge. Nauseda schloss nicht aus, dass die Anrainer Polen, Litauen und Lettland koordiniert ihre Grenze zu Belarus schließen könnten.

Suwalki-Lücke Ziel für Übergriffe aus Russland und Belarus?

Belarus bereitet Polen seit längerem Probleme durch das Einschleusen von Flüchtlingen. Zuletzt sind Tausende Wagner-Kämpfer nach Belarus verlegt worden. Am Dienstag verletzten zwei belarussische Militärhubschrauber kurz den polnischen Luftraum.

Bei Suwalki verbindet ein schmaler Landstreifen Polen mit seinen EU- und Nato-Nachbarn im Baltikum. Die hochgerüstete russische Ostsee-Exklave Kaliningrad und das eng mit Moskau verbündete Belarus liegen nur 65 Kilometer weit auseinander. Der litauische Präsident sagte, dieser Korridor sei weiter ein potenzielles Ziel für Übergriffe sowohl vonseiten Russlands als auch von Belarus.

Baltische Regierungschefs für Ausstieg aus russischem Stromnetz

Estland, Lettland und Litauen wollen ihre bislang ans russische Energiesystem gekoppelten Stromnetze im Februar 2025 mit dem übrigen Kontinentaleuropa synchronisieren. Die Regierungschefs der drei baltischen EU- und Nato-Staaten unterzeichneten am Donnerstag eine entsprechende gemeinsame Erklärung.

Ukraine und Russland melden neue Drohnenangriffe

Die Ukraine und Russland haben erneut feindliche Drohnenangriffe gemeldet. Die ukrainische Flugabwehr habe alle 15 Shahed-Drohnen in der Nacht zum Donnerstag abgeschossen, teilten die Luftstreitkräfte in Kiew mit. Zerstört worden seien auch sieben russische Aufklärungsdrohnen. Über Schäden oder Verletzte war zunächst nichts bekannt.

Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, im Raum Kaluga sei eine ukrainische Attacke abwehrt worden. Insgesamt wurden demnach sechs Drohnen vernichtet. Auch dort gab es nach offiziellen Angaben keine Verletzten oder Schäden. Die Angaben der Kriegsparteien lassen sich häufig nicht unmittelbar unabhängig überprüfen.

© dpa-infocom, dpa:230803-99-674378/6