Die russische Hauptstadt Moskau mit ihrem Wolkenkratzerviertel Moskwa City ist zum zweiten Mal binnen drei Tagen Ziel eines feindlichen Drohnenangriffs geworden. Mehrere Drohnen seien in der Nacht zum Dienstag bei dem Versuch, nach Moskau zu fliegen, von der Flugabwehr abgeschossen worden, teilte Bürgermeister Sergej Sobjanin im Nachrichtendienst Telegram mit. Allerdings habe eine Drohne dasselbe Hochhaus beschädigt, das bereits am Sonntag Ziel einer Attacke war. Niemand sei verletzt worden. Angaben der Kriegsparteien lassen sich kaum unabhängig überprüfen.
Russische Truppen griffen in der Nacht die ostukrainische Großstadt Charkiw mit Kamikaze-Drohnen iranischer Bauart an. Ein dreistöckiges Wohnheim sei fast vollständig zerstört worden, teilte die regionale ukrainische Staatsanwaltschaft mit. Präsident Wolodymyr Selenskyj schrieb auf Telegram, dass fünf Shahed-Drohnen Charkiw getroffen hätten. In der südukrainischen Stadt Cherson wurde ein Krankenhaus durch russischen Beschuss beschädigt. Dabei wurden ein junger Arzt getötet und vier Menschen verletzt. Russland führt seit mehr als 17 Monaten einen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Zweiter Drohnentreffer in Moskwa City
Das moderne Büro-, Geschäfts- und Wohnviertel Moskwa City mit seinen bis zu 373 Meter hohen Türmen gilt als Symbol der Macht Russlands. Bei dem zweiten Treffer im selben Hochhaus sei diesmal die 21. Etage beschädigt worden, teilte Bürgermeister Sobjanin mit. Seinen Angaben nach wurde die Fassadenverglasung auf 150 Quadratmetern zerstört.
Das russische Verteidigungsministerium schrieb den Angriff der Ukraine zu und sprach von einem Terroranschlag. Dabei stehen die bislang angerichteten kleinen Schäden in Moskau in keinem Verhältnis zu den Toten, Verletzten und schweren Zerstörungen durch die massenhaften Attacken Russlands auf die Ukraine.
Das russische Abwehrsystem könne solche Angriffe nicht abwehren, sagte der Experte Iwan Stupak in der Ukraine. »Die Attacken gegen Moskwa City gelten für den Kreml als unfassbar schmerzhaft, weil das die Unfähigkeit zeigt, das Herz der Hauptstadt zu schützen«, sagte der langjährige Mitarbeiter des Geheimdienstes SBU im Fernsehen.
»Die Gefahr existiert, sie ist offensichtlich, Maßnahmen werden ergriffen«, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen. Er verwies auf die Zuständigkeit des Verteidigungsministeriums, für den Schutz der Hauptstadt zu sorgen.
Brandanschläge auf russische Musterungsbehörden
In Russland wurden außerdem erneut mehrere Musterungsstellen Ziel von Brandanschlägen. Im Gebiet Tscheljabinsk wurden zwei Frauen wegen Brandstiftung festgenommen, berichtete das Online-Nachrichtenportal »Shot«. Tags zuvor informierte die Pressestelle der Stadt St. Petersburg über die Festnahme eines Mannes. Er soll einen Molotow-Cocktail auf ein Militärkommissariat geworfen haben.
Seit Samstag wurden auch Einberufungsstellen in den Städten Podolsk, Sewerodwinsk, Kasan, Kaluga, Moschaisk, Woronesch, Omsk, Ulan-Ude und auf der von Russland 2014 annektierten Halbinsel Krim angegriffen. In einigen Fällen seien Senioren für die Anschläge verantwortlich, berichteten lokale Online-Medien. Die Rede war unter anderem von einem 76-Jährigen und einer 62-jährigen Frau.
