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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Die Lieferung von Streumunition an die Ukraine ist international umstritten. Russland setzt sie aber selbst ein. Trotzdem sieht Moskau nun einen Dritten Weltkrieg heraufziehen. Die News im Überblick.

Lyman
In der ostukrainischen Stadt Lyman sind nach Behördenangaben mehrere Menschen durch russischen Beschuss ums Leben gekommen, weitere wurden verletzt. Foto: Uncredited/DPA
In der ostukrainischen Stadt Lyman sind nach Behördenangaben mehrere Menschen durch russischen Beschuss ums Leben gekommen, weitere wurden verletzt.
Foto: Uncredited/DPA

Das russische Außenministerium hat die USA scharf für die Lieferung von Streumunition an die Ukraine kritisiert. Dies sei eine weitere »eklatante Offenbarung des aggressiven antirussischen Kurses der USA, der auf die maximale Verlängerung des Konflikts in der Ukraine und einen Krieg bis zum «letzten Ukrainer» zielt«, heißt es in einem am Samstag verbreiteten Kommentar der Außenamtssprecherin Maria Sacharowa. Durch die Streumunition würden noch mehr Zivilisten getötet.

Die Lieferung sei ein Zeichen der Verzweiflung angesichts des »Scheiterns der breit beworbenen ukrainischen Offensive«, heißt es. Das Versprechen der Kiewer Führung, die Munition nur gegen militärische Ziele anzuwenden, bezeichnete Sacharowa als wertlos. Und Amerika werde mit der Lieferung zum Mittäter, warnte sie.

Russland hat vor 500 Tagen seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen. Im Zuge des Kriegs hat Russland landesweit ukrainische Ortschaften beschossen - darunter auch mit Streumunition. So werden Raketen und Bomben bezeichnet, die in der Luft über dem Ziel bersten und viele kleine Sprengkörper verstreuen. Umstritten ist sie vor allem, weil ein erheblicher Teil davon nicht detoniert, sondern als Blindgänger vor Ort verbleibt und so die Bevölkerung gefährdet.

Zudem sind große Teile der Ukraine inzwischen vermint. Durch den von Kremlchef Wladimir Putin befohlenen Krieg sind nach UN-Angaben mindestens 9000 Zivilisten ums Leben gekommen - tatsächlich dürfte die Zahl deutlich höher liegen.

Traditionell begründet Moskau seine Kritik an Waffenlieferungen an die Ukraine damit, dass damit der Krieg nur unnötig in die Länge gezogen und das Leid der Zivilisten im Land verlängert werde. Am Sieg Russlands würden westliche Waffenlieferungen nichts ändern.

Warnung vor Atomkrieg

Es gibt aber auch schrillere Töne in Moskau. Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew hat wegen der angekündigten Lieferung von Streubomben an die Ukraine den USA vorgeworfen, einen Atomkrieg zu provozieren. »Vielleicht hat der von kranken Fantasien geplagte sterbende Opa (gemeint ist US-Präsident Joe Biden) einfach entschieden, schön abzutreten, ein atomares Armageddon zu provozieren und die halbe Menschheit mit sich in den Tod zu reißen«, schrieb der Vizechef des russischen nationalen Sicherheitsrats am Samstag auf Telegram.

Die Lieferung von Streumunition und das Versprechen eines Nato-Beitritts an die Ukraine zeige, dass Biden alle anderen Ressourcen aufgebraucht habe, meinte Medwedew. Dies führe aber zum Dritten Weltkrieg, drohte er. Zuvor hatte schon Russlands Botschafter in Washington, Anatoli Antonow, vor dem Dritten Weltkrieg durch die immer tiefere Verstrickung der USA in den Konflikt gewarnt.

