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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Kiew und Moskau beschuldigen sich gegenseitig, das Atomkraftwerk Saporischschja zum Ziel eines Angriffs oder von Sabotage machen zu wollen. Die News im Überblick.

Kernkraftwerk Saporischschja
Das Kernkraftwerk Saporischschja ist seit 2022 unter russischer Besatzung. Foto: Kateryna Klochko/DPA
Das Kernkraftwerk Saporischschja ist seit 2022 unter russischer Besatzung.
Foto: Kateryna Klochko/DPA

Die Sorge um das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja ist in den Fokus der Aufmerksamkeit im russischen Angriffskrieg in der Ukraine gerückt. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) sprach angesichts eines erneuten Stromausfalls in Saporischschja von einer »prekären nuklearen Sicherheitslage«.

Weitere Beunruhigung lösen die jüngsten gegenseitigen Vorwürfe der Ukraine und Russlands aus, das inzwischen abgeschaltete größte Atomkraftwerk Europas durch Sabotage oder Angriffe beschädigen zu wollen. Ein derartiger Vorfall solle unmittelbar bevorstehen.

Der Kreml pochte unterdessen auf die Erfüllung seiner Bedingungen für die Verlängerung des Getreideabkommens.

IAEA: »Prekäre nukleare Sicherheitslage«

Das Atomkraftwerk Saporischschja hatte nach Angaben der IAEA kürzlich erneut den Anschluss an seine externe Hauptstromleitung verloren. Das Kraftwerk sei daher auf die erst kürzlich wiederhergestellte Ersatzversorgung durch eine weniger leistungsstarke Leitung angewiesen, erklärte IAEA-Chef Rafael Grossi in Wien. Der Grund für den Stromausfall war bis Mittwochabend nicht bekannt.

Benötigt wird der IAEA zufolge der Strom beispielsweise zum Pumpen von Kühlwasser für die Anlage. »Diesmal konnte das Kraftwerk einen völligen Ausfall der gesamten externen Stromversorgung vermeiden - was bereits sieben Mal während des Konflikts vorgekommen war -, aber die jüngste Stromleitungsunterbrechung verdeutlicht erneut die prekäre nukleare Sicherheitslage im Kraftwerk«, so Grossi.

Beide Kriegsparteien mit Vorwürfen

Inzwischen bezichtigen sich Moskau und Kiew gegenseitig eines angeblich unmittelbar bevorstehenden Anschlags auf das AKW im Süden der Ukraine. Das russische Militär habe auf den Dächern mehrerer Reaktorblöcke Gegenstände platziert, die Sprengstoff ähnelten, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Dienstagabend in seiner täglichen Videoansprache. Aus Moskau hieß es dagegen, die ukrainischen Streitkräfte planten selbst einen Angriff auf das AKW, das nahe der Front liegt.

Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als 16 Monaten gegen die russische Invasion. Die vor knapp einem Monat gestartete ukrainische Gegenoffensive hat auch eine Rückeroberung des Kraftwerks Saporischschja zum Ziel. Das mit einer Bruttoleistung von 6000 Megawatt größte Atomkraftwerk Europas steht seit Anfang März 2022 unter russischer Kontrolle. Alle sechs Reaktoren sind seit vorigem September heruntergefahren.

Kreml: Große Gefahr einer Sabotage

Der Kreml bezeichnete seinerseits die Lage um das Atomkraftwerk als »ziemlich angespannt«. Die Gefahr einer Sabotage vonseiten Kiews sei groß, »was von den Folgen her katastrophal sein kann«, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwoch der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Russland werde alle Maßnahmen ergreifen, um einer solchen Gefahr entgegenzuwirken.

Kiew äußert Unmut über IAEA-Chef

Die Ukraine übte unterdessen heftige Kritik an der IAEA wegen ihres Umgangs mit dem russisch besetzten Atomkraftwerk. Im Hinblick auf IAEA-Chef Rafael Grossi sagte der Berater des Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak: »Der Mensch ist absolut unwirksam beim Management des Schlüsselrisikos.« Die IAEA habe »klare Einflusshebel« auf Russland, sagte er in der Nacht zum Mittwoch im ukrainischen Nachrichtenfernsehen. Druck auf den staatlichen Atomkonzern Rosatom hätte einen Abzug der Russen und eine Minenräumung erzwingen können, argumentierte er. Podoljak sprach dabei von einer »Clownerie« und bezeichnete Grossi als »dieser Mensch« und »das Subjekt Grossi«.

Kreml: Noch ist Zeit für Verlängerung von Getreideabkommen

Der Kreml sieht noch Zeit für die Erfüllung russischer Forderungen, um das Abkommen zur Verschiffung von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer doch noch verlängern zu können. »Es ist noch Zeit, den Teil der Vereinbarungen umzusetzen, die unser Land betreffen«, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der russischen Staatsagentur Tass zufolge.

Der Russland betreffende Teil des Abkommens sei bisher aber noch nicht erfüllt. »Und dementsprechend gibt es im Moment leider keine Grundlage für die Verlängerung dieses Abkommens«, sagte Peskow weiter. Eine Entscheidung zur Zukunft des Getreidedeals sei bislang nicht getroffen und werde rechtzeitig verkündet.

Das auch für den Kampf gegen den Hunger in der Welt wichtige Getreideabkommen läuft zum 17. Juli aus. Russland hatte unter anderem die Aufhebung der Sanktionen gegen seine Landwirtschaftsbank verlangt. Dafür wäre allerdings die Zustimmung der EU-Staaten nötig, was aber als nicht durchsetzbar gilt. Deshalb sollte die Gründung einer Tochtergesellschaft ein Ausweg sein.

© dpa-infocom, dpa:230705-99-287537/5