Bei russischen Raketenangriffen auf ukrainische Städte sind mindestens sieben Menschen getötet und rund 50 verletzt worden. Allein im westukrainischen Lwiw (Lemberg) fernab der Front starben nach Angaben des Innenministeriums in Kiew fünf Menschen. Der Bürgermeister von Lwiw, Andrij Sadowyj, sprach vom schwersten Angriff auf die zivile Infrastruktur der Stadt seit Beginn des russischen Angriffskrieges. Mehr als 50 Häuser seien zerstört worden.
Im südukrainischen Gebiet Cherson wurden den Angaben zufolge durch russischen Beschuss mindestens zwei Menschen tödlich verletzt. Bei ihrer Gegenoffensive treffen die ukrainischen Truppen weiter auf starken Widerstand.
Raketen treffen Wohngebiet in Lwiw
Nach dem Raketenangriff auf ein Wohngebiet in Lwiw dauerten die Such- und Rettungsarbeiten weiter an. Es gebe Informationen, dass noch Menschen unter den Trümmern eingeschlossen seien, hieß es von den Behörden. Mehr als 60 Bewohner wurden den Angaben zufolge aus den zerstörten Häusern evakuiert. Sieben Personen seien aus den Trümmern gerettet worden.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kündigte an, dass es »definitiv eine Antwort auf den Feind« geben werde. »Eine spürbare«, schrieb er bei Telegram. Auf Videos sind stark beschädigte und teilweise fast ganz zerstörte Wohnhäuser eines ganzen Straßenzugs zu sehen. Selenskyj schrieb dazu: »Folgen des nächtlichen Angriffs durch russische Terroristen.« In Lwiw halten sich viele Flüchtlinge aus den umkämpften Gebieten im Osten der Ukraine auf.
Dutzende Geschosse auf Cherson abgefeuert
Im Gebiet Cherson im Süden seien 84 russische Artillerieangriffe registriert worden, teilte der ukrainische Militärgouverneur Olexander Prokudin am Donnerstag auf Telegram mit. Betroffen seien auch Wohngebiete. Allein 38 Geschosse seien auf die Stadt Cherson abgefeuert worden. Cherson kämpft ebenso wie das gleichnamige Gebiet weiterhin mit den Flutfolgen nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms Anfang Juni. Dabei steht die Gebietshauptstadt immer wieder unter russischem Beschuss.
Erbitterte Kämpfe rund um Bachmut
Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs konzentrieren die russischen Truppen ihre Hauptangriffe weite auf die Richtungen Lyman, Bachmut, Awdijiwka und Marjinka im Osten des Landes. Luftangriffe habe es auch in den Gebieten Sumy und Charkiw, die an Russland grenzen, gegeben. Bei Bachmut im Gebiet Donezk hätten ukrainische Truppen russische Angriffe erfolgreich abgewehrt. Gleichzeitig habe das ukrainische Militär seine Offensiven südlich und nördlich von Bachmut fortgesetzt und seine Stellungen befestigt. In den Gebieten Saporischschja und Cherson im Süden versuche der Gegner, das Vorrücken der ukrainischen Truppen zu verhindern. Mehr als 40 Ortschaften seien in der Region mit Artillerie beschossen worden.
Lukaschenko: Söldnerchef Prigoschin in St. Petersburg
Der Chef der Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, sei nach seinem Wissen im russischen Sankt Petersburg, sagte Belarus' Machthaber Alexander Lukaschenko am Donnerstag der staatlichen Agentur Belta zufolge. »Auf dem Territorium von Belarus ist er nicht.« In Petersburg befinden sich die Zentrale von Prigoschins Firmenimperium Concord und sein Wohnsitz. Prigoschin war nach dem abgebrochenen bewaffneten Aufstand der Wagner-Söldner gegen die russische Militärführung vor knapp zwei Wochen nach damaligen Angaben Lukaschenkos nach Belarus ausgereist. Lukaschenko sagte, nach seinen Informationen befänden sich die Wagner-Söldner in ihren Feldlagern.
Minsk bestätigt Ankunft russischer taktischer Atomwaffen
Wenige Tage vor dem Nato-Gipfel in Litauen hat Lukaschenko die Verlegung russischer taktischer Atomwaffen in sein Land bestätigt. Eine bestimmte Anzahl von Atomsprengköpfen sei auf belarussisches Territorium gebracht worden, sagte Lukaschenko am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Minsk. »Sie befinden sich unter sicherem Schutz.« Die Staats- und Regierungschefs der Nato kommen am Dienstag und Mittwoch (11./12. Juli) in der litauischen Hauptstadt Vilnius zu ihrem Gipfeltreffen zusammen. Litauen grenzt an Russland und Belarus.
Medien: USA wollen umstrittene Streumunition liefern
Die US-Regierung plant Medienberichten zufolge die Lieferung von Streumunition an die Ukraine. Das berichtete unter anderem die »New York Times« unter Berufung auf nicht namentlich genannte Regierungsquellen. Das Pentagon wollte dies zunächst nicht bestätigen. »Ich habe heute nichts Konkretes zu verkünden«, sagte Pentagon-Sprecher Pat Ryder. Zuvor hatte das Weiße Haus erklärt, eine Weitergabe von Streumunition an die von Russland angegriffene Ukraine werde geprüft. Dem Sender CNN zufolge könnten die Pläne nun an diesem Freitag offiziell verkündet werden.
Selenskyj sieht in Nato-Gipfel entscheidende Weiche für Europa
Der ukrainische Präsident Selenskyj hat den anstehenden Nato-Gipfel im litauischen Vilnius als entscheidend für die künftige Sicherheit Europas bezeichnet. »Noch eine Woche bis zu einem Schlüsselmoment für unsere gemeinsame Sicherheit in Europa«, sagte er am Mittwochabend in seiner täglichen Videoansprache. Kiew dringt seit Monaten darauf, dass die Militärallianz das von Russland angegriffene Land aufnimmt.
Selenskyj kommt nach Prag
Im Anschluss an einen Besuch in Bulgarien am Donnerstagabend ist Selenskyj in Tschechien angekommen. Er werde dort unter anderem mit Präsident Petr Pavel und Regierungschef Petr Fiala »substanzielle Verhandlungen« führen, schrieb der 45-Jährige vorab bei Twitter. Thema der Gespräche in Prag werde die weitere Unterstützung für die Ukraine sein, die sich seit fast anderthalb Jahren gegen die russische Invasion wehrt. Zudem gehe es um den bevorstehenden Nato-Gipfel und den Wiederaufbau nach dem Krieg, hieß es.
London: Russland entblößt Grenzen für Ukraine-Krieg
Dass Russland im Krieg gegen die Ukraine militärische Einheiten aus verschiedenen Landesteilen einsetzt, könnte nach Einschätzung des britischen Geheimdienstes Sicherheitsrisiken bergen. »Militärische Verbände, die aus ganz Russland zusammengezogen wurden, tragen derzeit die Hauptlast der Gegenoffensive der Ukraine«, so das britische Verteidigungsministerium am Donnerstag in seinem täglichen Geheimdienst-Update. »Die Art und Weise, wie Russland Risiken in Eurasien akzeptiert, zeigt, wie der Krieg die etablierte nationale Strategie Russlands durcheinandergebracht hat.« So verteidige im Gebiet Saporischschja die 58. Armee, die sonst Russlands unbeständige Kaukasus-Region sichere, eine Front.
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