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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Die EU dämpft den Eifer des ukrainischen Präsidenten Selenskyj für eine schnellen Beitritt zum Staatenbund. Doch Selenskyj sieht sein Land schon jetzt als EU-Mitglied. Die aktuellen Entwicklungen.

Kiew
Die Ukraine will Teil der EU werden - doch wie schnell kann der Wunsch in Erfüllung gehen? Foto: Daniel Cole
Die Ukraine will Teil der EU werden - doch wie schnell kann der Wunsch in Erfüllung gehen?
Foto: Daniel Cole

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj macht nach dem Gipfel mit der EU in Kiew weiter Druck für einen raschen Beitritt seines Landes zur Europäischen Union.

»Wir sprechen bereits als Mitglieder der EU«, sagte Selenskyj in einer am Freitagabend in Kiew verbreiteten Videobotschaft. Der Status müsse nur noch rechtlich verankert werden. Die EU-Kommission mit Präsidentin Ursula von der Leyen an der Spitze hatte indes in Kiew betont, dass die Ukraine noch einen langen Weg bis zu einer EU-Mitgliedschaft vor sich habe.

Dagegen meinte Selenskyj, dass die EU-Vertreter bei dem Gipfel in Kiew am Freitag Beitrittsverhandlungen in Aussicht gestellt hätten. »Es gibt ein Verständnis, dass es möglich ist, die Verhandlungen über eine Mitgliedschaft der Ukraine in der Europäischen Union dieses Jahr zu beginnen«, meinte Selenskyj. Von EU-Seite gab es keine solchen konkreten Aussagen. Von der Leyen hatte in Kiew zwar Selenskyjs Entschlossenheit und Reformwillen gelobt, aber auch betont, dass es noch einiges zu tun gebe. Einen Zeitplan gibt es nicht.

Selenskyj setzt große Hoffnung auf eine schnelle EU-Mitgliedschaft. »Wir bereiten die Ukraine auf eine größere Integration in den internen Markt der EU vor - das bedeutet mehr Einkommen für ukrainische Unternehmen, mehr Produktion und Jobs in unserem Land. Und mehr Einkommen für unseren Staat und die lokalen Haushalte«, sagte er. »Das ist das, was die Ukraine wirklich stärker macht.«

Die Ukraine werde alles dafür tun, dass die russische Aggression zu einem »Selbstmord« für Moskau werde. So habe auch die EU nun seinen Plan für einen Frieden in der Ukraine begrüßt. Kern von Selenskyjs Plan ist der Rückzug russischer Truppen, bevor Verhandlungen beginnen. Russland, das fast 20 Prozent des Gebiets der Ukraine kontrolliert, lehnt dieses Ansinnen als absurd ab.

Botschafter Makeiev gibt sich optimistisch

Auch der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, zeigte sich nach dem Gipfel optimistisch mit Blick auf einen EU-Beitritt: »Die Botschaft dieses Tages ist eindeutig: Die Ukraine wird EU-Mitglied werden«, sagte Makeiev dem »Kölner Stadt-Anzeiger«. »Dass mehr als die halbe Kommission in ein künftiges Beitrittsland reist, das hat es noch nie gegeben.«

Sein Land werde »alles dafür tun, den Beitrittsprozess so schnell wie möglich abzuschließen«, sagte Makeiev. »Viele EU-Mitgliedstaaten haben begriffen, dass man im Fall der Ukraine die politische Zurückhaltung aufgeben und zu schnelleren Entscheidungen kommen muss.«

Barley dämpft Hoffnungen auf baldigen EU-Beitritt

Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Katarina Barley (SPD), dämpfte unterdessen Erwartungen an einen raschen EU-Beitritt der Ukraine. »Schon, dass die Ukraine so schnell Kandidatenstatus bekommen hat, das war ein ganz außergewöhnlicher Vorgang«, sagte Barley in den ARD-»Tagesthemen«.

