Angesichts schwindender Vorräte an Munition will die EU der Ukraine in den kommenden zwölf Monaten eine Million Artilleriegeschosse zum Kampf gegen Russland liefern. Der Verbrauch vor allem von Artilleriemunition bei den Kämpfen im Osten und Süden des Landes ist enorm. Die Ukraine verschießt nach einer EU-Auflistung jeden Tag zwischen 2000 bis 7000 Artilleriegranaten, Russland sogar 20.000 bis 60.000 Schuss.
Dass Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping bei einem Moskau-Besuch bis Mittwoch Russlands Präsident Wladimir Putin ähnliche Hilfe zusagen könnte, gilt als unwahrscheinlich.
Dabei wird nach Einschätzung westlicher Experten auch auf russischer Seite die Munition knapp. Der Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, klagte bereits wiederholt über fehlende Artilleriegeschosse und Patronen. Russland will das Thema nach eigenen Ankündigungen auch beim Besuch des Chinesen ansprechen. Zu den Gesprächen soll auch Verteidigungsminister Sergej Schoigu hinzugezogen werden. Allerdings müsste China westliche Sanktionen befürchten, sollte es dem Angreifer Waffen liefern.
Rund zwei Milliarden Euro EU-Mittel für Munition
Um die Kosten für die geplanten Munitionslieferungen gerecht unter den EU-Staaten zu verteilen, werden den Planungen zufolge rund zwei Milliarden Euro an EU-Mitteln mobilisiert, wie Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel bestätigten. Das Geld soll aus der sogenannten Friedensfazilität kommen. Dabei handelt es sich um ein Finanzierungsinstrument, über das die EU bereits heute Waffen und Ausrüstung liefert sowie die Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte fördert. Es geht vor allem um Artilleriegranaten vom Kaliber 155 mm.
Von den zwei Milliarden Euro soll eine Milliarde für Rückerstattungen an Mitgliedstaaten genutzt werden, die zügig aus eigenen Beständen liefern. Die zweite Milliarde soll gemeinsame Beschaffungsprojekte voranbringen. Idee ist, dass durch Sammelbestellungen Preise gedrückt und Bestellungen beschleunigt werden. Anders als zunächst vorgesehen sollen nicht bis zu 90 Prozent der Kosten für die Munition aus EU-Mitteln übernommen werden. Dagegen hatte es von mehreren Ländern Widerstand gegeben, weil die Quote bislang deutlich niedriger lag.
Kreml: Putin wird Xi »ausführlich« zur Ukraine berichten
Xi wurde schon kurz nach der Ankunft in Moskau von Putin im Kreml empfangen. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte: »Natürlich wird die Ukraine auf der Tagesordnung stehen. Natürlich wird Präsident Putin ausführliche Erläuterungen abgeben, damit Xi aus erster Hand die aktuelle Sichtweise der russischen Seite bekommen kann.« Putin selbst erklärte zum Auftakt des Gesprächs, Russland sei offen für Verhandlungen in der Ukraine. Das hat Moskau jedoch schon wiederholt betont, solange alle seine Forderungen erfüllt würden.
Besuch von Xi kommt Putin gelegen
Für Putin, der seit Freitag per internationalem Haftbefehl des Weltstrafgerichts zur Fahndung und Festnahme ausgeschrieben ist, kommt der Gast aus Peking gelegen. Damit kann er zeigen, dass er international nicht völlig isoliert ist. Am Krieg Russlands gegen die Ukraine gibt Peking dem Westen die Schuld. Zugleich betont es, dass die »Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität aller Länder« gewahrt werden müsse, was Beobachter häufig auf die ursprünglichen Grenzen der Ukraine beziehen. Allerdings fordert China auch, dass die »legitimen Sicherheitsinteressen aller Länder ernst genommen« werden müssten, was die Argumentation Russlands aufnimmt, es müsse sich gegen die USA und die Nato verteidigen.
Russische Ermittler eröffnen Verfahren gegen Weltstrafgericht
Wegen des Haftbefehls gegen Putin leitete die russische Justiz ihrerseits ein Strafverfahren gegen die Richter des Internationalen Strafgerichtshofs ein. Der Vorwurf laute auf vorsätzlich illegale Inhaftierung und Vorbereitung eines Angriffs auf einen gegen Strafverfolgung geschützten Vertreter eines ausländischen Staats, stand in einer Mitteilung des nationalen Ermittlungskomitees. Die Ermittlungen richten sich auch gegen Chefankläger Karim Khan.
Der Gerichtshof mit Sitz in Den Haag hatte am Freitag Haftbefehl gegen Putin wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine erlassen - erstmals gegen den Präsidenten einer Atom- und Vetomacht im UN-Sicherheitsrat. Die Ermittler machen den Kremlchef für die Verschleppung von Kindern von besetztem ukrainischen Gebiet auf russisches Territorium verantwortlich. Chefankläger Karim Khan forderte Russland auf, verschleppte ukrainische Kinder in ihr Heimatland zurückzubringen. Russland behauptet, die Kinder vor Kampfhandlungen in Sicherheit gebracht zu haben.
Peskow erklärte, der Kreml habe den Haftbefehl gegen Putin »gelassen« zur Kenntnis genommen. Dagegen drohte Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew damit, den Internationalen Strafgerichtshof in den Niederlanden mit Hyperschallraketen zu beschießen.
Chefankläger Khan forderte Russland am Montag erneut auf, verschleppte ukrainische Kinder in ihr Heimatland zurückzubringen. Jedem, der von sogenannten humanitären Evakuierungen spreche, sage er: »Die Beweise sprechen eine andere Sprache«. Bei einem Treffen von Justizministern in London sagte der britische Jurist: »Wenn die Äußerungen, dass dies den Kindern zuliebe geschieht, auch nur annähernd wahr sind, schicken Sie sie in das Land ihrer Staatsangehörigkeit zurück anstatt ihnen einen ausländischen Pass zu geben.«
Russland droht mit Aus für Getreide-Abkommen
Vor Kurzem erst wurde das Abkommen über den Export ukrainischen Getreides um 60 Tage verlängert - nun droht Russland erneut mit dessen Aus. Als Bedingung für eine längerfristige Weiterführung nannte das Außenministerium in Moskau einmal mehr Erleichterungen bei russischen Düngemittel-Exporten sowie die Wiederaufnahme von Technik- und Ersatzteil-Lieferungen im landwirtschaftlichen Bereich. »Ohne Fortschritte bei der Erfüllung dieser Anforderungen (...) wird unsere Teilnahme an der Schwarzmeer-Initiative ausgesetzt«, hieß es.
Auch Kremlchef Wladimir Putin sprach explizit davon, dass die Initiative nun wieder platzen könnte. In diesem Fall werde Russland kostenlos Getreide in afrikanische Länder exportieren, meinte er bei einer virtuellen Russland-Afrika-Konferenz. Putin, der den Krieg gegen die Ukraine vor mehr als einem Jahr selbst angeordnet hat, versucht immer wieder den Eindruck zu erwecken, es ginge ihm in erster Linie um das Wohl ärmerer Staaten, die angeblich zu wenig von dem Getreide-Abkommen profitierten.
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