International wird Streubombenlieferung kritisch gesehen

Kritik kommt nicht nur aus Moskau. In einer ersten Reaktion hatte am Freitag auch UN-Generalsekretär António Guterres über einen Sprecher Skepsis ausgedrückt. »Der Generalsekretär unterstützt die Konvention gegen Streubomben, die, wie Sie wissen, vor 15 Jahren verabschiedet wurde«, sagte Sprecher Farhan Haq in New York. Guterres wolle, dass sich Staaten an diese Konvention halten. »Deshalb ist er dagegen, dass weiterhin Streumunition auf Schlachtfeldern eingesetzt wird«, sagte Haq weiter. Laut UN-Angaben sind bisher 111 Staaten Teil der Konvention gegen Streubomben, die USA und die Ukraine zählen nicht dazu.

In Berlin meldete sich der Grünen-Politiker Anton Hofreiter mit Kritik zu Wort. Er stellte sich gegen die von den USA geplante Ausrüstung der ukrainischen Armee mit Streumunition. »Die Lieferung von Streumunition lehne ich ab. Sie ist zurecht geächtet«, sagte Hofreiter der Deutschen Presse-Agentur. Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag forderte stattdessen die Lieferung deutscher Marschflugkörper an die Ukraine und eine Unterstützung der von Dänemark und den Niederlanden geführten Kampfjet-Allianz mit Logistik und Ausbildung.

Britischer Premier Sunak: Raten von Streumunition-Einsatz ab

Auch Großbritannien hält an seiner Ablehnung von Streumunition fest. Das sagte Premierminister Rishi Sunak als Reaktion auf die Ankündigung der USA, die umstrittene Munition an die Ukraine zu liefern. »Das Vereinigte Königreich ist Unterzeichner einer Konvention, die Herstellung oder Nutzung von Streumunition untersagt - und wir raten von dem Einsatz ab«, sagte Sunak dem Nachrichtensender Sky News bei einem Wahlkampfauftritt im nordenglischen Selby.

Großbritannien werde weiterhin seinen Teil dafür tun, um die Ukraine im Kampf gegen Russlands »illegale und grundlose Invasion« zu unterstützen, so der konservative Politiker weiter. Das sei durch die Weitergabe von Kampfpanzern und weitreichenden Waffen an Kiew auch bereits geschehen. Beim anstehenden Nato-Gipfel in Vilnius (11. und 12. Juli) werde man genau mit den Alliierten diskutieren, wie die Unterstützung für die Ukraine noch erhöht werden könne.

Erdogan: Ukraine hat Nato-Mitgliedschaft »zweifellos verdient«

In Vilnius hofft die Ukraine auf feste Zusagen auch zu einem Nato-Beitritt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat diesbezüglich seine Unterstützung für eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine bekundet. "Die Ukraine hat die Nato-Mitgliedschaft zweifellos verdient, sagte Erdogan am Freitagabend nach einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Istanbul.

Polen verlegt mehr als 1000 Soldaten an Grenze zu Belarus

Der Nato-Mitgliedstaat Polen begann derweil mit der Verlegung von mehr als 1000 zusätzlichen Soldaten und fast 200 Militärfahrzeugen in seine östliche Grenzregion zu Belarus. Das teilte Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak nach Angaben der Agentur PAP mit. Mit der »Operation Podlachien« wolle man seine Bereitschaft demonstrieren, auf »Destabilisierungsversuche« an den Grenzen zu reagieren. Die historische Landschaft Podlachien stößt im Osten an die mit Russland verbündete Ex-Sowjetrepublik.

Erst vor kurzem hatten die Staatspräsidenten von Litauen, Polen und Lettland in einem gemeinsamen Schreiben an die Nato ihre Besorgnis über die Entwicklungen im benachbarten Belarus zum Ausdruck gebracht. Hintergrund sind die Stationierung russischer taktischer Atomwaffen sowie die mögliche Unterbringung von Kämpfern der Söldnertruppe Wagner in dem von Präsident Alexander Lukaschenko autokratisch regierten Land.

© dpa-infocom, dpa:230708-99-326952/11