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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Die Vorstöße russischer Truppen sind nach Londoner Einschätzung aktuell wenig wirksam. Klar scheint aber: Die Ukraine braucht dringend weitere Unterstützung - nicht zuletzt Munition. Ein Überblick.

Nato-Treffen in Brüssel
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (l) und US-General Mark Milley beim Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Brüssel. Foto: Olivier Matthys
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (l) und US-General Mark Milley beim Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Brüssel.
Foto: Olivier Matthys

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat die Bündnisstaaten zu weiterer Militärhilfe für die Ukraine im Krieg gegen Russland aufgefordert. »Wir sehen keine Anzeichen dafür, dass Präsident Putin sich auf den Frieden vorbereitet«, sagte der Norweger in Brüssel am Rande von Beratungen der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe. »Er bereitet sich auf mehr Krieg vor, auf neue Offensiven und neue Angriffe.«

Derweil äußerte sich Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) skeptisch, dass die Kiew versprochenen Leopard-Panzer bald zur Verfügung stehen. Immerhin sei die Produktion neuer Munition angelaufen. Norwegen kündigte an, Kiew acht Leopard-2-Kampfpanzer bereitzustellen und Spanien bildet ab dem Wochenende ukrainische Soldaten am Leopard aus. Die aktuellen Vorstöße russischer Truppen zeigen nach Einschätzung britischer Geheimdienste nicht den von Moskau gewünschten Erfolg.

Stoltenberg: Nato muss Zusagen einhalten

Laut Stoltenberg geht es konkret darum, mehr Munition zu liefern und die Produktionskapazitäten hochzufahren - auch damit die eigenen Bestände wieder aufgefüllt werden. Es sei »äußerst wichtig sicherzustellen, dass alle bereits gelieferten Systeme so funktionieren, wie sie sollten.« Neben Munition sprach er etwa von Ersatzteilen und Wartung. Zudem sei es dringend notwendig, jene Waffen zu liefern, die bereits versprochen worden seien. Hier erwähnte Stoltenberg die deutschen Schützenpanzer Marder, die US-Schützenpanzer Bradley und Kampfpanzer wie den deutschen Leopard 2. Mit Blick auf die mögliche Lieferung von Kampfjets sagte er, die Diskussion darüber laufe, dies sei aber nicht das drängendste Thema.

Niederlande schließen Lieferung von Kampfjets nicht aus

Die Niederlande schließen eine Lieferung von F-16-Kampfjets an die Ukraine nicht aus. Es stimme, dass Kiew F-16 bei ihrem Land angefragt habe, sagte Verteidigungsministerin Kajsa Ollongren am Rande eines Treffens der internationalen Kontaktgruppe für Waffenlieferungen an die Ukraine in Brüssel. Man nehme diesen Wunsch »sehr ernst«. Zugleich wies Ollongren darauf hin, dass die F-16 ein komplexes Waffensystem sei und dass das Thema etwa mit den USA diskutiert werden müsse. Kampfjets seien nicht mit den Kampfpanzern vergleichbar, die in den nächsten Monaten geliefert würden.

Norwegen liefert Ukraine acht Leopard-Kampfpanzer

Norwegen wird der Ukraine acht Leopard-2-Kampfpanzer zur Verfügung stellen. Das kündigte der norwegische Verteidigungsminister Bjørn Arild Gram am Dienstag auf einem Treffen der internationalen Kontaktgruppe für Waffenlieferungen an die Ukraine in Brüssel an. Hinzu kommen bis zu vier Begleitfahrzeuge sowie Mittel für Munition und Ersatzteile, wie die norwegische Regierung mitteilte. Norwegen verfügt derzeit über 36 Leopard-Panzer vom älteren Typ 2A4.