Das Land müsse die gleichen Bedingungen wie alle anderen Beitrittskandidaten erfüllen. Dazu zählten politische, wirtschaftliche und rechtliche Kriterien. »Alle drei Felder sind noch lange nicht erfüllt.« Es sei nicht möglich, ein Land vorschnell aus besonderen Motiven aufzunehmen. Es sei wichtig, »dass man realistisch zu den Ukrainerinnen und Ukrainern ist«.

Mit dem Kandidatenstatus seien aber auch schon Vorteile verbunden, gerade finanzielle Unterstützung. Das Land sei mitten im Krieg, da sei es nicht zu erwarten, dass Fortschritte bei den Beitrittskriterien besonders schnell erzielt würden, betonte Barley. »Wir unterstützen die Ukraine bei diesen Schritten, das ist ganz wichtig, wir werden immer an ihrer Seite sein.«

Bei ihrem gemeinsamen Gipfel in Kiew hatte die EU der Ukraine am Freitag volle Unterstützung bei deren Wunsch nach baldiger Mitgliedschaft zugesagt, allerdings keinerlei konkrete zeitliche Perspektive gegeben. Ratspräsident Charles Michel wiederum machte die Ukraine rhetorisch fast schon zum Mitglied: »Ihre Zukunft liegt bei uns in unserer gemeinsamen Europäischen Union. Ihr Schicksal ist unser Schicksal«, sagte der Belgier.

Krieg dominierendes Thema der Sicherheitskonferenz

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine wird das dominierende Thema der Münchner Sicherheitskonferenz sein. Das wichtigste sicherheitspolitische Expertentreffen weltweit findet vom 17. bis 19. Februar im Hotel Bayerischer Hof statt. Es ist die erste Sicherheitskonferenz seit Kriegsbeginn. Aus der Ukraine werden Außenminister Dmytro Kuleba und Verteidigungsminister Olexij Resnikow in München erwartet.

Zudem haben bereits rund 40 Staats- und Regierungschefs, 90 Minister und mehrere Chefs von internationalen Organisationen ihre Teilnahme zugesagt. Dazu zählen der französische Präsident Emmanuel Macron, EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, wie die Konferenzleitung der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage mitteilte. Ob wie im vergangenen auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und US-Vizepräsidentin Kamala Harris teilnehmen werden, ließ sie noch offen.

Russische Offizielle sind nicht eingeladen. »Von der russischen Regierung kommt keinerlei Anzeichen eines Einlenkens. Wir sind uns zu schade, diesen Kriegsverbrechern im Kreml mit der Münchner Sicherheitskonferenz eine Bühne für ihre Propaganda zu bieten«, sagte Konferenzleiter Christoph Heusgen der dpa.

Dafür würden aber prominente russische Oppositionspolitiker nach München kommen, darunter der frühere Oligarch Michail Chodorkowski, der ehemalige Schachweltmeister Garri Kasparow, der Journalist und Friedensnobelpreisträger Dmitri Muratow und Julia Nawalnaja, die Ehefrau des inhaftierten Oppositionellen Alexej Nawalny.

Großer Gefangenenaustausch

Russland und die Ukraine haben nach Angaben aus Moskau den zahlenmäßig größten Gefangenenaustausch seit Jahresbeginn vollzogen. »Im Laufe eines schwierigen Verhandlungsprozesses wurden 63 russische Soldaten vom Territorium zurückgeholt, welches das Kiewer Regime kontrolliert«, teilte das russische Verteidigungsministerium auf seinem Telegram-Kanal mit. Die Ukraine bestätigte später den Austausch und die Rückkehr von 116 Gefangenen.

Stomausfall in der Millionenstadt Odessa

Die ukrainische Hafenstadt Odessa ist nach einer größeren Havarie im Leitungsnetz seit dem Samstagmorgen ohne Strom. »An einem der Hochspannungsumspannwerke, über die die Stadt Odessa mit Strom versorgt wird, ist heute Morgen ein Transformator ausgefallen, der nach einer Beschädigung durch russische Angriffe repariert wurde«, teilte der Energieversorger Ukrenerho in seinem Telegram-Kanal mit.

© dpa-infocom, dpa:230204-99-470227/6