Russland meldet Abwehr ukrainischer Seedrohnen
Die russische Schwarzmeerflotte hat nach Militärangaben drei Attacken von ukrainischen Seedrohnen auf ihre Schiffe abgewehrt. Die Ukraine habe versucht, die Patrouillenschiffe »Sergej Kotow« und »Wassili Bykow« mit den unbemannten Sprengbooten anzugreifen. Die Objekte seien durch Bordwaffen der russischen Schiffe vernichtet worden, teilte das Verteidigungsministerium mit. Die Korvetten seien weiter auf Kontrollfahrt im Schwarzen Meer. Russland will mit einer Seeblockade verhindern, dass Getreide aus Odessa und anderen ukrainischen Häfen verschifft wird. Die Seedrohnen sollen ukrainische Eigenproduktionen sein.
Bei den Kämpfen an Land setzt die ukrainische Gegenoffensive nach britischer Einschätzung die russischen Besatzungstruppen im Süden der Ukraine weiter unter Druck. »Zu den allgemeinen Problemen der russischen Kommandeure im Süden dürften knappe Bestände an Artilleriemunition, ein Mangel an Reserven und Probleme bei der Sicherung der Flanken der verteidigenden Einheiten gehören«, teilte das Verteidigungsministerium in London mit. Die Kämpfe konzentrierten sich demnach auf zwei Abschnitte bei der Stadt Orichiw (Gebiet Saporischschja) und Welyka Nowosilka (Gebiet Donezk).
Ukrainisches Getreide kann über Kroatien laufen
Die Ukraine hat nach eigenen Angaben eine Einigung mit Kroatien über die Ausfuhr ihres Getreides über Häfen an der Adria erzielt. Die Agrargüter sollten über die Donau nach Kroatien verschifft werden, teilte das Außenministerium in Kiew mit. Anschließend soll die Fracht per Eisenbahn an die Adriaküste gebracht werden.
Welche Exportmengen damit erreicht werden können, wurde nicht mitgeteilt. Für die Ukraine ist es ein weiterer Transportweg, um die Blockade durch Russland im Schwarzen Meer zu umgehen. Moskau hatte Mitte Juli das unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei geschlossene Abkommen zur Verschiffung des Getreides aufgekündigt.
Ukraine und Polen bestellen gegenseitig Botschafter ein
Im Streit um Äußerungen eines polnischen Staatssekretärs haben die Ukraine und Polen gegenseitig ihre Botschafter einbestellt. Der außenpolitische Berater von Polens Präsident Andrzej Duda, Marcin Przydacz, hatte im Fernsehen Importbeschränkungen für ukrainische Agrarprodukte verteidigt - und in diesem Zusammenhang mehr Dankbarkeit von Kiew gefordert. »Die Ukraine sollte damit beginnen, das zu schätzen, was Polen für sie getan hat«, sagte er. Daraufhin wurde am Dienstag in Kiew der polnische Botschafter einbestellt. Ihm wurde übermittelt, die Äußerungen von Przydacz seien »inakzeptabel«.
Warschau, das seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor mehr als 17 Monaten eigentlich als einer der wichtigsten Unterstützer und engsten Partner Kiews gilt, reagierte daraufhin verärgert: »In der internationalen Politik darf es unter Kriegsbedingungen und unter Berücksichtigung der riesigen Unterstützung Polens für die Ukraine nicht zu solchen Fehlern kommen«, schrieb der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki beim Kurznachrichtendienst Twitter. Polen bestellte seinerseits den ukrainischen Botschafter in Warschau ein.
Am Dienstagabend schlug dann Selenskyj wieder versöhnlichere Töne an: »Wir werden nicht zulassen, dass irgendwelche politischen Momentaufnahmen die Beziehungen zwischen dem ukrainischen und dem polnischen Volk zerstören«, schrieb er auf Twitter. Und: »Die Emotionen sollten auf jeden Fall abkühlen.«
© dpa-infocom, dpa:230801-99-636584/8