In Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine sind nach einer Datenanalyse unabhängiger russischer Medien bereits mindestens 47.000 russische Soldaten getötet worden. Das wären drei Mal so viele wie im sowjetischen Afghanistankrieg von 1979 bis 1989.
Die Analyse stütze sich auf die Zahl der eröffneten Erbfälle und die Statistik der Übersterblichkeit in Russland im vergangenen Jahr, berichtete das an der Auswertung beteiligte Internetportal Meduza. Offiziell gibt es keine Statistik für russische Verluste.
Unterdessen ging die Diskussion über eine Nato-Beitrittsperspektive für die Ukraine vor dem am Dienstag beginnenden Gipfel der Militärallianz in Vilnius weiter. In der Frage der Aufnahme Schwedens machte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die ausstehende Zustimmung seines Landes überraschend von einer Wiederbelebung der Beitrittsgespräche der Türkei zur EU abhängig.
Moskau nennt kaum Zahlen zu Gefallenen
Das Verteidigungsministerium in Moskau hatte zuletzt Ende September 2022 den Tod von 5937 eigenen Soldaten eingeräumt. Die Angaben galten schon damals als stark untertrieben. Die von Meduza und anderen Medien nun veröffentlichten Zahlen stützen sich auf Statistiken und auch auf den Vergleich mit veröffentlichten Todesanzeigen. In die Verlustzahl nicht eingeflossen sind dabei Vermisste und Schwerverletzte sowie Kämpfer, die in den Reihen der Separatistenmilizen der »Donezker Volksrepublik« und der »Luhansker Volksrepublik« gefallen sind - und keinen russischen Pass besessen haben.
Auch ukrainische Angaben über russische Verluste wenig glaubhaft
Auf der Gegenseite werden die Angaben des ukrainischen Militärs, das derzeit von mehr als 230.000 russischen Gefallenen spricht, als Übertreibung betrachtet. Zu eigenen Verlusten schweigt sich Kiew weitgehend ebenso aus wie Russland. Im Dezember vergangenen Jahres hatte Mychajlo Podoljak, Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, von 10.000 bis 13.000 getöteten ukrainischen Soldaten gesprochen. Auch diese Zahl gilt als stark untertrieben.
Tote und Verletzte bei Bombenangriff auf ukrainische Stadt Orichiw
Bei einem russischen Bombenangriff auf die frontnahe Stadt Orichiw im Süden der Ukraine wurden nach offiziellen Angaben mindestens vier Zivilisten getötet und elf weitere verletzt. Das Wohnviertel sei während der Ausgabe von humanitärer Hilfe von einer gelenkten Fliegerbombe getroffen worden, teilte der Chef der Militärverwaltung der Region Saporischschja, Jurij Malaschko, mit.
Nach UN-Angaben vom Freitag starben seit Beginn des russischen Angriffs auf die ganze Ukraine mehr als 9000 ukrainische Zivilisten. Die Dunkelziffer dürfte höher liegen.
Ukrainische Armee: Kontrolle über wichtige Anhöhen um Bachmut
Die ukrainische Armee erlangte nach eigenen Angaben die Kontrolle über wichtige Anhöhen bei Bachmut im Gebiet Donezk von den russischen Truppen zurück. »In Bachmut halten unsere Verteidiger seit mehreren Tagen die Eingänge, Ausgänge und Feindbewegungen in der Stadt unter Feuerkontrolle«, schrieb Vizeverteidigungsministerin Hanna Maljar bei Telegram. »Der Feind befindet sich in der Falle«, sagte der Oberkommandierende der Landstreitkräfte, Olexander Syrskyj. Die stark zerstörte Stadt mit einst über 70.000 Einwohnern war im Mai nach monatelangen Kämpfen von russischen Einheiten erobert worden.
Kreml bestätigt Treffen Putins mit Prigoschin nach Aufstand
Der Kreml bestätigte überraschend Berichte über ein Treffen von Russlands Präsident Wladimir Putin mit dem Chef der Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin - und zwar nach dessen Revolte gegen die Militärführung im Juni. »In der Tat hatte der Präsident ein solches Treffen, er hat dazu 35 Leute eingeladen - alle Kommandeure von Einheiten und die Führung des Unternehmens, darunter Prigoschin selbst«, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Putin hatte die Wagner-Aufständischen zuvor als »Verräter« bezeichnet, ihnen aber auch Straffreiheit zugesichert.
Stoltenberg: Noch keine Einigung über Nato-Perspektive für Kiew
Vor dem Nato-Gipfel in Vilnius ab Dienstag gab es nach Worten von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg noch keine endgültige Entscheidung über die Beitrittsperspektive für die Ukraine. Konsultationen darüber seien weiterhin im Gange.
Scholz: Nato-Beitritt Schwedens und EU-Türkei-Frage auseinanderhalten
Bundeskanzler Olaf Scholz sprach sich gegen die von Erdogan aufgebrachte Verknüpfung des Nato-Beitritts Schwedens mit einer Wiederbelebung des EU-Beitrittsprozesses mit der Türkei aus. Beide Fragen würden nicht miteinander zusammenhängen. Scholz bekräftigte, dass Schweden alle Voraussetzungen für einen Nato-Beitritt erfülle. »Ich hoffe, dass es uns bald gelingt, dass Schweden Nato-Mitglied werden kann.«
Die von den USA geplante Lieferung von Streumunition an die Ukraine wollte Scholz nicht bewerten. »Das ist eine souveräne Entscheidung der Vereinigten Staaten von Amerika«, sagte Scholz in Berlin. Ein Kommentar zur amerikanischen Entscheidung verbiete sich in diesem Zusammenhang. Scholz betonte aber, dass Deutschland dem internationalen Abkommen zur Ächtung von Streumunition beigetreten sei.
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