Zuvor hatte Deutschland nach langem Zögern erklärt, 14 deutsche Leopard-Kampfpanzer des Typs 2A6 an Kiew liefern zu wollen. Die spanische Verteidigungsministerin Margarita Robles sagte bei dem Treffen in Brüssel, Spanien werde ab dem Wochenende 55 Besatzungsmitglieder und Techniker aus der Ukraine für Leopard-Panzer ausbilden. Spanien hatte sich zuvor bereiterklärt, Leopard an Kiew zu liefern, die Zahl ließ Robles aber weiter offen.

London: Russische Vorstöße bisher wenig wirksam

Russische Truppen greifen nach britischer Einschätzung an mehreren Stellen in der Ukraine an, kommen aber weiterhin nicht recht voran. »Das aktuelle operative Bild legt nahe, dass den russischen Kräften in den meisten Frontabschnitten der Vormarsch befohlen wird«, teilte das Verteidigungsministerium in London unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mit. Allerdings könnten sie an keiner Stelle genügend Kampfkraft bündeln, »um entscheidende Wirkung zu erzielen«. Die Russen wollten vermutlich einige Geländegewinne der Ukrainer aus dem Herbst rückgängig machen. »Es besteht eine realistische Möglichkeit, dass ihr unmittelbares Ziel darin besteht, nach Westen zum Fluss Scherebez vorzudringen.« Die Söldnergruppe Wagner habe zuletzt weitere Geländegewinne im Norden von Bachmut erzielt.

US-Medien: Kiew hat gute Chance für entscheidende Schläge

Vor dem nahenden ersten Jahrestag des russischen Angriffskriegs sehen US-Beamte einem Zeitungsbericht zufolge für die Führung in Kiew einen entscheidenden Moment kommen. Die jüngsten Hilfspakete des US-Kongresses sowie der Verbündeten der USA stellten Kiews beste Chance dar, den Verlauf des Krieges entscheidend zu ändern, berichtete die »Washington Post« unter Berufung auf Spitzenbeamte. Der Krieg habe sich zu einem langsamen Abnutzungskrieg entwickelt, in dem keine Seite die Oberhand gewinne. Beamte der US-Regierung glaubten, dass der kritische Punkt in diesem Frühjahr kommen werde, wenn Russland voraussichtlich eine Offensive starten und die Ukraine eine Gegenoffensive unternehmen werde.

Moskau weist Putschvorwürfe in Moldau zurück

Das russische Außenministerium wies Vorwürfe zurück, Russland plane einen Umsturz in der Ex-Sowjetrepublik Moldau. »Derartige Behauptungen sind absolut unbegründet und unbewiesen«, sagte Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa. Einer Ministeriumsmitteilung von Dienstag zufolge warf sie sowohl der Ukraine als auch der Republik Moldau, die die Anschuldigungen zuvor erhoben hatten, eine Schmutzkampagne vor. Die proeuropäische Präsidentin der Ex-Sowjetrepublik Moldau, Maia Sandu, hatte am Montag vor russischen Umsturzversuchen in ihrem Land gewarnt. Der Plan Moskaus beinhalte, gewalttätige Ausschreitungen und Angriffe auf staatliche moldauische Institutionen anzuzetteln und diese als Proteste zu tarnen. Sandu stützte sich bei ihren Aussagen auf Geheimdienst-Dokumente aus Kiew.

Deutschland hat bisher rund 1200 ukrainische Soldaten ausgebildet

Deutschland hat nach Angaben von Pistorius bisher 1200 ukrainische Soldaten an Waffensystemen ausgebildet. Das Training an Systemen wie dem Raketenwerfer Mars II, der Panzerhaubitze 2000 oder dem Schützenpanzer Marder sei von zentraler Bedeutung, sagte er am Dienstag am Rande eines Nato-Treffens in Brüssel. Nur wenn die Lieferung von Waffen und die Ausbildung Hand in Hand gingen, könne beides auch Wirkung erzielen. Neben Schulungen an Waffensystemen bietet Deutschland zudem insbesondere Feldwebel-Ausbildungen an.

© dpa-infocom, dpa:230214-99-584739/9